Gegen einen Beruf und Geldverdienen ist nichts zu sagen. Das ist völlig normal, und da sollte sich auch jeder anstrengen.
Das Problem mit deiner Denkweise ist, dass du glaubst, dass deine Liebenswürdigkeit von deinem Erfolg abhängst. Ich weiß, deine Eltern haben diese Denkweise in dich reingehämmert. Sie haben es dir immer wieder gesagt, sie haben dich niedergemacht, kritisiert, vielleicht verachtet. Total schlimm!!!
Wenn man einen Gedanken denkt, dann bildet sich im Gehirn sowas wie ein Weg (durch bestimmte Nervenverknüpfungen). Wenn man den Gedanken öfters denkt, wird der Weg breiter. Irgendwann wird eine Straße und dann eine Autobahn daraus. Total breit, total bekannt. Aber dieser Gedanke kann falsch sein, und man kann genauso gut einen anderen Gedanken denken, immer wieder, und anfangen, einen anderen Weg auszubauen, der irgendwann zu einer Autobahn wird. Der erste Weg, die erste Autobahn wird dann immer schwächer und kleiner, weil sie nicht mehr benützt wird.
Das geht nicht von heute auf morgen, aber es geht auf jeden Fall. In meiner Kindheit war es ähnlich, aber ich habe u. a. durch andere Leute gelernt, dass Liebe kein Luxus ist, den man sich verdienen muss (als Kind), sondern normal und selbstverständlich ist - bei psychisch gesunden Eltern. Ich weiß noch genau, was das für eine bahnbrechende Erkenntnis war, als ich "umgedacht" hab. Damals habe ich auch begriffen, dass die Gleichung "Liebe für Erfolg" eine Gehirnwäsche durch meine Eltern war. Die von ihren Eltern eben auch nicht geliebt worden sind. Das sind keine Floskeln, ich weiß das, ich kenne natürlich die Familien meiner Eltern und deren Werte.
Das Schwierige und Gemeine an dieser Verknüpfung von Liebenswürdigkeit und Erfolg ist, dass man sich seinen eigenen Wert jeden einzelnen Tag erarbeiten und erkämpfen muss. Dann ist man am Ende des Tages geschlaucht und fertig, aber man kann manchmal oder öfters denken: "Okay, für heute habe ich es geschafft. Ich bin etwas wert. Aber morgen??" Am nächsten Tag fängt wieder alles von vorn an - man muss wieder zittern, ob man an diesem Tag genügend schafft, ob man was wert ist. Und dann kommt wieder der nächste Tag, die nächste "Prüfung". Und dann der übernächste ... und es hört nie auf!
Auf diese Weise ist man IMMER UNSICHER. Dieses narzisstische Denken ist der beste Weg, um NIE ein echtes, befriedigendes Selbstwertgefühl zu entwickeln!! Man kann sich nie sicher fühlen.
Wenn ein Kind psychisch gesunder Eltern über sich selbst nachdenkt, dann weiß es: "Ich werde geliebt, so wie ich bin. Ich muss mich nicht besonders anstrengen, um geliebt zu werden. Ich muss nichts Besonderes sein, ich bin auf jeden Fall liebenswert und gut, wie ich bin."
Interessant ist, dass Kinder, die richtig geliebt worden sind, bessere Leistungen bringen als diejenigen, die ungeliebt sind. Weil ein Kind, das sich sicher und geborgen fühlt, sich besser aufs Lernen und Erforschen konzentrieren kann. Diese Erkenntnis ist ein Ergebnis der Bindungsforschung.
Deine Eltern können gar nicht lieben. Sonst hätten sie dich als Kind einfach so geliebt. Ohne Vorbedingungen. Das ist das Normale.