Ich bin auf diese Seite gestoßen, weil ich auch gerade auf der Suche nach beruflichen Alternativen bin. (...) Ich bin seit 19 Jahren (einschl. Ref.) Grundschullehrerin. Eigentlich war ich auch tendenziell davon überzeugt, dass dies der richtige Beruf für mich ist. Leider hat sich diese Sichtweise mit den Jahren immer mehr als Illusion erwiesen (...).
Dein Beitrag spricht mir aus der Seele! Ich bin aus denselben Gründen hier gelandet wie du, bin ebenfalls Grundschullehrerin, seit 15 Jahren beim Verein "Papa Staat" und völlig ausgebrannt. Depressionen, Selbstzweifel, Schlafstörungen, Magen kaputt, Herz spinnt rum,... - ich kann gar nicht alles aufzählen.
Angefangen habe ich als Idealistin, bis heute habe ich eigentlich Freude an der Arbeit mit Kindern, aber...
Denn machen wir uns doch nichts vor, die Arbeit wird natürlich nicht weniger, wenn man die Ausbildung beendet hat. Und die Selbstverteidigung gegen nette, überkompetente Kollegen und Eltern hört auch niemals auf. Das kostet jeden Tag endlos Kraft. Dazu kommen m. E. völlig überzogene Bildungsaufträge, die aufgrund der stetig zunehmenden Erziehungsschwierigkeiten kaum zu bewältigen sind. Man fühlt sich wie ein Hamster im Laufrad, man läuft und läuft und kommt nie irgendwo an. Zwangsläufig resultiert daraus das Gefühl unzulänglich zu sein. Ich frage mich täglich, ob ich das noch 20 Jahre lang aushalte. Wahrscheinlich nicht. (...) In diesem Sinne wünsche ich allen Zweiflern den Mut die Reißleine zu ziehen, bevor man von der Institution Schule verheizt wird.
Du beschreibst das so treffend und klar! Genau das sind die Gründe, die den Lehrer kaputt machen. Es sind nicht die Kinder, sondern die Rahmenbedingungen.
Die Lehrer sind in diesem Schachspiel die am wenigsten Wertvollen, sozusagen die "Bauern" des Schachs. Egal wer Mist baute, ob Regierung, Schulamt oder Rektor - der Lehrer muss die Folgen tragen und irgendwie damit klar kommen. Schafft er es nicht, ist er auch noch "schuld" daran oder zumindest "unfähig". Er wird als inkompetent dargestellt, oft für Dinge, die gar nicht mehr machbar sind und so dreschen sie drauf, auf den Lehrer. Viele Eltern sind da schnell mit dabei. "Sie haben das doch studiert", hat mal eine Mutter zu mir gesagt. "Dann müssen Sie das doch aushalten!"
Lehrer werden nicht geachtet. Der eine mehr, der andere weniger, aber irgendwann trifft dieses Problem jeden von uns. Manche reden drüber, die meisten verschweigen es, weil sie sich dafür schämen. Die "Bauern" im Spiel scheinen leicht ersetzbar zu sein. Keiner heult, wenn einer fällt. Man ärgert sich höchstens, wenn er, der Nichtsnutz, dann auch noch (Früh-)Pension kostet.
Wie ein Soldat an der Bildungsfront, der gehorchen muss, Befehle von oben nicht zu hinterfragen hat, hinzu kommt noch die Schweigepflicht über sämtliche interne Angelegenheiten. Er darf nicht öffentlich zu seiner Situation sprechen, eine andere Meinung als die vorgegebene verkünden, was bedeutet: Ein Lehrer kann sich kaum wehren. Absolute Loyalität wird gefordert. Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Die scheinbar "überkompetenten Kollegen" von denen du sprichst, ja, die kenne ich auch. Aber ich glaube, es ist nur ihre Art sich zu retten. Nicht auffallen, Fehler vertuschen, immer lieb und brav sein. Perfekt für Papa Staat, genau diese Leute will er haben. "Club der Masochisten" habe ich Papas Kinder kürzlich getauft. Was für eine tolle Vorbildfunktion...
Eines möchte ich dringend noch anfügen: Kinder sind erziehbar, es gibt überwiegend verständnisvolle, kooperative Eltern und faire Kollegen. Es ist nicht alles schlecht. Es sind einzelne Personen, die alles zerstören, aber keiner wagt es, diese zu bremsen.
Dennoch werde ich meinen Dienst beenden, denn ich kann nicht mehr. Mein Körper und seine unzähligen Krankheiten schreien: Stopp! Er ist somit deutlich schlauer als ich und ich werde seinen Hinweisen folgen. Ja, ich habe Angst vor diesem Schritt. Aber so wie jetzt? Nein, das kann es nicht sein.
PS: Unter folgendem Link habe ich einen guten Artikel zum Thema gefunden. Ich finde zumindest Seite 1 sehr treffend:
Gastbeitrag: Für Lehrer wird zu wenig getan - Meinung - Tagesspiegel