Hallo Marie Christien,
ich kann deine Gefühle sehr gut verstehen. Für mich hat Familie den gleichen Stellenwert wie für dich.
Aber wie du hier liest, gibt es da unterschiedliche Meinungen dazu. Für manche Leute ist es nicht normal, dass die Mutter, die Schwester oder der Onkel uneingeladen vor der Tür steht und einfach an den Geschirrschrank geht und den Tisch deckt. Sie werden wie jeder andere Gast auch empfunden.
Ich glaube, deine Schwiegertochter meint es nicht böse. Es fällt ihr nur schwer, dich zu verstehen. Sie hat offensichtlich eine ganz andere Art der Familie kennen gelernt, eine Familie, in der man sich nicht gegenseitig trauen durfte und in der keine Nähe vorhanden war.
Es ist absolut verständlich, dass du dich verletzt fühlst. Für mich persönlich wäre das auch ein absolutes Nogo gewesen, den Tisch nur für drei zu decken. Ich finde dieses Verhalten empörend! Bei mir ist jeder Gast willkommen und natürlich biete ich ihm etwas an und integriere ihn ins Geschehen. Oder ich sage ganz deutlich, dass seine Anwesenheit gerade stört. Man kann so etwas durchaus freundlich sagen.
Ich mag es auch, wenn meine Freunde sich bei mir bedienen und sich Zuhause fühlen, bin da selbst aber tatsächlich distanzierter und würde nie den Käse aus dem Kühlschrank klauen 😉 ...
Ich fürchte aber, deine Schwiegertochter ist eben einfach nicht der Mensch, der gerne teilt und ihr fehlt eine gewisse Herzlichkeit.
Das kannst du nun als Anlass nehmen, dich von ihr, deinem Sohn und vor allem dem Enkelkind zu distanzieren, oder du lernst, damit zu leben und ein wenig mehr nach ihren Spielregeln zu spielen.
Es ist ein guter Schritt, dass du im Forum um Meinungen bittest und so die Möglichkeit bekommst, das Verhalten der Schwiegertochter von verschiedenen Seiten zu sehen.
Natürlich bist du verletzt, weil du dir eine ganz andere Art des Familienlebens erhofft hast. Und du hast auch alles Recht dazu. Und es wäre gut, wenn du ihr das so sagen würdest. Ihr Vater hat ihr ganz viel Aggression und Gewalt als Bürde mit auf den Weg gegeben und davon lasst ihr euch gerade beherrschen. Es macht das kaputt, was dir heilig ist, nämlich die Familie.
Versuche da raus zu treten und geht aufeinander zu. Das erreicht ihr durch Reden. Bleib dabei einfach bei dir selbst. Stell keine Forderungen. Sag, wie du dich gefühlt hast und ende mit dem Satz "das wollte ich nur mal gesagt haben". Und wenn sie diskutieren wollen, sag klar, dass für dich damit die Sache erledigt ist und du nicht nachtragend bist.
Sie muss doch erst mal lernen, wie solche Aktionen auf dich und deinen Mann wirken. Woher soll sie das denn wissen, wenn sie aus einer ganz anderen Familienstruktur kommt? Und bitte - dein Sohn ist mit ihr verheiratet. Es ist seine Aufgabe ihr beizustehen, ihr den Rücken zu stärken. Lass dich da auf keine "der hat alles, was ich ihm beigebracht habe, vergessen". Vielleicht ist das gar nicht so. Vielleicht schützt er nur so gut es geht seine kleine Familie. Lass ihn aus der Sache raus! Wenn du Probleme mit ihr hast, sag ihr das unter vier Augen. Wie gesagt, sag ihr höflich, wie du dich dabei fühlst und erkläre ihr, warum du so und so gehandelt hast und dann schließe damit ab. Lass dich nicht auf eine Diskussion ein. Pass auf, dass du sie nicht kritisierst, sondern dass du ganz bei dir bleibst
Sag ihr erst, wie du dich gefühlt hast und dass du es anders machst. Und dann sag ihr, dass du sie nicht verstehst und ob sie dir erklären mag, wie sie sich dabei gefühlt hat. Vielleicht sagt sie dann ja, es war doof, dass ihr hier einfach aufgetaucht seid und wir hatten Besuch geplant. Und dann weißt du zukünftig, wie du dich verhalten solltest.
Weißt du, einerseits machst du hier gerade einen auf Familie. Und wenn ich zu meinen Eltern gehe und mein Sohn hat gelernt und wir halten das so und überhaupt ist Familie das Wichtigste. Und dann willst du dich gekränkt zurückziehen. Umeinander kämpfen ist doch aber auch etwas, was zu einer Familie gehört und sie ist jetzt ein Teil deiner Familie. Und nun müsst ihr beide lernen, aufeinander zu zugehen und zu lernen, Kompromisse zu schließen.
Du redest hier davon, ein Pflegekind aufzunehmen, weil dein Sohn nicht mehr nach euren Regeln spielt. Sorry, aber glaubst du, ein Pflegekind kommt zu euch nach Hause und schreit Hurrah und liebe Eltern, ich will das perfekte Kind sein? Das sind alles Kinder, die schwer verletzt wurden, die alle psychische Schäden und Verhaltensauffälligkeiten haben. Dagegen ist deine Schwiegertochter ein Engel. Üb erst mal an ihr, auf solche Menschen mit Liebe und Akzeptanz zuzugehen und ihnen sanft aber bestimmt einen respektvollen Umgang miteinander näher zu bringen. Das wirst du von einem Pflegekind nicht bekommen. Da würden dir enorm viele Kämpfe bevorstehen.
Ich sehe, dass deine Schwiegertochter in eine tolle, harmonische Familie einheiratet und da wirklich das heile Familienleben finden könnte, wenn du jetzt nicht auf Stur schaltest und von ihr Dinge erwartest, die sie nicht bringen kann. Wie soll sie dich respektieren, wenn sie selbst diese Art von Respekt nie bekommen hat?
Im Augenblick respektierst du sie auch nicht. Du siehst ihren Background nicht, die Wunden, die sie trägt, die Ängste, die sie hat. Du hast Erwartungen und wenn sie die nicht erfüllt, wird sie mit Distanz bestraft.
Ich sage es noch mal, ja, ich verstehe, wie verletzt du bist und ich würde das auch so empfinden, aber die einzig richtige Antwort darauf ist, mit ihr über deine Gefühle zu reden und dir anzuhören, welche Gefühle sie dazu hat. Das ist gegenseitiger Respekt.
Tuesday