Ich kenne die AAs nicht aus eigener Erfahrung, aber da ich eine Freundin habe, die trockene Alkoholikerin ist und in der Klinik die AAs immer wieder vorstellt, kann ich Dir meine Außensicht geben.
Für sie ist glaube ich das Wichtigste, dass im Grunde immer ein Ansprechpartner da ist. Irgendwo finden immer Meetings statt, jetzt vor allem ja auch per Zoom, sodass man mindestens täglich Unterstüztung bekommt.
Tatsächlich ist es für sie auch ganz wichtig, immer wieder nasse Alkoholiker zu erleben, das Elend, die Ausreden, alles, was sie hinter sich gelassen hat und wo sie nicht mehr hin will. Sie kommt nie an den Punkt, wo sie sich selbst täuschen kann und sagen kann: War doch alles nicht so schlimm.
Also das sind ihre Erfahrungen. Ich will das nicht verallgemein. Manchen tut es ja auch nicht gut, mit diesem Thema immer wieder konfrontiert zu sein.
Sie ist absolut kein gläubiger Mensch, da tatsächlich sehr abgeneigt. Ich kann sie mal fragen, wie sie mit diesen Sätzen umgeht. Falls Dich das interessiert, aber es dauert eine Weile, bis ich sie wiedersehe.
Ich frage Mich halt wieso es dieses enge, christliche Setting braucht. Das mit den Schritten/ Leitsätzen verstehe ich schon im sinne von einem tragenden Grundgerüst & Orientierung.
soweit ich das verstanden habe, und wie gesagt, ich habe keine Innensicht, geht es nicht um eine christliche Sicht.
Spiritualität ist eine der sieben Säulen der Resilienz und spricht unsere Suche nach Lebenssinn an. Unser Gehirn ist so verdrahtet, dass wir in unserem Leben einen Sinn finden möchten. Wenn wir uns dem entziehen, werden wir krank. Und da ist leider in dieser Richtung so viel Schaden angerichtet worden, viele Menschen verlieren sich.
Es geht nicht so sehr um den Glauben an einen christlichen Gott sondern es heißt ja immer "wie wir ihn verstehen".
Ich habe in den letzten Jahren angefangen, in der Bibel zu lesen und meinen Glauben gefunden. Das gibt mir ganz viel Kraft und Ruhe. Ich halte mich trotzdem nicht für einen Christen. Was ich gefunden habe, die Bibel hat mir dabei geholfen, meine Lebensperspektive zu wechseln. Ich kann das Gute und die Liebe in der Schöpfung entdecken und fühle mich zuhause.
Wer in eine Sucht rutscht, verliert die Verbindung zum Leben. Der isoliert sich. Der fühlt sich ausgeschlossen. Und die einzige emotionale Verbindung, die man noch hat, ist die zum Suchtstoff. Nichts anderes zählt mehr. Alles wird zu einer Entschuldigung für den nächsten Schuss. Und da braucht es eine andere Anbindung.
Aber viele Ansätze werden über die Jahre modernisiert, mir erscheint das so aus der Zeit gefallen, dass die 12 Schritte nicht modernisiert werden. Ich stelle mir vor, da kommt ein Mensch hin, der vielleicht über Jahre Missbrauch erlebt, sich völlig in sich selbst zurückgezogen hat, wieso soll er dann noch Mängel und Charakterfehler eingestehen, anstatt zu lernen, dass ihm Unrecht getan wurde & nicht er das Problem ist?
Man gesteht keine Mängel und Charakterfehler ein, sondern übernimmt die Verantwortung für die Sucht. Für die Verletzungen, die man sich selbst und anderen angetan hat. Und das ist ein wichtiger Schritt, weil du das im Rahmen der Sucht gar nicht mehr kannst.
Ich habe das bei einer abhängigen Freundin erlebt, mit der ich mittlerweile den Kontakt abbrechen musste. Der wurde schweres Unrecht angetan, sie ist hoch traumatisiert. Aber eben anstatt die Verantwortung zu übernehmen und sich dem Schmerz zu stellen, flüchtet sie in die Flucht und ganz häufig schiebt sie dann anderen die Schuld zu. Die Welt ist böse (da haben wir wieder den spirituellen Anteil), darum muss ich trinken. Bei ihr geht es ganz viel darum, Gefühle nicht aushalten zu wollen. Und es ist nicht so sehr ein Können. Ich weiß, sie kann viel aushalten. Sondern da ist es der Schmerz, wenn sie die Sucht aufgibt, hat sie nichts mehr, was ihrem Leben einen Sinn gibt. Sie kann da nicht weiterschauen.
Und das darf man nicht entschuldigen. Die Leute kommen erst dann aus dem Teufelskreis raus, wenn sie ihre Verantwortung anerkennen.
Der Mensch, mit dem ich mich über die EA Gruppe unterhielt meinte, dass es für ihn sehr heilsam ist, ganz doll negative Gedanken dort lassen zu können, danach fühlt er sich freier & erleichtert. Vielleicht ging es den Teilnehmer:innen bei deinen Gruppen auch so?
Das kann sehr entlastend sein, wenn man seine dunklen Gedanken loswerden und irgendwo lassen kann. Darum plädiere ich auch immer hier im Forum, lasst die Leute halt mal jammern. Die brauchen das gerade. Das ist ein wichtiges Ventil. Aber wie Klecksfisch sagt, die andere Seite ist natürlich, dass man aufpassen muss, dass es tatsächlich eine Entlastung sein soll und kein Verharren.
Für viele ist es auch wichtig, eine Tagesstruktur zu haben. Oft ist das die letzte Anbindung. Man kann auch betrunken zu Meetings gehen. Was für mich ein Nogo wäre, mich würde das triggern. Darum würde ich eher nicht in solche Meetings gehen.
Es gibt aber nicht nur die AAs, sondern auch mittlerweile andere Gruppen, die auf anderen Grundregeln aufbauen. Da muss ich fragen, wer genau das ist. Und wie die sich unterscheiden. Kann ich, wenn Du magst.