Hallo lieber Bernd!
Das klingt wirklich nach einer extrem schwierigen, gefährlichen und verzweifelten Situation. Deshalb aus der Ferne erst einmal eine Umarmung. Als kleine Vorwarnung: vielleicht fühlst du dich an der einen oder anderen Stelle von meinen Worten angegriffen, aber ich meine es keineswegs böse.
Dass deine Schwester den Täter verteidigt (vermutlich tut sie das nicht nur vor euch, sondern auch vor sich selbst), dürfte ihre Überlebensstrategie sein - körperlich und psychisch. So schlimm es auch ist: von außen kann sie niemand vom Gegenteil überzeugen. Ich gehe schwer davon aus, dass sie - selbst, wenn ihr sie irgendwie kurzfristig von ihm trennen könntet - früher oder später zu ihm zurückkehren würde. Das ist die bittere Realität der häuslichen Gewalt, und so, wie du es beschreibst, ist das ganze Gewaltkonstrukt bereits sehr tief verwurzelt, also auch nur schwer aufzulösen. Dein Versuch, ihn mit Gegengewalt zu stoppen, ist menschlich absolut nachvollziehbar, nur heizt so etwas die ganze Spirale meist weiter an (du "entmannst" ihn, er holt sich das Gefühl von Macht und Kontrolle zurück - und zwar nicht bei dir, sondern bei deiner Schwester... und nein, damit will ich dir nicht den schwarzen Peter zuschieben, sondern nur sensibilisieren!).
Ich glaube, das Beste, was du bzw. ihr als Familie tun könnt, ist, deiner Schwester immer wieder zu signalisieren: Wir sind für dich da, bei uns bist du sicher, wir versuchen nicht, dich von etwas zu überzeugen, was du nicht selbst willst (das kennt sie nur zu gut und erzeugt Gegenwehr!). Bietet ihr einen sicheren Hafen, so gut ihr könnt. Ob sie die Einladung annimmt und einlaufen will, liegt dann bei ihr. Sie ist und bleibt ein erwachsener Mensch und trägt die Verantwortung für ihr Leben selbst. Übrigens auch, falls sie sich tatsächlich suizidiert. Klingt hart, ist hart, bleibt aber IHRE Entscheidung!
Ganz anders ist das mit den Kindern. Ich denke, es ist unumgänglich, das Jugendamt einzuschalten. Auch, wenn du schreibst, dass der Täter sie nicht anfasst: Kinder merken ALLES. Auch Zusehenmüssen, das Hören von Schreien usw. kann ein Trauma erzeugen, und zwar ein schwerwiegendes. Deshalb: bitte, bitte zögert nicht!!! Kinder haben keine Wahl und sind IMMER auf den Schutz von Erwachsenen angewiesen! Geh einmal in dich und frage dich, ob du/ihr damit leben könnt, das Wohl der Kinder durch Schweigen zu "opfern", um deine Schwester - ich wiederhole: ein erwachsener Mensch mit Eigenverantwortung - zu schützen? Die Kinder erleben gerade nicht nur einen gewalttätigen Vater, sondern auch eine "schwache" Mutter. Selbst, wenn sie körperlich heil aus der Nummer rauskommen: wie sollen sie ihr Leben später gesund leben können...? Wie sollen sie die Frage beantworten, warum niemand etwas getan hat, um ihnen zu helfen? Ich stelle diese Fragen nicht, um Schuldgefühle zu erzeugen, sondern vielmehr, um sie zu verhindern, wenn es vielleicht zu spät ist. Ich hoffe, du verstehst, was ich damit ausdrücken will!