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Angst beim Lesen!

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Also Betablocker, zb Propranolol musst du so ca 1ne stunde vorher einnehmen. Bei normalem Lampenfieber reichen so 60 mg. Allerdings handelt es sich hier ja nicht um normales lampenfieber sondern bei den meisten ja tatsächlich um so eine art Phobie. In dem Fall um ein erfolg zu garantieren kann man die menge locker auf 120 mg erhöhen ohne sich sorgen machen zu müssen.
 
Ach, herrlich es gibt noch andere Menschen denen es so wie mir geht. Ich kämpfe schon seit etwa 2 Jahren mit dieser Angst, soweit ich mich erinnere, aber richtig schlimm ist es erst seit wir letztes Schuljahr in Reli eine Lektüre gelesen haben, es jeder eine komplette Seite lesen musste. Dann dieses Jahr ist es richtig schlimm geworden. Seit dem ist Deutsch die Hölle, Reli auch (beim selben Lehrer, wir müssen soo oft vorlesen, ich sterbe jede Stunde tausend Tode und das ist noch untertrieben) Vor den Weihnachtsferien habe ich nur noch die Tage gezählt wie oft ich noch zum Deutschunterricht gehen muss bis zu den Ferien, habe nachts geweint, war einfach innerlich total kaputt und hab mich von Tag zu Tag gehangelt mit dem Ziel: Ferien, kein vorlesen. In der Zeit wurde ich auch häufiger gefragt ob alles okay wäre, auch von meinem deutschlehrer, dem ich dann erklärte (kurz vorm heulen, man war das peinlich), das ich beim vorlesen einfach total herzklopfen bekommen würde. Er meinte, dass ich das bis zur Oberstufe aber schon noch in den Griff kriegen muss. Danke für s Mutmachen, an dieser Stelle. Pädagogisch echt wertvoll.
Zwischendrin ging es dann gelengentlich mal relativ, hab mich bei kürzeren Sachen zum lesen gemeldet aber jetzt ist es so schlimm, dass ich schon vorm Deutschunterricht und reli auch, totale Panikanfälle bekomme, ich bin total zittrig, Beine wie wackelpudding. Das macht mich echt fertig. Vorallem weil wir in Deutsch einfach nur Gedichte lesen. Nur Gedichte. Ich weiß nicht wie das werden soll wenn wir wieder eine Lektüre oder sonst was machen. Ich bin solangsam echt am Ende und weiß echt nicht wie ich die 2 1/2 Schuljahre die noch bis zum Abi liegen schaffen soll, aber ich will unbedingt studieren und mir mein Leben nicht wegen so nem Mist verbaun.
 
Hallo!
Ich habe jetzt einige Zeit mit Propranolol (vom Hausarzt für dieses Problem bekommen) experimentiert und SUPER Erfahrungen gemacht!!! Ich kann ohne zu übertreiben sagen, dass sich mein Leben seitdem verändert hat und ich nun viele viele Sorgen los bin. Ich habe Propranolol erst mal in geringen Dosen probiert (10 - 20 mg) und dann langsam gesteigert um die Grenzen auszutesten. In Bezug auf die Redeangst – bzw die damit einhergehenden körperlichen Symptome wirkt Propranolol definitiv bereits deutlich ab 20 mg. Ich habe dann nach einiger Zeit auch 30 und dann auch 40 mg als Einzeldosis eingenommen. Um es etwas genauer zu sagen: Nimmt man Propranolol, dann lässt sich nach 40 Minuten definitv schon eine gute Wirkung feststellen, die Wirkung ist aber nach ca. einer Stunde noch deutlich besser und nach ca. 1 Stunde 15 Minuten perfekt. Die erforderliche Wirkung hält gerechnet von dem Zeitpunkt der Einnahme an ca. 4 Stunden. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass ich die Wirkung problemlos länger aufrechterhalten kann, wenn ich nach einer Dosis von ca. 30 bis 40 mg später nochmal ein oder zweimal eine kleinere Einzeldosis von ca. 10 oder 15 mg nehme. Auf diese Weise konnte ich auch einen längeren Tag "absichern". Eine Dosis von 30 bis 40 mg ist körperlich spürbar, aber ich konnte mich nach wie vor gut konzentrieren, war jetzt also nicht müde oder sonst irgendwie neben mir, was für mich auch wichtig war. Man merkt aber schon, dass man irgendwie gedämpft ist. Aber das empfinde ich als nicht weiter störend. Es ist ja kein Dauerzustand. Die Wirkung in der Vorlese-/Redesituation ist der Wahnsinn: Die Stimme ist absolut sicher, ich bin ruhig, keine Atemprobleme, kein Herzklopfen, keine sonstigen Beschwerden. Auch die Angst davor ist so gut wie weg weil man die Garantie hat dass alles klappt! Ich kann nur sagen, dass dieses Gefühl der absoluten Sicherheit und Souveränität für mich ein riesiges Erfolgserlebnis ist. Vortragen/Lesen wird auf einmal wieder zu einer Alltagssituation und man denkt sich danach: Geht doch! Wo ist das Problem?! Es ist ein immenses Glücksgefühl nach so einem Erfolgserlebnis!!! Übrigens: Ich habe meine Redeangst zwar noch nicht überwunden aber geschwächt und ich merke, dass der Kopf angefangen hat umzudenken und gewisse Situationen machen mir jetzt viel weniger Stress als zuvor bzw. gar keinen mehr. Man muss sich der Situation stellen und sie erfolgreich bewältigen um die Angst abzubauen, und genau dabei helfen die Betablocker. Propranolol hat mir innerhalb eines halben Jahres (Einnahme nur gelegentlich vor belastenden Situationen) geholfen, Angst abzubauen und - was das Thema Vorlesen/Vortrag betrifft – der Normalität ein großes Stück näher zu kommen. Allein zu wissen, dass man ein Mittel hat, das garantiert hilft, ist eine wahnsinnige psychische Erleichterung, die mir seitdem bis jetzt viele Sorgen erspart hat und mir wieder viel Lebensfreude zurückgegeben hat. Abschließend möchte ich sagen, dass man die richtige Dosis für sich selbst erst herausfinden muss (Rücksprache mit Arzt) und dass Propranolol für dieses Problem DIE Lösung ist. Ich habe selber jahrelang unter dieser Angst gelitten und mich immer gegen eine medikamentöse Behandlung gesträubt. Rückblickend muss ich sagen, dass dies ein sehr großer Fehler war, ich hätte sofort etwas tun müssen. Das hätte mir viel Leid erspart. In diesem Zusammenhang ist mir noch wichtig zu erwähnen, dass es sehr interessante Artikel zu Propranolol und Angstbewältigung gibt, die genau das bestätigen, was der "kleine Mann" hier schon beschrieben hat: Wenn man oft genug (mit der Hilfe von Propranolol) ein Erfolgserlebnis hat, lernt der Kopf um und man wird diese Angst wieder los!!! In diesem Sinne wünsche ich allen Betroffenen viel Erfolg!
Zusätzlich möchte ich noch sagen, dass die Einnahme von 120 mg als Einzeldosis, wie oben von einem anderen Gast als unbedenklich hingestellt, meiner Meinung nach gefährlich ist. 40 mg reduzieren den Puls schon deutlich! Aber wie gesagt, sprecht über die richtige Dosierung mit eurem Arzt und kontrolliert die Puls- und Blutdruckwerte auch selbst mit einem Mesgerät. Und nochwas: Entgegen immer wieder zu lesender Hinweise, müssen Betablocker nicht erst eine zeitlang genommen werden, bis eine Wirkung eintritt, sie wirken bereits ab der ersten Einnahme. Was die gelegentliche Einnahme betrifft, so habe ich damit keine Probleme. Nebenwirkungen (leichte Schlafstörung, aber nur manchmal, manchmal leichte Müdigkeit am Tag nach der Einnahme) sind gering und für die extreme Zunahme an Lebensqualität nehme ich die gerne in Kauf.
Dieser Eintrag ist ein persönlicher Erfahrungsbericht, insbesondere die angegebenen Dosen können für andere Personen zu viel oder zu wenig sein!
 
hallo kleiner mann,


habe deine beiträge zu „angst beim lesen“ gelesen, und wollte fragen wie nun deine erfahrung mit propranolol weiterging. Ob du noch irgendwelche nebenwirkungen beobachtet hast, hast du dieses problem nicht mehr?
Es ist zwar schon sehr lange her, aber ich hoffe du ließt noch meine nachricht.


LG
knop
 
Hallo zusammen,

die Beiträge sind zwar etwas älter aber ich möchte auch trotzdem meine Erfahrungen hier berichten.
mich würde interessieren, wie es bei euch weitergegangen ist?
Ich habe dasselbe Problem wie ihr und ich dachte immer ich sei nicht mehr normal im Kopf. Angefangen hat es bei mir extrem in der 8. Klasse, Herzklopfen, zittrige Stimme, zittrige Lippen, Atemnot... Ich hbae davor immer sehr gerne und gut vorgelesen, hatte mich immer freiwillig gemeldet...
Es ist wirklich schrecklich wenn man davon betroffen ist. Jeden Tag die Angst vor der Schule und die Ungewissheit, was einen heute erwartet. Ich habe mich immer davor gedrückt, habe oft gesagt, dass es mir nicht gut sei, wenn ich aufgerufen wurde, habe absichtlich Stunden geschwänzt.
Meine Mutter hatte das nicht verstanden und meine beste Freundin auch nicht.Man muss wirklich selber betroffen sein.
Eine Lehrerin hat mich dann mal zur Seite genommen und mich darauf angesprochen, was denn immer mit mir beim Lesen los sei und ich müsste unbedingt was dagegen machen. Dieses Gespräch hat mich wahnsinnig beruhigt und sie hat mich absichtlich immer aufgerufen etwas vorzulesen, aber nur 3-4 Sätze.
Später auf dem Gymnasium ist es aber nicht besser geworden. Neue Leute, neue Lehrer. Ich hatte (habe) immer panische Angst im Mittelpunkt zu stehen, jetzt hört jeder zu, ja keinen Fehler machen, meine Stimme ist nicht gut genug...
Es gab Phasen da ging es besser und Phasen, an denen es überhaupt nicht ging. Ich kann aber nicht erklären woran das liegt. Was denkt ihr warum wir diese Angst haben? Liegt es an unserer Erziehung? Habt ihr euch in eurer Kindheit vernachlässigt gefühlt? Meine Geschwister haben dieses Problem nicht.
Jedenfalls bestimmt es das ganze Leben wenn man diese Angst zulässt und sie wird immer schlimmer weil man sich immer mehr reinsteigert und sich Sachen ausdenkt. Man traut sich letztendlich gar nichts mehr zu tun.
Ich bin jetzt 29 und diese Angst bestimmt mein Leben jeden Tag. Beruflich würde ich mich gerne weiterbilden aber ich habe Angst mich vorzustellen, selbst Besprechungen sind der Horror, da diese Symptome auch in solchen Situationen eintreten.
Ich denke ich habe einfach ein wahnsinniges Problem im Mittelpunkt zu stehen und ich habe nicht genug Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen um darüber stehen zu können.
Ich habe auch versucht dagegen anzukämpfen, war beim Psychologen, habe mir beim Homöopath Kügelchen verschreiben lassen aber es brachte alles nichts. Ich weiss selber, dass es an mir liegt, dass es meine Einstellung selber ist, die mich hindert. Es ist doch alles nur eine dumme Einbildung... Aber wie bekommt man das wieder in den Griff?? :-(
Ohne diese Sorgen würde man viel leichter durchs Leben gehen, viel unbeschwerter und die schlaflosen nächte wären auch weniger.
Passt auf, dass es nicht euer Leben bestimmt so wie bei mir und euch in vielen Situationen hindert.
Liebe Grüße
Anna
 
Hey Leute!

Ich will einfach mal kurz und knapp zusammenfassen was mit uns los ist:

Auch wenn sich das jetzt erstmal verwirrend für einige anhören wird: Wir leiden unter sozialer Phobie. SOziale Phobie? Hä? Ich hab doch keine Angst vor anderen Menschen!! Denken jetzt vielleicht einige. Hab ich auch nicht. Niemand meiner Bekannten würde in Betracht ziehen dass ich soziale Ängste habe. Aber googelt mal soziale Phobie und lest euch ein bischen ein. Symptomangst nennt sich unser Problem.

Denken wir an eine Situation, in der wir von anderen negativ Bewertet werden könnten (quasi Gefahrensituation) läuft bei uns ein gewisser Stoffwechselprozess im Hirn nicht "korrekt" ab. Googelt danach und ihr werdet fündig, und ich bin mir sicher es wird bei den meisten hier einiges erklären.

Ach und denkt mal über Folgendes nach: Wenn ihr mit dem Glücklichsein wartet, bis ihr perfekt seid, werdet ihr ein tristes Leben führen. Also lacht schon heute über alles Lustige und genießt die schönen Seiten des Lebens.

PS: Ich glaube dass einem viele Probleme helfen können, sich zu entwickeln und zu wachsen. Dies ist definitiv eines dieser Probleme 😉
 
Hallo zusammen.

Ich bin sehr froh dieses Forum (und vor allem diesen Thread) gefunden zu haben.
Es ist beruhigend zu sehen, dass man mit dem Problem nicht alleine ist.

Da ich sonst niemand kenne der das Problem hat komme ich mir richtig einsam, unverstanden und in die Enge getrieben vor.

Meine Geschichte sieht wie folgt aus:

Ich bin in der Schule (angefangen in der Grundschule) ein total beliebter Junge gewesen.
Ich war schon immer der Klassenclown, absolut schlagfertig und alles andere als auf den Mund gefallen.
Es gab auch immer ein paar Mädels die für mich schwärmten. Also ein absolut perfektes Dasein.

In der 4. Klasse hatten wir einen Lesewettbewerb gegen andere Klassen. Ich war der beste Leser und wurde ausgewählt.
Für mich war das völlig in Ordnung (heute UNVORSTELLBAR!!! War ICH das damals wirklich???).
An dem Tag waren alle Augen auf mich gerichtet. Ich war natürlich etwas nervös, aber eher auf die Art: "Ohje" 🙂
Es war für mich kein großes Ding.

Auch auf dem Gymnasium war am Anfang alles prima. Ich sehne mich in die Zeiten zurück, in denen ich EINFACH SO gelesen habe.
Ich habe einfach gelesen, als ob es das normalste auf der Welt wäre (*grins*).
Zu diesem Zeitpunkt hätte ich mir nie vorstellen können, dass es irgendwann anders kommen könnte.

Aber es kam anders...

Irgendwann (7. oder 8. Klasse) war in Erdkunde reih-um-lesen.
Plötzlich fühlte ich mich komisch, als das Lesen immer näher kam.
Ich war total nervös und als ich dann dran war hatte ich Herzrasen und ich las wie ein IDIOT.
Ich musste tatsächlich nach ein paar Sätzen abbrechen und tat so als ob ich was im Hals hätte.
Ein Mitschüler gab mir ein Hustenbonbon der Lehrer schaute dumm und der nächste hatte mich abgelöst.
Mir war das total peinlich, aber es hat wohl niemand gemerkt und anscheinend hat wirklich jeder gedacht, dass ich irgendwas im Hals hatte.

Seit dem Tag war die Schule (bzw. eher der Unterricht) für mich die ABSOLUTE HÖLLE.

Mein unbeschwertes Leben hat sich mit einem Mal völlig verändert und ich wurde nur noch von meiner Angst/Panik bestimmt.

Meine Lieblingsfächer waren plötzlich diejenigen in den man so gut wie nie vorlesen musste: Sport, Mathe, Chemie, Physik.
Meine absoluten Panikfächer waren natürlich: Deutsch, Geschichte, Gemeinschaftskunde, etc.
Mein Wohlbefinden war davon abhängig, welche Fächer wir am nächsten Tag hatten.
Meine Gedanken waren häufig den ganzen Tag damit beschäftigt den nächsten Schultag "durchzugehen".
Was haben wir für Fächer? Wo muss man vorlesen? Soll ich das schwänzen?
Es war sogar schon so weit, dass ich mir angeschaut habe welcher Text als nächstes dran war und ich habe die Abschnitte durchgezählt ob es "reicht"...
Das schlimmste Fach in der Oberstufe war Deutsch. Wir haben zu 90% gelesen (REIHUM!).
Reihumlesen war so ziemlich das schlimmste was mir passieren konnte. Das Warten und Abzählen von Schülern und Abschnitten...
Mich hat meine Angst so weit getrieben, dass ich Deutsch tatsächlich IMMER geschwänzt habe. In diesem Fach gab es kein Entkommen vor dem Lesen.
Mein Glück war es, dass der Deutschlehrer sehr schlampig war und keine Fehlstunden aufgeschrieben hat.
Sonst hätte ich heute kein Abitur. JA! Die Angst hätte mir meinen Abschluss versaut. :-(

Referate waren zum Glück kein Thema und ich habe mich in der Schulzeit tatsächlich um ALLE Referate drücken können.

Aber an eine Lesesituation erinnere ich mich noch genau:
Ich war doch ein mal in Deutsch und wir haben... reihumgelesen! Ich hatte absolute Panik.
Bis zur Pause waren es nur noch ein paar Minuten. Es waren noch zwei vor mir.
Ich habe geschwitzt, gezittert und gehofft aber ich kam dran!
Ich habe genau ein Satzt stottern können. Dann war meine Stimme weg.
Mein Hals war wie zugeschnürt. Ich wollte und wollte weiterlesen, aber es ging nicht.
Ich bekam nichts raus, musste im Sekundentakt schlucken und mich räuspern. Konnte nur einzelne Wortfetzen lesen.
Es war ohne Zweifel der schlimmste Moment in meinem Leben... Der Gong hat mich gerettet, ich weiß nicht was passiert wäre (und will es auch nicht wissen).
Seit dem war Deutsch für mich gelaufen!

Ich wusste nicht was mit mir los war. Ich hatte in den Momenten keine Kontrolle über mich.
Es war grauenhaft. Zum Glück wurde es von niemandem richtig angesprochen.
Ich konnte es niemandem sagen, auch bei den Lehrern hätte ich mich geschämt, da ich wie gesagt sehr vorlaut war.
Ich dachte die denken: "Na das geschieht dem recht!"

Ich habe sogar lieber gesagt, dass ich die Hausaufgabe vergessen habe (obwohl das nicht stimmte) nur damit ich nicht vorlesen musste.
Ich habe auch manchmal zu den Lehrern gesagt: "Nö keine Lust zu lesen" und mir einen Eintrag ("Arbeitsverweigerung") eingefangen, nur damit ich nicht lesen musste.
Ich habe so viel getan um dem Lesen aus dem Weg zu gehen.

Schlimm war für mich auch, dass ich total beliebt, witzig und auch recht cool war in den Pausen, bei meinem Freunden... überall. Nur nicht im Unterricht.

Ich konnte es mir nie erklären aber ich konnte es auch nicht ändern.

Das Jahr nach dem Abitur (Zivildienst) war das schönste meines Lebens. Warum? Ich musste nicht lesen und nichts vortragen.
Es war wie eine seelische Regeneration.

Dann wollte ich studieren und hab mich eingeschrieben.
Das Studium war okay: Frontalbeschallung.
Einmal habe ich ein Seminar abgesagt, als ich Erfahren habe, dass am Ende ein Vortrag ist.
Ein Gruppenvortrag habe ich geschwänzt, und mein Kommilitone musst ihn alleine halten. (Der Arme! Oder auch nicht?)
Mir war es seit meiner Angst unbegreiflich warum es den anderen nicht auch so ging.
Wie musste das sein, unbeschwert zu präsentieren und lesen. Sich sogar freiwillig(!!!) zu melden???
Ich hatte irgendwie immer das Gefühl: Ich bin normal, und alle anderen sind Übermenschen mit besonderen Fähigkeiten.
Ich habe jeden einzelnen beneidet der sich einfach melden und sich präsentieren konnte.
Ich hätte mich auch gern gemeldet, ich hatte auch viel beizutragen, ich hätte auch gern mein Wissen geteilt...
Aber ich war immer der einzige der es nicht konnte.

Manchmal habe ich Gelegenheiten genutzt in denen die Antwort nur ein Satz lang war.
Aber auch hier habe ich vorher genau überlegt was ich sagen werden.
Ich habe mir den Satz im Kopf zurechtgelegt, und mir einen Ruck gegeben und mich gemeldet.
Für mich war es wichtig zu wissen, dass es nach diesem Satz vorbei ist. Dann kann die Stimme versagen! Ich bin ja fertig.
Einen Satz hab ich in der Regel immer geschafft.

Das Studium war auch in gefahr. Beinahe hätte ich mein Diplom sausen lassen, weil ich meine Diplomarbeit vortragen musste.
Wie ich das dann geschafft habe weiß ich heute nicht mehr wirklich.

Ich war sehr traurig, dass ich mich nicht entfalten konnte, mich nicht mitteilen konnte und nichts beitragen konnte.
Ich hätte so gern ganz unbeschwert mit den anderen aktiv teilgenommen, aber ich war froh dass ich im Grund im Studium völlig unsichtbar war.

Ich habe andauernd analysiert: Wo muss man lesen, wo muss man etwas sagen? Wie kann ich das umgehen. Was passiert wenn?, usw...

Nach dem das Studium rum war ging das Arbeitsleben los.

Ich habe einen sehr guten Arbeitsplatz bei einer sehr großen und angesehenen Firma.
Nur leider habe ich mein Problem immer noch.
Früher dachte ich immer: Ach das geht schon weg, wenn man älter wird... Wer hat den mit 30 Jahren noch Angst vor anderen zu reden??
Wer?? ICH!

Es ging nicht weg, und wurde meiner Meinung nach sogar noch etwas schlimmer.
Beispielsweise war ich total aufgeregt, wenn ich Telefonieren musste.
Das schlimmste war für mich, wenn ich wusste, dass ich der Gegenseite etwas längeres erklären/erläutern musste.
Ohne Unterbrechung, ohne Gegenfrage. Einfach nur ich, und der anderen hört zu. --> Totale panik und nervosität.

In meinem Job bin ich als Anfänger in einem Team mit lauter alten Hasen.
Alles Profis...
Wir haben ein mal die Woche Team-Meeting. DER ABSOLUTE HORROR FÜR MICH!
Im Team-Meeting gibt es eine reihum-Runde wo jeder aus dem Team sagt, was er gerade macht.
Pro Person sage und schreibe nur EINE MINUTE. --> Für mich der absolute Wahnsinn. Unschaffbar.
Eine Minute am Stück reden? Alle anderen hören nur zu, schauen einen an?

Ich habe mich oft gedrückt. Gerade war es wieder so weit.
Das gleiche Gefühl wie in der Schule: Gleich bist du dran. Oh Gott, was sagst du, wie fängst du an? Machst du einen Witz der alles auflockert?
Als ich dran war hab ich gestammelt. Mein Kopf war leer und ich habe mitten im Satz nicht mehr weiter sprechen können.
Ich wusste was ich sagen wollte. Die Worte waren im Kopf aber ich bekam sie nicht raus.
Mit mühe und not stammelte ich irgend etwas hin.
Mein Glück ist, dass die Meetings auf Englisch sind. Ich kann nicht so gut englisch und hab so getan als ob ich nach den richtigen Worten suche.
Dabei waren die Worte da, es ging nur nicht.

Manchmal passiert es mir auch wenn ich locker mit 1-2 Kollegen reden. Es ist immer in den Momenten wo ich merke:
Es ist keine Unterhaltung mehr, es ist plötzlich ein "Ich erzähle und ihr hört zu".
Ist ist das Gefühl: Du wirst jetzt erst mal nicht unterbrochen, alle hören dir zu, du kannst nicht einfach aufhören wenn die Stimme wegbleibt.
Manchmal war es kurz davor, dann hab ich so getan, als ob ich nachdenken musste ("wie war das noch mal"). Dabei habe ich nur gewartet bis die blockade weg war...
Echt schlimm.

Eigentlich könnte ich glücklich sein. Ich bin verheiratet, habe einen lieben kleinen Sohn und keine Geldsorgen.
Doch meine Angst macht mir den Arbeitsalltag zur Hölle.

Mir würde wirklich niemand glauben wenn ich es jemandem erzählen würde. Es weiß nicht mal meine Frau.
Wir kennen uns schon sehr lange und sie kennt nur die "gute" Seite. Sie wurde mir das nie glauben...
Sie weiß nicht, dass ich in manchen Situationen ein total anderer Mensch bin.
Im kleinen Kreis, bei Freunden und Kollegen bin ich der schlagfertige, freche, schlaue...
Bei offiziellen Dingen wie Meeting, Präsentation, Rede halten, telefonieren bin ich am liebsten unsichtbar.

Als ich mal krank war und beim Arzt war habe ich die Gelegenheit genutzt und ihm mein Problem erläutert.
Ich habe fast geheult und war am Boden zerstört.
Seine Antwort in etwa: "Ach das kenn ich, eine Gute vorbereitung ist alles.
Ich muss auch oft Vorträge halten und wenn ich gut vorbereitet bin dann klappt das"
Das waren seine Worte dazu... Für mich natürlich total niederschmetternd. Er hat mich nicht verstanden...

Ich bin so neidisch auf meine Kollegen, ja eigentlich auf jeden den ich kenne.
Für mich ist es unvorstellbar, dass viele in meinem Team sagen: "Ich mache heute ein Meeting/Vortrag (freiwillig!!!) ich möchte euch was interessantes vorstellen!"
ALLES geld der welt würd ich dafür geben wenn ich das einfach und unbedarft könnte.
Wenn die Frage aufkommt: "Wer will das nachher präsentieren?" Dann mache ich mich ganz kleine und hoffe das ich einfach übersehen werde.
Die anderen setzten sich da hin und reden drauf los und haben sogar SPASS(!!!) da dran.

Ich hätte eine schöne Karriere vor mir. Fachlich bin ich absolut fit. Nur wer sich nicht mitteilen kann und sein wissen teilen kann, der wird nicht weiterkommen.

Es bestimmt mein Leben? Wann habe ich meine Elternzeit genommen? In der Zeit in der Projektvorträge am wahrscheinlichsten sind, da die Projekt dann auslaufen.
Wenn nehme ich meine Urlaube? (Sicher nicht nach lust und laune) Nach welchen Kriterien wähle ich meine Projekte aus? (Sicher nicht nach Interesse...)
Wann bin ich am wahrscheinlichsten krank? (Sicher nicht nur wenn ich wirklich krank bin)

Es ist so traurig. Wenn es einen Schalter gäbe den ich umlegen könnte... Mein Leben wäre von heute auf morgen 1000x so lebenswert. Ich wäre wohl der glücklichste Mensch.

Der Höhepunkt ist nun, dass ich bald einen Vortrag vor vielen Menschen halten muss.
Es ist noch Wochen hin, doch ich kann kaum schlafen oder an etwas anderes denken.

Ich googel nur noch im Internet. Nach Betablockern, nach Methoden.
Wie komme ich an Propranolol? Übers ausland? Weiß ich was ich da schlucke? An welche Adresse schicke ich es? Sicher nicht nach Hause? Kommt es rechtzeitig?


Ich habe Apotheken abgeklappert ob ich es ohne Rezept bekomme.
Ich war gut vorbereitet. Hatte eine Story, hatte antworten auf die Fangfragen: "Wie sehen die Tabletten denn aus? Wieviel nehmen sie da denn, wie oft? etc..."
(Ist das nicht krank wieviel Zeit für so eine Angst verschwendet wird?)
Nach 10 Apotheken kein Erfolg.

Jetzt habe ich es aber tatsächlich geschafft und Propranolol daheim. Für mich ist schon der Besitz eine so große Erleichterung.
Ich kann tatsächlich wieder ruhig schlafen, nur weil das Zeug bei mir in der Schublade liegt.

Ich hoffe so sehr, dass es die Wirkung hat, wie es "kleiner mann" erläutert hat.
Ich setze meine ganze Hoffnung darauf. Falls es nicht wirken sollte werde ich mich vor hunderten Leuten blamieren und dannach kann ich mich in der Firma glaub ich nicht mehr blicken lassen.
Es ist zu spät für Psychologen etc. Dafür reicht die Zeit nicht mehr.

Falls mir Propranolol hilft wäre es für mich eine akzeptable lösung.
Ich müsste es nicht regelmäßig nehmen, weil ich i.d.R. immer weiß was mich am nächsten Tag erwartet. Im Schnitt musste ich es alle 10 Tage einsetzen. Vielleicht sogar weniger.
Eben bei Meetings, oder mal bei einer Präsentation.

Wenn es mir hilft wäre ich der glücklichste Mensch und hätte vielleicht wieder richtig Spaß arbeiten zu gehen. (Nicht nur an Tagen an denen nichts los ist).
Ich hoffe es so sehr...

Irgendwann muss doch mal Schluss sein mit dem gequäle?
 
Hallo Xel,

das hört sich nach sehr viel Druck an. Warum gehst du nicht zu einem Arzt, um ein beruhigendes Medikament zu bekommen? Rezeptfrei ist z.B. Vivinox stark. Aber das ist eher zum Einschlafen und kann auch abhängig machen. Ich würde dann vielleicht aber lieber zu einem Arzt gehen, der auch Psychotherapeut ist.

Weil man so etwas:

Als ich mal krank war und beim Arzt war habe ich die Gelegenheit genutzt und ihm mein Problem erläutert.
Ich habe fast geheult und war am Boden zerstört.
Seine Antwort in etwa: "Ach das kenn ich, eine Gute vorbereitung ist alles.

eher oft von Ärzten hört, die gar keine Ausbildung in diese Richtung haben.

Ich weiß natürlich nicht, was es bei dir sein könnte, aber ich schreibe dir mal meine Gedanken dazu auf 🙂

Du hast so viel versucht und nichts hat gehofen, das Problem zu lösen. Es ist plötzlich gekommen und verschwindet einfach nicht wieder.

Von mir kenne ich das so, wenn ich ein Problem 'übertragen' habe. Ich konnte mich z.B. als Erwachsene nicht mehr an bestimmte Dinge aus meiner Kindheit erinnern. Dann bekam ich erste Erinnerungen, ganz vage und oft war ich mir doch wieder ganz unsicher. Meistens war ich eigentlich sehr unsicher. Genau in dieser Zeit habe ich meiner Wahrnehmung gar nicht mehr getraut. Wenn ich aus dem Haus wollte bin ich wie viele Male zurückgelaufen und habe nachgesehen, ob ich z.B. den Herd ausgemacht habe. Jedes mal, wenn ich vor dem Herd gestanden habe, habe ich gedacht, dass ich mir jetzt einpräge, dass alle Herdplatten aus sind. Bis ich an der Wohnungstür war,war ich mir wieder unsicher und bin wieder zurück, um noch einmal nach zu sehen.

Vorher hatte ich das nie. Aber damals schon. Heute weiß ich, dass meine Seele sozusagen bei mir 'angeklopft' hat, um mir zu sagen, dass da noch etwas ist. Dass ich etwas 'übersehen' habe.

Das mit dem Herd ist auch nur ein Beispiel von Vielen. Bei mir war das immer etwas, wo es um meine Wahrnehmung gegangen ist und ob ich mir trauen kann.

Hast du dir mal überlegt, ob es in dieser Zeit, als das so plötzlich anfing mit deinen Ängsten vor Vorlesen, etwas ganz Anderes noch war?

Ich denke mir mal ein Beispiel aus. Du warst in der Schule, hast super vorgelesen, warst stolz auf dich. Dann kommen drei Mitschüler und schlagen dich zusammen. Und sagen dir z.B. wenn du noch mal so gut vorliest und weiter so schleimst, bekommst du noch mehr Prügel.

Oder ein naher Angehöriger ist in dieser Zeit gestorben... .

Es kann ganz Vieles sein. Du bist heimgekommen, deine Eltern haben sich gerade getrennt... .

Ich war total nervös und als ich dann dran war hatte ich Herzrasen und ich las wie ein IDIOT.

Wieso redest du selbst so hart von dir? In der 7. oder 8. Klasse kann man doch mal einen schlechten Tag haben.

Ich habe so viel getan um dem Lesen aus dem Weg zu gehen.

Was würdest du tun, wenn du wieder problemlos vorlesen könntest?

Warum glaubst du, das darfst du deiner Frau nicht erzählen? Warum denkst du, das darf niemand wissen? Woher kommt diese Einstellung.

Auch wenn es jetzt für diese eine Situation zu spät ist für eine Therapie, würde ich dir doch eine Psychotherapie empfehlen, die dir auf Dauer hilft. Du kannst ohne Alles jeweils 5 Mal zu 5 verschiedenen Therapeuten, das übernimmt die Kasse auf jeden Fall, damit du rausfinden kannst, mit wem du dir eine gemeinsame Arbeit vorstellen kannst.

Gehe aber lieber eher dafür zu einem Psychologen/Psychotherapeuten, der/die kein Arzt ist. Ärzte müssen nur 3 Monate zusätzlicih zu ihrem Medizinstudium studieren, um sich Therapeut nennen zu dürfen.

Ich würde für die Not jetzt erst mal die Tabletten nehmen, die du hast.

Aber mich auch sofort um einen Therapieplatz kümmern. Da sind die Wartezeiten eh sehr lange.

Und dann würde ich mal Sherlock Holmes spielen. Mich würde zu sehr interessieren, woher das Problem denn eigentlich kommt. Und ob ich Detektiv genug bin, um das zusammen mit einem Therapeuten rauszufinden 😉

Lieben Gruß
Fragende
 
Hi Fragende,

danke für deine Antwort.

Ich habe mir auch schon oft überlegt wo das herkommen könnte. Aber mir fällt einfach nichts ein.
Vielleicht lag es wirklich daran, dass ich immer der coole, der witzige und das Vorbild war und ich irgendwann gedacht habe:
"Du musst jetzt cool sein, du musst locker sein! Mach bloß keinen Fehler." Vielleicht habe ich auch gedacht: "Die warten sicher, dass auch du perfekter Mensch mal einen Fehler machst." Keine Ahnung...
In der Familie war und ist alles in Ordnung gewesen. Ich hatte viele Freunde und sowas wie mobbing oder prügel drohen hat es nicht gegeben. Ich war absolut beliebt.

Zumindest zu diesem Zeitpunkt hätte ich ja vielleicht wissen müssen:
"naja, ich bin grad down weil meine Oma gestorben ist oder weil meine Eltern sich getrennt haben"
Aber da war nichts. Für mich war es absolut unbegreiflich was in dieser Stunde in mir vorgegangen ist. Es hat sich einfach absolut "richtig" angefühlt plötzlich Panik zu haben.

Außerdem wüsste ich auch nicht, wenn jetzt tatsächlich raus kommt: Das liegt an dem Vorfall XYZ. Und dann? Wird mir das irgendwie helfen? Ich kann es mir nicht vorstellen. Es ist ja eigentlich fast schon wieder lustig: Ich bin ein absolut logisch und rational denkender Mensch. Für mich gibt es keinen Gott und keine Zauberei. Für mich gibt es Zahlen und Fakten und Schlüsse. Das passt doch auch so wenig zu dem Problem. Rational wäre doch: "Was soll passieren? Stirbst du beim Präsentieren? Nein! Ist das nicht die Hauptsache? Ja!, Na also dann ist es doch logisch einfach loszulegen." Tja, wenn das mal so einfach und rational zu erklären wäre...

Meine Frau erzähl ich übrigens alles. Nur das eben nicht. Das Problem ist einfach, dass sie es total toll findet wie offen ich bin und wie ich mich um alles kümmer und alles regel. Ich würde mich so schämen ihr so etwas zu sagen. Nicht weil sie es nicht verstehen würde, dass würde sie auf jeden fall, aber ich glaube ich für mich würde noch viel mehr Selbstbewusstsein verlieren. Ich wüsste dann, dass sie immer denken würde "Ohje soll ich ihm nicht das Telefonat abnehmen" oder "Mal schauen wie er das jetzt hinbekommt..." Auch wenn sie es natürlich nicht böse meint.
Dazu kommt noch, dass wir uns schon ewig kennen. und früher also Teen wollte man natürlich cool/normal sein. Sowas hätte ich niemals sagen können damals.
Im Grunde bin ich also in eine Rolle geschlüpft, die ich jetzt schon so lange spiele, dass es sie vielleicht sogar sehr verletzen würde, wenn ich erst jetzt damit rausrücke.

Es ist auch schade, dass es manche Ängste gibt die einfach nicht gesellschaftsfähig sind. Damit meine ich, dass ohne Probleme jemand sagen kann: "Ich hab eine Spinnenphobie!". Die Reaktion ist: "Ohje" oder "Ach naja" oder "Angsthase *smile*"

Wenn aber jemand kommt und sagt ich habe eine "Lese/Rede"-Phobie dann sind die Reaktionen von unangenehmem Schweigen bis hin zu völligem Unverständnis.
Wer es nicht hat, der kann es nicht nachvollziehen. Ich kann es z.B. auch nicht nachvollziehen wie jemand kein Spaß hat an die frische Luft zu gehen aus Angst.

Auch meine Kollegen. Die können alle vor Hunderten von Leuten stehen. Die wüssten gar nicht wirklich worauf ich eigentlich hinaus will und was mein Problem ist.

Psychotherapeut... setzt natürlich voraus, dass ich das auch erst mal daheim anspreche. Ich kann ja nicht heimlich in eine Behandlung gehen.
Für mich ist es eine absolute Überwindung das jemals anzusprechen aus den oben genannten Gründen.

Ich glaube eben auch, dass ich mich damit total angreifbar machen. (Natürlich jetzt nicht bei meiner Frau). Ich glaube ich würde mich danach einfach noch mehr zurückhalten und mich kaum noch an Diskussionen und vor allem z.B. an konstruktiver Kritik beteiligen. (allá: "Jaja, lern du erst mal lesen und reden, dann sehen wir weiter!") Außerdem fände ich es sehr schlimm bemitleidet zu werden und beschämte/unverstandene Blicke von Personen zu sehen die versuchen so unbeteiligt wie möglich zu wirken aber in Wirklichkeit denken: "Was hat der denn bloß?". Und so Sprüche wie: "Wir beißen nicht" zeugen auch von völligem Missverständnis.

Vielleicht spielt auch mein absoluter Perfektionismus eine Rolle. Ich will alles exakt und richtig machen. Ich will alles können und überall immer ein wenig besser sein als andere.

Das komische ist, dass ich mir oft vorstelle wie ich Vorträge halte oder auf der Bühne stehe und einfach so rede und erzähle wie ich es vor einer Person tun würde. Es ist nicht so dass ich es nicht gern machen würde und denke: "Ne, muss nicht sein".
Ich denke eher:"Wenn ich wüsste dass es nicht schief geht würde ich es auf jeden Fall machen" und es würde mir Spaß machen.
Ich bin privat ein totaler Entertainer. Man hört mir sehr gern zu wenn ich etwas erzähle, da ich einfach sehr lustig und erfrischend erzählen kann.
Ich verstehe nicht, warum das nicht vor mehreren Personen klappt.

Ich habe gemerkt, dass die stärke meiner Angst im großen und ganzen durch zwei Faktoren bestimmt wird:
1. Die Anzahl der Personen.
2. Die Wichtigkeit und die Atmosphäre (z.B. "Alle leise sein, jetzt erzählt er uns was") und ob ich die ungeteilte Aufmerksamkeit habe oder einfach nur nebenher rede und einer kaut sein frühstück und der andere tippt nebenher auf seinem Handy.

Am schlimmsten ist es dann wie gesagt im Meeting:
Viele Personen, alle Augen auf mich gerichtet, alle ganz leise, ganz gespannt was ich sagen werde (oder auch nicht... 🙂 ). Und mein "Rettungsanker" fehlt mir völlig: Der "Es sind ja nur zwei Sätze, die schaffst du"-Anker

Wenn ich weiß, dass ich jederzeit aus der Situation rauskomme (ich kann meine Geschichte/Anekdote etc. beenden wann ich will und kürzen wie ich will, falls ich mich unwohl fühle) dann kann ich erzählen wie ein Buch.
Wenn ich aber weiß: So, du MUSST jetzt eine Minute reden. Dann bekomme ich Panik.

Naja ich hoffe jetzt ein wenig auf die Erfahrungen von kleiner Mann. Für mich wäre es völlig in Ordnung wenn ich das mit dem Medis in den Griff bekomme und sich mit der Zeit ein Schalter umlegt, so dass sich ein positives Gefühl in den Situtationen festsetzt. Und wenn das erst mal etabliert ist, wird man sicher mit immer weniger Medis bis hin zu garkeinen mehr auskommen. Das wäre eigentlich mein perfekter Weg.

Ich habe es irgendwie im Gefühl, dass es bei mir nichts bringt in der Vergangenheit zu wühlen. Ich glaube mein Weg sollte sein, die Angst-Situation zu suchen und ein positiven Gefühl aufzubauen. Es heißt ja auch immer such die Situation! Nur geht es bei mir ohne den Medis nicht, da es bis jetzt noch nie ein positives Gefühl gab wenn ich mich der Situation gestellt habe. Ich habe mich immer blamiert und mich in Grund und boden schämen können. Das hat wohl eher die Angst noch verstärkt. Daraus hab ich gelernt, dass es nicht immer gut ist, zu versuchen sich seiner Angst zu stellen.
Ganz anders könnte das wirklich sein, wenn mir die Propranolol helfen und ich die Situation "bestehe" und mit einem guten Gefühl rausgehe. Ich denke dann wird irgendwann aus Angst Nervosität ("klappt das heut auch wieder") und aus Nervosität Normalität ("hey das klappt ja echt") und später vielleicht sogar Spaß ("ich mach das jetzt mal freiwillig, es geht ja echt nichts schief wie ich gemerkt hab").
So könnte ich mir das vorstellen.

Tatsächlich habe ich momentan am meisten Angst/Sorge davor, dass die Propranolol nichts ändern.
Für mich sind sie die letzte Hoffnung. Wenn das nichts bringt muss ich es eben einfach akzeptieren und das beste draus machen. Ich habe dadurch oft Stress und und Panik aber trotzdem habe ich Spaß am restlichen Teil meines Lebens. Was solls...


PS: Was ich alles mit der vielen Zeit anfangen würde, wenn ich solche Probleme nicht hätte... 🙂
 
@ Xel:
Hallo erstmal und danke für deine offene Schilderung hier.
Jetzt bin ich natürlich sehr neugierig: wie lief der Auftritt mit den Betablockern? SOllten sie nicht wie gewünscht gewirkt haben war wohl die Dosierung zu schwach...

Ich selbst nehme auch welche seit einiger Zeit. Du solltest dir keinen großen Stress mit der Beschaffung machen. Ich habe meinem Hausarzt ganz offen von meinen Problemen erzählt und bekomme jetzt regelmäßig Propranolol von ihm verschrieben.

Falls dein Hausarzt wirklich keinerlei Verständnis für dich hat, dann lass es dir bei einem Psychiater verschreiben. Damit meine ich nicht eine Psychotherapie. EIn Psychiater ist einfach ein Arzt, der auf die medikamentöse Behandlung von psychischen Problemen spezialisiert ist. DOrt bekommst du auch kurzfristig einen Termin (anders als bei nem Psychologen wo man oft monatelang warten muss). Schildere ihm deine Probleme und er wird dir Betablocker oder was ähnliches verschreiben. Psychiater leben von sowas, sie werden die nicht mit moralischen EInwänden gegen solche Medikamente kommen.

Aus eigener Erfahrung kann ich empfehlen, die Einnahme von Propranolol mit einem angstlösenden Medikament zu kombinieren.
Propranolol unterdrückt ja nur die körperlichen Symptome der Angst während des Auftritts. Es gibt aber auch Medikamente, die das Angstgefühl selbst stark dämpfen können. Hierbei handelt es sich um Benzodiazepine Ich habe Erfahrung mit Tavor und Tavil. Natürlich weiß ich, dass diese Dinge auch Risiken haben, man kann schnell abhängig werden. Aber ich nehme das ja unter ärztlicher Anleitung ein. Ca. 3-4 Mal im Monat bei Vorträgen / Situationen in denen ich vorlesen muss nehme ich Prpranolol und Tavor ein. An den übrigen Tagen nehme ich nichts. Klar wäre es gesünder auf sowas ganz zu verzichten, aber für mich ist es ein guter Kompromiss. Ohne diese Mittelchen müsste ich meinen Beruf aufgeben. Habe davor schon alles mögliche erfolglos versucht, es ist also wirklich die ultima ratio. Zugleich arbeite ich auch mit einem Psychologen daran, den Grund des Problems zu erforschen, eine medikamentöse Unterstützung in Notsituationen kann das aber nicht ersetzen.

Also mein Rat an alle Verzweifelten, die panische Vorleseangst haben, darunter leiden und : geht zu eurem Hausarzt, erzählt ihm die Sache und er/sie wird euch helfen. Jeder Arzt wird dann sicher eine Psychotherapie beim Psychologen empfehlen, zugleich aber auch bereit sein, euch Medikamente zu verschreiben, die sofort helfen. Denn auf eine Psychotherapie muss man erstmal ein paar Wochen warten, und bis die Therapie dann zu Erfolgen führt dauerst es mind. einige Monate, es sei denn euer Psychologe ist ein Zauberer 😉
Es ist also nicht schwer an die rettende Medizin zu kommen. Bei der schweren Vorleseangst/Redeangst handelt es sich um eine echte Krankheit, kein vernünftiger Arzt wird euch helfende Medikamente vorenthalten.


Ich rede hier natürlich nur über Leute, bei denen die Angst wirklich krankhaft ist. Bei etwas Lampenfieber braucht man keine starken Medikamente.
 
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