Grundsätzlich hört sich in der Theorie tatsächlich alles ganz ganz einfach an.
Nur die Praxis sieht leider eben oft dann doch anderst aus...das ist das Problem...
Für mich beispielsweise fängt "Gewalt" schon da an, wo ich jemanden in seiner Persönlichkeit so dermaßen beeinflusse-dass er/sie schon gar kein "normales" selbstbestimmtes Leben mehr führen kann.
Hallo,
wahre Worte, Sissy.
Ich habe mich beim Lesen des Threads ehrlich gesagt amüsiert. Da pusten sich Leute künstlich auf wie ach so schlimm Gewalt ist und wenn man dann ihre Beiträge im Forum liest, strotzen die nur so vor verbaler Gewalt. Ganz offen geben sie an anderer Stelle sogar zu, dass sie den gelegentlichen Tritt in den Hintern und hier und da Zuckerbrot und Peitsche für legitime Einsatzmittel halten. Dass Menschen sich grundsätzlich Respekt erst verdienen müssen.
Und dann erzählen mir diese Leute sie lehnen Gewalt gegen Kinder strikt ab? Sie entschuldigen die verbale Gewalt auf der einen Ebene und glauben, sie können sie auf der anderen abstellen? Das halte ich für ein Kunststück!
Wenn mir jemand ins Gesicht schlägt, gehe ich zur Polizei. Tätliche Gewalt ist akzeptiertes Tabu.
Wenn jemand sagt, du bist eh krank, hast nur Mus im Kopf, bist nicht lebensfähig und überhaupt ein Loser, kriegen die Leute ja nicht mal hier im Forum Rückhalt und Unterstützung. Was sollen die da bei der Polizei? Sie sind sowieso in einem geschwächten Zustand, machen sich sowieso genügend Selbstvorwürfe und können sich in der Situation keinesfalls gegen solche Angriffe wehren. Und selbst wenn sie sagen, das hat jetzt aber weh getan, bekommen sie in diesem Forum die Reaktion: "Wenn du hier schreibst, musst du Kritik ertragen."
Ich halte verbale, emotionale und psychische Gewalt für das eigentliche Problem.
Es ist aber ein ganz typisches Verhalten. Gerade bei einigen Leuten hier im Forum merkt man, dass sie sich mit ihrer eigenen Schwäche nicht auseinandersetzen können. Sie sehen diese in anderen Menschen und greifen sie dort an.
Das Verhältnis zu Kindern ist ganz ähnlich. Kinder triggern unsere Schwächen. Sie fordern uns massiv heraus. Wenn ich nun meine eigenen Schwächen aber leugne, mich damit nicht auseinandersetze, mich vor meiner dunklen (in diesem Fall aggressiven) Seite fürchte, greife ich automatisch zu einer Abwehrhaltung, die schnell die Grenze zur Gewalt überschreitet.
Natürlich schreibt Alice Miller ganz viele wichtige Dinge und sie hat ohne Zweifel Recht. Wer wollte nicht die schöne neue Welt ganz ohne Gewalt? Es wäre wünschenswert, wenn wir unsere Kinder gewaltfrei erziehen könnten, aber das können wir nicht. Wir sind alle einfach nur Menschen.
Gerade wurde in Deutschland ein neues Gesetz verabschiedet, dass vom Kindesvater getrennt lebende Frauen wieder früher arbeiten gehen müssen. Dann haben wir also noch mehr gestresste Frauen in einem massiv fordernden Job mit zwei kleinen Kindern, die im Pflegelalter sind. Wer kann denn bitte diese Frauen dafür verachten, wenn sie nach 8 Stunden Arbeit, der Organisation um die Kinderbetreuung, dem Haushalt und den Anforderungen der Kinder im Supermarkt mal einen Klaps auf den Hintern gibt, wenn der zweijährige sich mit Schaum vorm Mund auf den Boden wirft, sich in Rage schreit und der Mutter entgegenwirft, sie eine blöde Kuh, er würde sie sowieso hassen und sie sei einfach nur Mist?
Ich würde mal sagen, der von uns werfe den ersten Stein, der in der Situation noch sagen kann, oh mein Kind testet seine Grenzen aus. Da schaue ich doch mal im Erziehungsratgeber nach, was eine perfekte Mums jetzt so tut.
Ich hatte Pflegekinder und ich bin der erste, der zugibt, ich hab mich mehr als einmal im Keller wieder gefunden, um meine Aggressionen rauszuschreien.
Und ich habe meinem zweijährigen auch mal einen Klaps auf die Hand gegeben, der etwas schmerzhafter war. Das gute Kind hatte nämlich eine Vorliebe dafür den Geschirrspüler während dem Spülvorgang aufzuziehen. Der hatte leider keine Sperre. Alle guten Worte halfen nichts. Der Herr war einfach zu neugierig. Irgendwann habe ich ihn so erwischt, dass er Schlag und Geschirrspüler in direkte Verbindung miteinander bringen konnte. Der ist ganz schön erschrocken, weil er die Verbindung zwischen "hat mich lieb" und "tut mir weh" tatsächlich nicht auf die Reihe gebracht hat. Ich hätte natürlich warten können, bis er das heiße Wasser ins Gesicht kriegt. Brandmale sollen auch nachhaltige Erziehungserfolge erzielen.
Ich hatte als Kind den Drang rauszufinden, wie heiß eine Herdplatte werden kann und konnte meine Finger davon nicht fernhalten. Bis meine Großmutter dann mal ganz kontrolliert die Fingerchen auf die schmerzhaft warme Platte legte. Die Rötung meiner Fingerkuppen hat meiner Seele langfristig nicht geschadet, meine Finger aber vor langfristiger Schädigung bewahrt.
Ich hab meinen Kleinen anschließend in den Arm genommen, ihm erklärt, dass ich ihn noch genauso lieb habe wie immer und dass er immer noch ein gutes Kind ist, dass nur eben die Tür tabu ist. Das hat er auch mit seinen zwei Jahren schon verstanden.
Ich halte ehrlich gesagt nichts von diesen Übermuttern, die das Lehrbuch verschluckt haben. Ein Kind kann ohne weiteres einen Klaps verarbeiten, nämlich dann wenn man ehrlich ist. Es versteht, wenn man sagt, ich hatte Angst, ich war grad sauer, ich bin überfordert. Und was es lernt ist, dass Menschen manchmal überreagieren und dass man sich dafür entschuldigen kann und dass weder die Aggression böse ist noch der Mensch, der sie abbekommt.
Und dieses Kind kann im Erwachsenenalter wesentlich besser mit Menschen und ihren all zu menschlichen Seiten umgehen als jenes, das im sterilen Umfeld der Erziehungsratgeberecke groß geworden ist.
Ich strebe nach einem gewaltfreien Leben, ganz sicher, aber ich tue auch nicht so, als wäre ich der neue Übermensch. Ich habe eine aggressive Seite. Und manchmal überschreite ich auch Grenzen. Das passiert. Ich kann dann aber auch ganz locker dazu stehen und mich entschuldigen.
Wie heißt es so schön, ein kräftiges Gewitter reinigt die Luft. Ich mache nur leider immer wieder die Erfahrung, dass die Leute ein Gewitter gleich für einen Weltuntergang halten.
Eine gute Streitkultur erleichtert vieles.
Gewalt ist nur dann einzusetzen, um ethische Ziele durchzusetzen, wenn es keine andere Hilfe gibt. So einfach ist das im Grunde.
Egal wie einfach es ist. Gewalt ist Gewalt. Gewalt schafft Verletzung und oft genug Gegengewalt.
Klar hätte ich Verständnis, wenn jemand dein Kind vergewaltigt und umbringt und du den Täter im Gerichtssaal erschießt. Auch gerade dann, wenn er wegen Verfahrensfehler freikommt, obwohl klar ist, dass er es gewesen ist.
Aber du musst dir im Klaren darüber sein,
du hast Gewalt angewendet.
Du hast einen Menschen getötet. Und
deine Seele muss das verarbeiten. Stell dir das nicht so einfach vor. Gewalt verletzt immer, eben nicht nur den Anderen.
Es gehört sehr viel Hass dazu einen Menschen zu töten. Und dieser Hass frisst dich von innen her auf. Er zerstört das Gute und Heile in dir. Der bessere Weg ist immer loszulassen und zu verzeihen und die Gerechtigkeit Gott zu überlassen oder dem Universum, da du ja nicht an Gott glaubst.
Ja, ich habe großes Verständnis für Marianne Bachmaier. Aber diese Tat hat ihr Leben endgültig zerstört und ihr jede Chance auf Heilung genommen. Sie konnte nie von vorne anfangen und irgendwie doch noch ein Stück Glück finden. Ob es das war, was sich die Tochter für die Mutter gewünscht hat?
Der Täter hat nicht nur ihre Tochter getötet sondern auch ihr Leben zerstört und sie war es, die es zugelassen hat. Sie hat dem Täter die Macht gegeben.
Verstehen kann ich es, aber für mich würde ich mir einen anderen Weg wünschen.
Tuesday