Marika46
Mitglied
Liebe Community,
ich leide schon mein ganzes Leben darunter, dass Andere mich für dumm halten. Schon im Elternhaus hat man mir das vermittelt und in der Schule vor allem von den Mitschülern, teilweise auch von den Lehrern. Die Aussage eines Lehrers ist mir besonders in Erinnerung geblieben: "Auch du wirst es sicherlich eines Tages schaffen, in unserer Leistungsgesellschaft eine Nische für dich zu finden".
Ich besuchte die Realschule und meine Leistungen waren überwiegend befriedigend bis ausreichend. Gut war ich nur in Englisch und besonders schlecht in Mathe und Physik. Meine Eltern haben immer Druck auf mich ausgeübt, wenn sich meine Leistungen nicht ändern, müsste ich auf die Hauptschule und würde eines Tages am Fließband Schnürsenkel durch Schuhe ziehen (mein Vater arbeitete im Büro einer Schuhfabrik). Die mittlere Reife schloss ich mit einem Durchschnitt von 2,8 ab, was nicht besonders schlecht ist, aber einige Noten waren wohlwollend vergeben worden.
Mein Berufsleben ist keine Erfolgsstory. Wie meine Mutter sollte ich Hotelfachfrau werden, aber die Ausbildung endete in einer Katastrophe. Ich war dafür zu langsam und nicht belastbar genug. Da man mich nach Bestehen der Probezeit nicht einfach loswerden konnte, mir das aber nahelegte, brach ich die Ausbildung nach einem Jahr ab. Meine Eltern machten deswegen einen Riesenzirkus. Danach machte ich ein Jahr einen Aushilfsjob und ging abends Büros putzen.
Ich hatte keinen Plan, was ich machen sollte. Ich wäre gern Tierpflegerin geworden, aber das ging wegen meiner Tierhaarallergie nicht. Das Arbeitsamt machte Druck und so ließ ich mich mehr oder weniger dazu überreden, eine Ausbildung zur Bürokauffrau zu machen. Ich zog das tatsächlich durch, obwohl die Zeit für mich die Hölle war. Ich war bei Beginn der Ausbildung 20 und sogar die Azubis, die jünger waren als ich, brachten bessere Leistungen. Sie lachten über mich, wenn ich mit bestimmten Aufgaben immer noch nicht fertig war. Ich hasste sie und traute mich zum ersten Mal, gegenüber Anderen frech zu werden, um nicht ständig zu weinen. Doch natürlich hielten sie und mein Ausbildungsleiter mich weiterhin für blöd und ließen mich das spüren. Der Leiter sagte zu mir, ich sollte bloß keinen Gedanken an eine weitere Beschäftigung verschwenden, falls ich die Prüfung überhaupt bestehen würde. Ich musste tatsächlich zittern, bestand die Prüfung aber trotz schlechter Noten in Mathe und Rechnungswesen.
Da ich nun mal diesen Abschluss in der Tasche hatte, musste ich mich auf kaufmännische Jobs bewerben. Ich fand auch schnell eine Stelle, wo mir zuerst nicht viel abverlangt wurde. Den ganzen Tag musste ich nur Telefonate annehmen und weiterleiten und Faxe versenden. Doch dann ging der nette Personalchef in Rente und die neue Personalchefin war eine schreckliche Person, die mich sofort auf dem Kieker hatte. Nichts machte ich gut genug, als neue Aufgaben hinzukamen. Als ich mich einmal ihr gegenüber ungeschickt verhielt (nicht frech), nutzte sie die Chance und sorgte nach fast zwei Jahren für meinen Rauswurf.
Danach hatte ich noch zwei Bürostellen. Bei der einen flog ich in der Probezeit raus und bei der anderen wurde ich schwanger und das baldige Ende zeichnete sich ab, worüber ich froh war.
Ich heiratete mit 26 und zum Glück war mein Ex-Mann damit einverstanden, dass ich mich die ersten Jahre ganz auf unsere Tochter konzentrieren wollte. Einige Jahre später kam unsere zweite Tochter auf die Welt. In den ganzen Jahren meiner Ehe hatte ich nur ein paar Aushilfsjobs als Reinigungskraft und Telefonistin für eine Versicherung.
Mit Ende 30 wurde ich alleinerziehend und musste mich wieder um eine berufliche Perspektive kümmern. Klar war für mich, dass ich keine demütigenden Erfahrungen mehr in einem Bürojob machen wollte. Ich machte daher eine einjährige Ausbildung als Pflegehelferin, da ich gut mit älteren Menschen umgehen kann. Ich habe auch meine Mutter bei der Pflege meiner Oma unterstützt. Außerdem hatte ich schon immer ein großes Interesse an Medizin.
Die erste Stelle als Pflegehelferin packte ich nicht. Mein Arbeitstempo war ihnen zu langsam und ich war bei meiner Arbeit zu vorsichtig. Auch reagierte ich sehr sensibel, wenn mich ein Bewohner anschnauzte. Die alten Selbstzweifel waren schnell wieder da und ich wollte schon den Kopf in den Sand stecken. Doch dann fand ich meinen jetzigen Job, in dem ich schon sechs Jahre bin, allerdings auch mit vielen Höhen und Tiefen. In der Probezeit fand ein sehr ernstes Gespräch statt, dass ich schneller und umsichtiger werden müsse, sonst müsste man sich von mir trennen. Ich kämpfte viel und wurde zumindest damit belohnt, dass ich heute noch dort bin.
Ich weiß aber auch, dass manche Kollegen mich nicht respektieren, auch einige Bewohner behandeln mich sehr geringschätzig. Es kommen dann so Aussagen wie "Man merkt, dass Sie nicht sehr gebildet sind" oder "Haben Sie schon wieder vergessen, wie ich dies oder jenes gern hätte". Ich bin oft so müde und merkte vor einigen Tagen selbst, dass ich kurz geistesabwesend vor mich hinstarrte. Ein Bewohner, der auch nicht viel von mir hält, fragte, ob ich "wieder mal träume".
Auch im privaten Bereich bekomme ich schon mal so ein Feedback, das in diese Richtung geht. Im vorletzten Jahr hatte ich eine kurze Beziehung. Einmal waren wir bei ihm verabredet, doch mir wurde nicht die Tür geöffnet. Als ich nach Hause kam, fand ich eine boshafte E-Mail vor. Der Mann hatte geschrieben, dass er das mit mir nicht mehr möchte. Er habe noch nie eine Person kennengelernt, die so langsam im Denken und Handeln sei wie ich! Verletzt und wütend rief ich eine Freundin an. Als ich ihr das erzählte, lachte sie und meinte "Recht hat er aber doch".
Im Frühjahr wollte ich mit einem Mann von einer Brieffreunde-Seite eine Freundschaft aufbauen. Er schrieb mir einen langen Brief und erzählte auch von seiner Körperbehinderung. Ich gab mir mit meiner Antwort viel Mühe, ging empathisch auf ihn ein und schrieb aus meinem Leben als Alleinerziehende und von meinem Job, ohne viel zu jammern. Einige Tage später entdeckte ich auf der Brieffreunde-Seite, dass er mich von seiner Freundesliste gelöscht hatte. Ich fragte nach und bekam die Antwort, dass mein Brief einfach nur geistlos gewesen sei!
Ich fühle mich ständig als dumm hingestellt, empfinde es so, dass Andere mich belächeln oder verachten.
Wie kann ich mit solchen Erfahrungen umgehen, ohne dass die Selbstzweifel von Tag zu Tag größer werden?
Es grüßt euch
Marika
ich leide schon mein ganzes Leben darunter, dass Andere mich für dumm halten. Schon im Elternhaus hat man mir das vermittelt und in der Schule vor allem von den Mitschülern, teilweise auch von den Lehrern. Die Aussage eines Lehrers ist mir besonders in Erinnerung geblieben: "Auch du wirst es sicherlich eines Tages schaffen, in unserer Leistungsgesellschaft eine Nische für dich zu finden".
Ich besuchte die Realschule und meine Leistungen waren überwiegend befriedigend bis ausreichend. Gut war ich nur in Englisch und besonders schlecht in Mathe und Physik. Meine Eltern haben immer Druck auf mich ausgeübt, wenn sich meine Leistungen nicht ändern, müsste ich auf die Hauptschule und würde eines Tages am Fließband Schnürsenkel durch Schuhe ziehen (mein Vater arbeitete im Büro einer Schuhfabrik). Die mittlere Reife schloss ich mit einem Durchschnitt von 2,8 ab, was nicht besonders schlecht ist, aber einige Noten waren wohlwollend vergeben worden.
Mein Berufsleben ist keine Erfolgsstory. Wie meine Mutter sollte ich Hotelfachfrau werden, aber die Ausbildung endete in einer Katastrophe. Ich war dafür zu langsam und nicht belastbar genug. Da man mich nach Bestehen der Probezeit nicht einfach loswerden konnte, mir das aber nahelegte, brach ich die Ausbildung nach einem Jahr ab. Meine Eltern machten deswegen einen Riesenzirkus. Danach machte ich ein Jahr einen Aushilfsjob und ging abends Büros putzen.
Ich hatte keinen Plan, was ich machen sollte. Ich wäre gern Tierpflegerin geworden, aber das ging wegen meiner Tierhaarallergie nicht. Das Arbeitsamt machte Druck und so ließ ich mich mehr oder weniger dazu überreden, eine Ausbildung zur Bürokauffrau zu machen. Ich zog das tatsächlich durch, obwohl die Zeit für mich die Hölle war. Ich war bei Beginn der Ausbildung 20 und sogar die Azubis, die jünger waren als ich, brachten bessere Leistungen. Sie lachten über mich, wenn ich mit bestimmten Aufgaben immer noch nicht fertig war. Ich hasste sie und traute mich zum ersten Mal, gegenüber Anderen frech zu werden, um nicht ständig zu weinen. Doch natürlich hielten sie und mein Ausbildungsleiter mich weiterhin für blöd und ließen mich das spüren. Der Leiter sagte zu mir, ich sollte bloß keinen Gedanken an eine weitere Beschäftigung verschwenden, falls ich die Prüfung überhaupt bestehen würde. Ich musste tatsächlich zittern, bestand die Prüfung aber trotz schlechter Noten in Mathe und Rechnungswesen.
Da ich nun mal diesen Abschluss in der Tasche hatte, musste ich mich auf kaufmännische Jobs bewerben. Ich fand auch schnell eine Stelle, wo mir zuerst nicht viel abverlangt wurde. Den ganzen Tag musste ich nur Telefonate annehmen und weiterleiten und Faxe versenden. Doch dann ging der nette Personalchef in Rente und die neue Personalchefin war eine schreckliche Person, die mich sofort auf dem Kieker hatte. Nichts machte ich gut genug, als neue Aufgaben hinzukamen. Als ich mich einmal ihr gegenüber ungeschickt verhielt (nicht frech), nutzte sie die Chance und sorgte nach fast zwei Jahren für meinen Rauswurf.
Danach hatte ich noch zwei Bürostellen. Bei der einen flog ich in der Probezeit raus und bei der anderen wurde ich schwanger und das baldige Ende zeichnete sich ab, worüber ich froh war.
Ich heiratete mit 26 und zum Glück war mein Ex-Mann damit einverstanden, dass ich mich die ersten Jahre ganz auf unsere Tochter konzentrieren wollte. Einige Jahre später kam unsere zweite Tochter auf die Welt. In den ganzen Jahren meiner Ehe hatte ich nur ein paar Aushilfsjobs als Reinigungskraft und Telefonistin für eine Versicherung.
Mit Ende 30 wurde ich alleinerziehend und musste mich wieder um eine berufliche Perspektive kümmern. Klar war für mich, dass ich keine demütigenden Erfahrungen mehr in einem Bürojob machen wollte. Ich machte daher eine einjährige Ausbildung als Pflegehelferin, da ich gut mit älteren Menschen umgehen kann. Ich habe auch meine Mutter bei der Pflege meiner Oma unterstützt. Außerdem hatte ich schon immer ein großes Interesse an Medizin.
Die erste Stelle als Pflegehelferin packte ich nicht. Mein Arbeitstempo war ihnen zu langsam und ich war bei meiner Arbeit zu vorsichtig. Auch reagierte ich sehr sensibel, wenn mich ein Bewohner anschnauzte. Die alten Selbstzweifel waren schnell wieder da und ich wollte schon den Kopf in den Sand stecken. Doch dann fand ich meinen jetzigen Job, in dem ich schon sechs Jahre bin, allerdings auch mit vielen Höhen und Tiefen. In der Probezeit fand ein sehr ernstes Gespräch statt, dass ich schneller und umsichtiger werden müsse, sonst müsste man sich von mir trennen. Ich kämpfte viel und wurde zumindest damit belohnt, dass ich heute noch dort bin.
Ich weiß aber auch, dass manche Kollegen mich nicht respektieren, auch einige Bewohner behandeln mich sehr geringschätzig. Es kommen dann so Aussagen wie "Man merkt, dass Sie nicht sehr gebildet sind" oder "Haben Sie schon wieder vergessen, wie ich dies oder jenes gern hätte". Ich bin oft so müde und merkte vor einigen Tagen selbst, dass ich kurz geistesabwesend vor mich hinstarrte. Ein Bewohner, der auch nicht viel von mir hält, fragte, ob ich "wieder mal träume".
Auch im privaten Bereich bekomme ich schon mal so ein Feedback, das in diese Richtung geht. Im vorletzten Jahr hatte ich eine kurze Beziehung. Einmal waren wir bei ihm verabredet, doch mir wurde nicht die Tür geöffnet. Als ich nach Hause kam, fand ich eine boshafte E-Mail vor. Der Mann hatte geschrieben, dass er das mit mir nicht mehr möchte. Er habe noch nie eine Person kennengelernt, die so langsam im Denken und Handeln sei wie ich! Verletzt und wütend rief ich eine Freundin an. Als ich ihr das erzählte, lachte sie und meinte "Recht hat er aber doch".
Im Frühjahr wollte ich mit einem Mann von einer Brieffreunde-Seite eine Freundschaft aufbauen. Er schrieb mir einen langen Brief und erzählte auch von seiner Körperbehinderung. Ich gab mir mit meiner Antwort viel Mühe, ging empathisch auf ihn ein und schrieb aus meinem Leben als Alleinerziehende und von meinem Job, ohne viel zu jammern. Einige Tage später entdeckte ich auf der Brieffreunde-Seite, dass er mich von seiner Freundesliste gelöscht hatte. Ich fragte nach und bekam die Antwort, dass mein Brief einfach nur geistlos gewesen sei!
Ich fühle mich ständig als dumm hingestellt, empfinde es so, dass Andere mich belächeln oder verachten.
Wie kann ich mit solchen Erfahrungen umgehen, ohne dass die Selbstzweifel von Tag zu Tag größer werden?
Es grüßt euch
Marika
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