Das ist ein brutaler Schmerz: nicht Auge in Auge, sondern einfach per Textnachricht - für mich war und ist das feige.
Ich vermute dass der Grund weniger in einer Feigheit, sondern darin liegt, dass der Betroffene aufgrund der eigenen Trauersituation bei sich selber keine Ressourcen für weiteren zu starken Abschiedsschmerz spürt, und den Abschied in dieser Situation besonders schnell und unemotional vollziehen möchte, bevor er seinen letzten Gang zum Elefantenfriedhof antritt.
Seine Gedanken sind gerade nicht rational, sondern von einer persönlichen Weltuntergangsstimmung
dominiert. Man darf bei der Bewertung ja nie vergessen, dass er sich in seinem Wahn gerade nicht in eine Zukunft
ohne Jamie94 verabschiedet, sondern in den - aus seiner Perspektive - sicher geglaubten Tod.
Das eigentliche Missverständnis entsteht ja durch die plötzlich vollkommen ungleiche Lebenswahrnehmung, hier die Zurückgestoßene, die sich fragt wie sie ohne die Freundschaft weitermachen soll, und dort der ExKrebs-Angstpatient, der bereits mit dem Leben abgeschlossen hat.
Er wäre vernünftigen Argumenten gegenüber vermutlich auch nicht zugänglich.
Ich kann mir richtig vorstellen, dass er auf den Vorwurf: "Nach Deiner Nachricht war mein Tag komplett gelaufen!" innerlich mit "Ja, bei mir ist allerdings mein ganzes Leben gelaufen!" reagieren würde.
Sobald der Kumpel realisiert, dass sein Gang zum Elefantenfriedhof aber noch viele Jahre entfernt liegt, und er wieder ernsthaft gesund ist, dann gleichen sich diese Lebensrealitäten auch wieder an, und dann ist ebenfalls wieder ein harmonischer Umgang miteinander möglich.