Hallo Gast
Ich denke hier etwas missverstanden worden zu sein.
Mit meinem Beitrag wollte ich deutlich machen, dass alles seine Ursache und Wirkung hat.
So gestehen wir auffällig aggressiven Kindern noch ein gewisses Maß an Verständnis und Mitgefühl zu, weil inzwischen weitgehend bekannt ist, dass ihr Verhalten von vorangegangen Erfahrungen geprägt sein musste. Fehlverhalten von Erwachsenen billigen wir hingegen kaum noch Gründe für ihr Verhalten zu, obwohl doch eigentlich genauso klar sein muss, dass sie gleichfalls von früheren Erfahrungen geprägt wurden.
Das bedeutet keinesfalls dass man ihnen vergeben und vergessen muss, was gewesen ist, wie es zuweilen von therapeutischen Kreisen empfohlen wird.
Dem stimme ich ganz gewiss nicht zu, weil dies ein Part anbetrifft den jeder mit sich selbst ausmachen muss.
Ich vertrete die Ansicht, dass sich jedes Opfer das Recht der Verachtung auf Täterkreise bewahren darf. Aber es ist für den eigenen Seelenfrieden schon recht heilsam, wenn man wenigsten halbwegs nachvollziehen kann, wie und warum sich Eskalationen entwickeln konnten, denen Kinder besonders hilflos ausgeliefert sind und wie Du völlig korrekt beschrieben hast, oft mit zeitlebenden Schäden verbunden sind.
Doch auch diese lassen sich irgendwann leichter ertragen, wenn man weiß dass andere Betroffene ähnliche Probleme und Empfindungen als Folgeschäden davon getragen haben. Diese Entdeckung ist insofern wichtig, um sich nicht mehr wie zuvor wie ein aussätziger Mensch fühlen zu müssen. Einfach weil man damit weiss, dass die Folgen für die einstigen negativen Erlebnisse geradezu zwangsläufig und somit normal sind.
Das Wissen um des Woher und Warum, hat soweit ich dies von mir sagen kann zu einem gewissen Verständnis und einiger Milde beigetragen. Und könnte mir vorstellen, dass man selbst mit einstigen Täterschaften ins Gespräch kommen könnte. Wenn es dabei gelingt ihr verschüttetes Unrechtbewusstsein zu beleben, dann könnte sich im Idealfall sogar eine familiäre Annäherung entwickeln.
Voraussetzung dazu bleibt natürlich deren Einsichtsfähigkeit und ein unmissverständliches Zeichen der Reue und Entschuldigung, soweit man Taten überhaupt entschuldigen kann.
Es ist ein sehr individueller Prozess, aber wichtig um sich aus der oft anhaltenden Täter-Opfer Beziehung zu lösen.
Susan Forward zeigt hierzu in ihrem Buch verschieden Wege einer gelingenden Emanzipation der Opfer auf. Egal ob es zu einer Verständigung, oder unversöhnlichen Bruch kommt. Ja selbst in Fällen verstorbener Täter bietet Sie Opfern eine Loslösung einst verinnerlichter Abhängigkeiten an.
Ich habe den Versuch gemacht und war am Ende sehr erstaunt einen einstigen Peiniger regelrecht hilflos anzutreffen, dem ich an emotionaler und psychischer Kraft längst überlegen war, obwohl ich zuvor innerlich noch immer vor ihm zitterte.
Ein wahrlich armer Mensch der die alten Zeiten und seine Anteile der Gewalt zu verdrängen versucht und dabei gar nicht merkt wie sehr er darin zurückgeblieben ist und nie mit meiner abrechnenden Konfrontation gerechnet hatte.
Fast könnte er mir schon Leid tun, weil er wie ein hilfloses Kind gar nicht versteht, was die Zeit und seine eigenen Erfahrungen aus ihm gemacht haben.
Doch erachte ich es nicht als meine Aufgabe ihn therapeutisch zur Einsicht zu bekehren.
Aber mir hat es geholfen mit gestärktem Selbstbewusstsein, und milder stimmenden Verständnis aus dieser Konfrontation hervorgegangen zu sein.
Ich habe ihn in seiner Welt zurückgelassen und versuche seitdem mein Leben bewusster zu leben und achte betont darauf möglichst nicht in ähnliche Fahrwasser zu geraten, in denen entfesselten Bestien ihren eigenen Schmerz an schwachen oder wehrlosen Angehörige austoben.
Was Dich betrifft kann ich mich nur in der Empfehlung des wirklich guten Buches wiederholen. Es könnte Dir zu Stärkung eines neuen Selbstverständnis und Selbstbewusstsein beitragen, hingegen dürftest Du mit Deinen depressiven Verstimmungen bei einem Facharzt tatsächlich besser aufgehoben sein.
Da gibt es inzwischen gute Medikament die diese Geißel recht gut in den Griff kriegen.
Gerade heute schrieb mich ein Bekannter an, dem endlich nach schwerer Leidenszeit mit Medis geholfen werden konnte.
Hoffen wir mal dass es so bleibt und Dir in ähnlich positiver Weise geholfen werden kann.
Ich finde es prima, wenn Du wenigsten schon mal mit Deiner Mutter, Geschwistern und Freund offen über Deine Belastungen sprechen kannst.
Gut Ding braucht Weile, gib Ihnen und Dir die Zeit um weiter zu wachsen und zu heilen.
LG Bockwurst