Und mal ein kleiner Exkurs zu dem vorgenannten Thema:
"1979 war die sozialimperialistische Sowjetunion in Afghanistan einmarschiert und hatte damit einen breiten Massenwiderstand auf den Plan gerufen. Dabei spielten ganz unterschiedliche Kräfte - darunter auch marxistisch-leninistische Organisationen eine wichtige Rolle.
Die USA aber unterstützten von Anfang an nur islamistische Kräfte. Sie bekämpften keineswegs nur die sowjetischen Besatzer - sie richteten sich auch gegen demokratische und sozialistische Kräfte. So gab es bedeutende Organisationen, die den Kampf gegen die Sowjetunion als antiimperialistischen Kampf führten und nicht zurückwollten in die feudale Ausbeuterordnung, die das Land und seine Menschen über viele Jahrzehnte geknechtet hatte. Als einer von verschiedenen revolutionären Persönlichkeiten wurde 1990 Abdul Quaoyum, der auch international bekannte Führer der antiimperialistischen Organisation Sama in Pakistan ermordet.
Als sich die Sowjetunion 1988 aus Afghanistan zurückziehen musste und schließlich wenig später der sozialimperialistische Koloss zusammenbrach, bekriegten sich die verschiedenen Cliquen und »War-Lords« (regionale Kriegsherren) untereinander. Jeder Ansatz zum Wiederaufbau des Landes wurde zerstört, immer noch konnten Millionen afghanische Flüchtlinge vor allem aus dem Iran und Pakistan nicht wieder in ihre Heimat zurückkehren.
75 Prozent der Weltölreserven in der Region um Afghanistan
In keiner anderen Region der Welt wurden in den letzten Jahrzehnten derart gigantische Vorkommen an Öl, Gas, Kohle und anderen Rohstoffen entdeckt wie in den an Afghanistan grenzenden, ehemals zur Sowjetunion zählenden Republiken Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Aserbaidschan und Tschetschenien. Dieses Gebiet beherbergt etwa 75 Prozent der Weltölreserven und 33Prozent der Erdgasreserven. Was den USA nicht in den Kram passt, ist die Tatsache, dass auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Russland alleine schon über die Transportwege die Kontrolle über diese Schätze behielt.
In einer Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 1998 heißt es:
»Turkmenistan, das über die zweitgrößten Reserven an Energieresourcen der Welt verfügt, ist seit Anfang der 90er Jahre an der Erschließung neuer Transportwege interessiert, um von Russland, das bislang die Kontrolle über die Pipelines besitzt, unabhängig zu werden ... Die amerikanische Alternative lautet, Pipelines durch West- und Südafghanistan zu bauen«. (»Politik und Gesellschaft« 2/98)
Volle Kriegskassen aus dem Opiumhandel
Auch vor dem Krieg wurde im afghanisch/pakistanischen Grenzgebiet Opium angebaut - allerdings nur für relativ kleine, regionale Märkte. Seitdem steigerte sich die Opiumproduktion dort sprunghaft. 60 Prozent des US-amerikanischen Heroin»bedarfs« wird von dort geliefert. Den Bauern wurde von den islamisch-fundamentalistischen »Gotteskriegern« befohlen, Opium als »revolutionäre Steuer« anzubauen - so wurden und werden die Kriegskassen immer neu gefüllt. Denn immerhin werden ihre jährlichen Erträge aus dem Drogenhandel auf 100 bis 200 Milliarden Dollar geschätzt - ungefähr ein Drittel des weltweiten Umsatzes an Suchtmitteln.
Die Religion als Vorwand
Zum Zweck der Kontrolle und einer gewaltsamen Befriedung des Landes wurden die Taliban in Pakistan aufgebaut, finanziert mit Geldern aus Saudi-Arabien. Die Religion und das Versprechen, mit aller Härte gegen Korruption und »moralischen Zerfall« vorzugehen, wurden ganz bewusst als Mittel zum Zweck eingesetzt, den Taliban eine gewisse Massenbasis zu verschaffen. Koranschulen und Trainingslager wurden in Pakistan mit Hilfe des dortigen Geheimdienstes ISI aufgebaut. Selbst die großbürgerliche »Frankfurter Allgemeine Zeitung« muss bestätigen:
»Es waren westliche Geheimdienste - allen voran der CIA -, die für die Ausbildung der Afghanen verantwortlich zeichneten und mit dem Umfeld jener Kräfte zusammenarbeiteten, die sich ob dieser Fürsorge wenig dankbar erwiesen und heute als Terroristen gesucht werden.« (»Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 4.5.01)
Osama Bin Laden stammt genau aus diesem Umfeld:
»Wie tausende anderer junger Muslime war Osama bin Laden, damals ein Ingenieurstudent, 1979 nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan in das gebirgige, strategisch wichtige Land geströmt, um den Kampf gegen den >gottlosen, atheistischen Feind< aufzunehmen, Unterstützung erhielten diese Freiheitskämpfer in großem Stil von Saudi-Arabien, Ägypten, Pakistan und den USA. Die CIA allein soll damals insgesamt 3 Milliarden Dollar aufgewendet haben, um den islamischen Widerstandskämpfern Waffen und Kommunikationsgeräte zu besorgen und die nötige militärische Infrastruktur aufzubauen.« (»SonntagsZeitung« vom 23.8.98)
Es war die »Freiheit« der Drogenhändler und Ölkonzerne, für die die Taliban ihr Regime errichteten. Dafür wurden sie bis Mitte der 90er Jahre von den imperialistischen Regierungen als »Ordnungsfaktor« anerkannt. Mittelalterliche Knechtschaft brachten sie für die Massen, insbesondere die Frauen. Nur tief verschleiert dürfen sie die Häuser verlassen, Mädchen ist der Schulbesuch verweigert, Frauen dürfen nicht erwerbstätig sein - was bei der enorm hohen Anzahl von Witwen und Waisen in dem kriegszerstörten Land schlicht den Hungertod für Frauen und Kinder bedeutet, wenn nicht irgend eine familiäre Hilfe aufzutreiben ist. Auf internationale Kritik an der Förderung der Taliban reagierten die US-Imperialisten zynisch. So wird der ehemalige Berater des früheren US-Präsidenten Carter, Brzezinski, zitiert:
»Was war denn weltgeschichtlich wichtiger, die Taliban oder der Sturz des Sowjetimperiums? Ein paar aufgestachelte Muslime oder die Befreiung Osteuropas und das Ende des kalten Krieges?« (»Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 25.9.01)
Um den Erzrivalen UdSSR zu beseitigen und Weltmacht Nummer eins zu werden, ist dem US-Imperialismus kein Mittel zu schmutzig - das ist die zutiefst reaktionäre Logik des US-Chefideologen. Heute aber sollen die »paar aufgestachelten Muslime« der Vorwand sein für einen weltumspannenden »New War«.
Die Pläne des US-Imperialismus sind gescheitert.
Zwar endete mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion der von der Rivalität der Supermächte USA und UdSSR geprägte »kalte Krieg«. Ausbeutung und Unterdrückung der Völker der Welt aber wurden weiter gesteigert. Nur kurz konnten die westlichen Imperialisten nach dem Zusammenbruch der sozialimperialistischen Sowjetunion über das »Ende des Sozialismus« triumphieren. Gescheitert war jedoch nicht der Sozialismus. Gescheitert waren in der UdSSR, in der DDR und Osteuropa bürokratisch-kapitalistische Regime, die sich zur Täuschung der Menschen auch lange nach dem Verrat am Sozialismus noch sozialistisch genannt hatten.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion markierte den Übergang in eine neue, die fünfte Phase der Allgemeinen Krise des Kapitalismus. Das kapitalistische Weltsystem kann nicht eines der grundlegenden Menschheitsprobleme lösen: Hunger, Elend, Kriege, Massenarbeitslosigkeit und Umweltzerstörung verschärften sich weltweit. Zum Bestandteil dieser allseitigen Verschärfung der Widersprüche in der Allgemeinen Krise des Kapitalismus wurde auch die Krise des imperialistischen Wertesystems. Der US-Chefideologe Brzezinski analysierte den
»rapiden Zerfall nahezu aller anerkannten Werte, vor allem in den Industriestaaten der Erde« und machte sich Sorgen um ein
»Erwachen des politischen Bewußtseins« in den Entwicklungsländern. Deshalb solle man eine
»religiöse Renaissance« fördern, die
»teilweise die Leere füllen (könne), die der Marxismus hinterlassen hat«. (Zitiert nach den Dokumenten des V.Parteitags der MLPD 1996)
Exakt nach dieser Maxime wurden die Taliban in Afghanistan aufgebaut, aber auch christlich geprägte Sekten in Afrika und Lateinamerika gefördert, islamische Fundamentalisten weltweit finanziert: von den Hamas in Palästina, der Abbu-Sayyaf-Truppe auf den Philippinen, die im vergangenen Jahr durch groß angelegte Geiselnahmen auf sich aufmerksam machte, fundamentalistische Organisationen in Tschetschenien oder Indonesien oder hier in Europa Kräfte innerhalb der UCK in Mazedonien. In den Augen ihrer Finanziers in den USA und Saudi-Arabien brauchen sie vor allem eine Qualifikation: Sie müssen
wütende Antikommunisten sein, skrupellos in ihrem
blinden Fanatismus, wenn es gilt gegen den Widerstand der Massen vorzugehen.
Von Bin Laden bis Pinochet
Bin Laden, die Taliban ... sie stehen nur am vorläufigen Ende einer Kette von
reaktionären Zöglingen des US-Imperialismus, von denen sich eben einige früher oder später auch verselbständigten und nicht mehr nach der Pfeife des Meisters tanzten:
*Da ist der General
Noriega in Panama, der keine Gnade bei Folterungen und Verfolgung der Massen kannte, lange Zeit direkt auf den Gehaltslisten des CIA stand und schließlich in den USA vors Gericht musste, weil er auf eigene Rechnung im Drogengeschäft mitmischen wollte.
*Da ist der
irakische Diktator Hussein, der so lange von den USA (und den europäischen Imperialisten) hochgerüstet wurde, wie er ihnen im Krieg während der 80er Jahre gegen den Iran nützlich erschien - und dessen Land flugs zum »Schurkenstaat« erklärt wurde, als er eigene regionale Machtansprüche zu verwirklichen versuchte.
*Da ist die lange Reihe der brutalen lateinamerikanischen Diktatoren, wovon
Chiles Pinochet nur die bekannteste Figur ist. Auch er konnte an einem 11.September im Jahr 1973 sein faschistisches Terrorregime errichten, beginnend mit dem Mord an Präsident Allende und von Anfang bis Ende organisiert vom US-Pentagon.
Der ehemalige CIA-Agent und Aussteiger Philipp Agee erklärt, dass etwa 20000 bis 30000 islamisch-fundamentalistische Kämpfer die Trainingsprogramme des CIA durchlaufen haben. Sie gingen zum Teil nach Ägypten, Algerien oder in den Sudan, halten internationale Verbindungen.
»Die Hälfte der Leute, die 1993 wegen des Bombenanschlags auf das World Trade Center festgenommen wurden, hatte zuvor die CIA-Schule in Afghanistan besucht«, berichtet er (»Jungle World« vom 16. 9. 98). Zu den Forderungen der Geiselnehmer um Abbu Sayyaf auf den Philippinen gehörte die Freilassung dieser Inhaftierten.
Aber die afghanischen Taliban, die Krieger von Gnaden des CIA, konnten und können noch so wüten: Sie beherrschen nicht das ganze Land, immer wieder flackert Widerstand auf. Deutlich nachgelassen hat das Interesse der USA an ihrer Förderung erst, nachdem der Iran wieder bessere Beziehungen zu den USA und den europäischen imperialistischen Ländern aufnahm. Die Zauberlehrlinge der USA wandten sich mehr und mehr von ihrem Lehrmeister ab, begannen sich selbständig zu machen und hofften mit einem blindwütigen, islamisch-fundamentalistischen »Antiamerikanismus« wenigstens einen Teil ihrer Massenbasis behalten zu können.
Solche »wild gewordenen« Zöglinge des Imperialismus unter Kontrolle zu halten, darin liegt auch ein gemeinsames Interesse der verschiedenen imperialistischen Staaten - Russland eingeschlossen. Ein extrem reaktionäres feudales Regime - wie das der Taliban in Afghanistan -, das schon die Entwicklung moderner Kommunikationsmittel für »Teufelswerk« hält, steht auch der Internationalisierung der kapitalistischen Produktion durchaus im Wege.
Vor allem aber: Ob in Afghanistan, im Iran oder andernorts - die Massenbasis der fundamentalistischen Islamisten schwindet. Das antiamerikanische oder antiimperialistische Wortgerassel findet immer weniger Glauben und es wird offenkundig, dass sie in Wahrheit die blutigen Geschäfte des Imperialismus betreiben. Die reaktionären Islamisten können den Unmut der Massen immer weniger unter Kontrolle halten - das zeigt sich in Afghanistan wie imIran oder in verschiedenen Nahost-Ländern. Bush's »Krieg gegen den Terrorismus« soll den sich anbahnenden Aufschwung des weltweiten Kampfs um nationale und soziale Befreiung und seine Verbindung zum Kampf der internationalen Arbeiterklasse unterdrücken - das ist der tiefere Hintergrund der von langer Hand vorbereiteten Strategie des »New War«.
Bush stellt sich hin und verkündet den
»Kampf des Guten gegen das Böse«, den
»Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei«. Ihre eigene Brut, die reaktionären Terroristen vom Schlage Bin Ladens werden vorgeführt, um jeden Widerstand gegen die internationalen Konzerne und den US-Imperialismus als »terroristisch« abzustempeln und mit allen Mitteln zu bekämpfen.
Immer mehr Menschen misstrauen Bush. Sie spüren die Massenfeindlichkeit und den betrügerischen Charakter seiner »Freiheits«tiraden. Darin liegt ihre Schwäche und darum gehören auch der aktive Widerstand gegen Bush's »New War« und die Solidarität mit den internationalen revolutionären Befreiungskämpfen direkt zusammen."
Quelle: Anna Bartholomé