Ich habe als Frau einen eher männlichen Beruf ergriffen und muss sagen: es lag nicht daran, dass irgendwer in meinem Umfeld gegendert hätte (Gendersprech war in meiner Kindheit und Jugend zum Glück noch nicht erfunden, da verstand man den Aufgabentext im Schulbuch noch). Auch gab es keine weiblichen Vorbilder (das Fehlen dieser wird ja auch gerne als Grund genannt, dass so wenig Mädels MINT-Berufe machen wollen).
Man hat mich einfach nur mein Ding machen lassen, das Interesse war von alleine da. Dafür hat quasi jede Kommilitonin, welche über MINT-Werbung (und nicht aus Eigeninteresse) in den Studiengang gekommen war, dieses nach mehreren vergeblichen Semestern aufgegeben, todunglücklich über das vermeintliche Scheitern und haben dann - mit einigen Semestern Zeitverlust - doch noch einen typischen Frauenberuf erlernt.
Ich verstehe ohnehin nicht, warum man ständig Frauen in diese Richtung drängen will. Ist ja nicht so, dass die typischen Frauenberufe nicht ebenso händeringend nach Fachpersonal suchen (Pflege, Soziales...). Die Problemlösung von "Frauen verdienen in ihren Berufen zu wenig" sollte doch nicht lauten, dass man Frauen in besser bezahlte Berufe drängt, die sie oft gar nicht machen wollen, sondern dass ihre Berufsfelder schlicht besser bezahlt werden sollen.
Mich selber nervt das Gegendere jedenfalls. Eigentlich ist es mir vollkommen egal, ob sich jemand als nichtbinär, trans oder sonstwas definiert. Aber jedes Mal, wenn ich einen mehr oder weniger öffentlichen Text mit Gendern schreiben muss, muss ich gestehen, dass ich doch (zumindest zeitweise) einen Hass auf diese Personengruppe empfinde.
Nicht, weil ich was gegen einzelne betroffene Personen hätte, sondern weil es mir mehr Aufwand verursacht. Etwa wenn ich mich in der Abschlussarbeit mehr auf korrektes gendern konzentrieren muss als mit dem Inhalt selbst. Bei meiner aktuellen Seminararbeit etwa gehen sicher nochmals 10 Stunden nur dafür drauf, das Zeug zig mal durchzulesen und zu korrigieren, dass auch ja nix falsch gegendert oder übersehen wurde (Korrektur von echtem Inhalt zähle ich dabei nicht mit, den Aufwand habe ich so und so und der ist auch gerechtfertigt). Wo kann ich mich jetzt wegen finanzieller Vergütung der zusätzlich verlorenen Freizeit melden?