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Mittendrin - und doch Gefühl von Einsamkeit

Dully

Mitglied
Liebe Community,

eigentlich könnte man sagen, dass es mir gut geht: Nachdem die letzten 6-7 Jahre beruflich der Hammer waren, was Stress und Überlastung betrifft, ist es mir vor einem Jahr gelungen, eine Arbeitsstelle zu finden, die mir grundsätzlich Spaß macht und bei der die Rahmenbedingungen stimmen. Überhaupt über einen Wechsel nachzudenken, war das Resultat einer Therapie. Ansonsten hätte ich weitergemacht nach dem Motto „Augen zu und durch/ du musst das schaffen, sonst bist du ein Weichei“. Nach dem Wechsel blieb endlich auch mal wieder Zeit und Energie für meine Hobbies. Ich habe augenblich mein Lesepensum hochgeschraubt, interessiere mich für Kunst und gehe gerne in Museen. Vor zwei Jahren habe ich mit dem Joggen angefangen. Das macht zwar nicht unbedingt Spaß, aber ich tue es für die Gesundheit (aktuell: 2mal/Woche 7-8km laufen).
Trotzdem ist mein Leben natürlich nicht frei von Problemen. Aktuell quält mich die Sorge um meinen Mann (er hat trotz Alkohol- und Fleischverzicht hohe Leberwerte, wobei diagnostisch wenigstens so heftige Diagnosen wie Krebs und Hepatits ausgeschlossen werden können, weitere Untersuchungen laufen an). Auch bei mir ist ein chronischer Bluthochdruck festgestellt worden, der medikamentös eingestellt werden muss. Alle anderen Blutwerte sind zum Glück gut bis sehr gut. Bei der Arbeit ist es gerade nicht sehr einfach durch die Langzeiterkrankungen mehrerer KollegInnen und einen unterschwelligen Konflikt, der mit anstehenden Veränderungen unseres Arbeitsfelds zu tun haben. Das mal so zu dem, was mich beschäftigt.
Eigentlich bin ich in einem guten sozialen Netzwerk. Ich bin glücklich verheiratet, habe nicht viele, aber gute Freunde. Und da geht es los: all diese Personen sind gerade, aus verständlichen Gründen, mit sich selbst beschäftigt. Mein Mann ist vor kurzem in einer neuen Arbeitsstelle angefangen, steckt mitten in der Einarbeitung und muss schon jetzt viel bewegen. Meine beste Freundin ist vor einigen Monaten Mutter geworden. Das ist total toll, ich bin Patentante ihres Kindes, aber es dreht sich jetzt hauptsächlich um das Kind und den neu zu organisierenden Alltag. Eine andere Freundin von mir steckt seit Monaten mitten in einer unglücklichen Liebesgeschichte, wieder eine andere hat große gesundheitliche Probleme. Ich verstehe jedeN einzelneN sehr gut und kann alles nachvollziehen. Aber es kommt gerade zu der Situation, dass ich mir bei allen ihre Probleme und Themen anhöre, darauf eingehe, unterstütze und den Rücken stärke, nachfrage, Interesse zeige. Aber wenn ich mal etwas aus meinem Leben erzähle, verhallt das ins Nirvana oder wird kurz abgewickelt. Mein Mann ist sehr liebevoll, aber ich merke regelrecht, wie er im Gespräch gedanklich abdriftet. Meine beste Freundin geht teilweise noch nicht mal mehr auf das ein, was ich ihr zu ihren Themen schreibe. Um die Geschenke, die ich meinem Patenkind zur Taufe gegeben habe, habe ich mir sehr viele Gedanken gemacht, es sind wirklich keine Allerwelts-Geschenke. Es kam nur ein lapidares „Dankeschön“ und schon im nächsten Satz war sie wieder bei anderen Themen, die sie gerade beschäftigen. Die andere Freundin fragt mich schon gar nicht mehr, wie es mir geht, da ist das Maximale, dass sie mir ein schönes Wochenende wünscht.
Wie gesagt, für alle habe ich Verständnis. Trotzdem fühle ich mich gerade so furchtbar einsam und habe das Gefühl, nur zu geben und nichts zu bekommen. Und natürlich gab es auch mal Zeiten, bei denen ich Gehör für meine Probleme gefunden habe. Ich habe aber wirklich immer auch darauf geachtet, selbst bei größten Problemen nachzufragen, wie es dem anderen geht. Schon allein deswegen, um mich selbst abzulenken und klar zu haben, dass die Welt sich nicht nur um meinen Nabel dreht. Ich weiß nicht, wie ich mich jetzt verhalten soll, denn wie geschrieben – jeder hat gute Gründe…

 

Alterego

Mitglied
Entschuldige, aber es kling so, als wenn du alles geplant und auch irgendwie erledigt und abgehakt hast, aber die Innigkeit von menschlichen Kontakten lässt sich letztlich nicht einplanen, auch wenn du den organisatorischen Rahmen planen kannst. Anderen Zuhören, um sich selber abzulenken - das erscheint mir als Eigennützigkeit und eigentlich ab einem gewissen Grade ist das wohl auch heuchlerisch.
 

Dully

Mitglied
Anderen Zuhören, um sich selber abzulenken - das erscheint mir als Eigennützigkeit und eigentlich ab einem gewissen Grade ist das wohl auch heuchlerisch.
Das ist ein Missverständnis. Ich meinte: Auch wenn ich selbst gerade die dicksten Probleme habe, bin ich nicht alleine auf der Welt. Deswegen richte ich auch in schwierigen Situationen den Blick auch auf andere. Nicht im Sinne von "dann muss ich nicht an meine Probleme denken", sondern im Sinne von "andere haben auch Probleme".
 

Dully

Mitglied
Hat wirklich keiner noch eine Anregung?

Ich merke, dass es wirklich schwierig für mich ist. Manchmal verspüre ich Aggression, wenn ich schon wieder mit unterschiedlichen Themen konfrontiert werde, aber nicht die geringste Reaktion auf Äußerungen über mich kommt. Als mein Mann gestern den ganzen Abend von seiner Arbeit erzählt hat, noch nicht einmal merkte, dass ich von mir so gar nichts erzählen konnte, und dann noch fragte, ob ich ihm den Rücken streicheln kann, habe ich sarkastisch geantwortet, dass selbstverständlich das Dienstleistungsunternehmen Dully zur Verfügung steht. Er hat die Spitze nicht einmal bemerkt...
Meine Freundin mit dem Mann, der sich nicht wirklich für sie entscheiden kann, schickt mir süße Kluge-Sprüche-Videos per Whatsapp, aber antwortet nicht, wenn ich diese für mich oder für sie interpretiere. Meine andere Freundin, die Mutter geworden ist, geht nicht ein auf das, was ich ihr schreibe. Wie gesagt, ich habe Verständnis für alle und ihre jeweilige Lebenssituation, aber so allmählich komme ich mir tatsächlich wie ein "Unterstützungs-Dienstleistungs-Unternehmen" vor - allerdings ehrenamtlich. :(

Ich bin sauer und wünsche mich oft einfach weg...
 

Mozu

Aktives Mitglied
Hallo!

Ich kann verstehen, dass dich das ärgert und du dich nicht genug wertgeschätzt fühlst.. aus deiner Sicht ist es ja so: Du gibst und gibst und gibst und machst dir viel Mühe für andere, bekommst aber im Gegenzug wenig zurück.

Ich denke, es gibt einfach verschiedene Arten von Leuten: Es gibt welche, die sind immer sehr nach "aussen" orientiert - so wie du. Die passen ganz aufmerksam auf, wie es den anderen geht, was sie brauchen, und kümmern sich um deren Wohlbefinden. Sie haben da vielleicht gute "Sensoren" und fühlen sich ganz automatisch in andere Menschen hinein, und deshalb gehen die Leute auch gerne zu ihnen, um sich ihre Probleme erleichtern zu lassen.

Und dann gibt es Menschen, die sind eher nach innen orientiert, gerade bei Problemen. Die brauchen ihre Ressourcen an ganz anderen Stellen, und haben deshalb nicht mehr so viele für die Aussenwelt übrig. Das heisst nicht, dass andere Menschen ihnen weniger bedeuten, oder dass sie sich nicht gut in andere hineinfühlen können, sondern nur, dass sie das oft nicht von sich aus machen, weil sie gar nicht auf die Idee kommen. Ihre Aufmerksamkeit liegt einfach woanders.

Und diese Gruppen von Menschen verhalten sich meiner Erfahrung nach auch so, wie sie es auch von anderen "erwarten", bzw. automatisch voraussetzen. Irgendiwe logisch, denn wir gehen ja erstmal ganz natürlich davon auss, dass andere Menschen sich so fühlen und verhalten wie wir selber das in ihrer Situation tun würden. Und das gibt halt Probleme, weil sich die anderen Leute dann immer anders verhalten, als man denkt, und da fühlen sich besonders die nach aussen orientierten Menschen vor den Kopf gestossen.. die nach innen orientierten merken es oft nichtmal :D

Zum Beispiel: wann hast du deinen Mann zuletzt gebeten, dir den Rücken zu streicheln, oder die Füsse zu massieren nach einem langen Tag? Vermutlich schon ziemlich lange nicht mehr, oder? Sowas würde dir wahrscheinlich gar nicht so richtig in den Sinn kommen, denn du denkst (gar nicht so bewusst wahrscheinlich), dein Mann sollte schon von alleine drauf kommen, dass du das vielleicht brauchen könntest. Richtig?

Versuch jetzt mal nicht davon auszugehen,d ass dein Mann (und andere Leute in deinem Umfeld) so denken und fühlen wie du. Sondern dass sie zum Beispiel genau äussern, was sie brauchen. sie wissen es oft auch ziemlich genau - sie kommen von der ARbeit nach Hause und wollen erzählen und dabei den Rücken gekrault bekommen. Also fangen sie einfach an und bitten um ein Rückenkraulen, und dann sind sie glücklich. Und sie gehen dabei natürlich davon aus, dass andere Menschen das auch machen. Also, sagen, was sie brauchen.

Anderes Beispiel mit deiner Freundin, die dir immer Dinge schickt und erzählt, auf die du dann ganz sorgfältig eingehst: das ist zwar total süss, aber hast du schon einmal überlegt, ob sie das wirklich braucht? Oder ob das nur das ist, was du an ihrer Stelle dir wünschen würdest, und nun auf sie projizierst? Vielleicht wäre sie genauso glücklich damit, wenn du gar nicht darauf reagierst und es dir einfach nur anschaust. Genauso deine gerade Mutter gewordene Freundin - vielleicht möchte sie einfach nur ihre tollen neuen Erfahrungen teilen, will sich aber nicht damit befassen, was andere darüber denken.

Ich will damit sagen: vielleicht tust und gibst du zu viel - nicht nur für dich, sondern auch für die Leute, denen du es gibst. Vielleicht wäre das gar nicht nötig und du könntest es dir sparen.

Ich würde dir deshalb empfehlen: orientier dich jetzt auch mal ein bisschen mehr nach innen - achte ein bisschen mehr auf dich selber, statt auf andere. Du darfst ruhig ab und zu mal darauf vertrauen, dass die Menschen sich schon melden, wenn sie was brauchen. Und genauso darfst du dich selber auch melden, wenn du was brauchst. Du darfst auch einmal erzählen, ohne dass du explizit gefragt wirst. Wie wäre es z.B. damit: nächstes Mal erzählst du deinem Mann von deinem Tag, während du ihm den Rücken streichelst, und fragst ganz gezielt nach den Dingen, die dich interessieren: "was denkst du darüber?" zum Beispiel.
 

Dully

Mitglied
Hallo s23w,

danke für deine empathische Antwort. Du hast mich an einigen Stellen ganz gut ertappt. ;) Ja, ich habe Antennen, die stark nach außen gerichtet sind, und richte mich oft nach den Bedürfnissen anderer aus. Und deine Anregung, diese vielleicht mal mehr nach innen zu richten, ist eine gute.

Nun ist es aber so, dass ich ja schon "direktiver" geworden bin, was eben auch Mitteilungen über meine Person betrifft. Ich erzähle ungefragt von mir. Aber genau das verhallt gerade unbemerkt ins Nirvana, und das leider eben an mehreren Stellen. Die benannten Freundschaften bestehen schon fast 20 Jahre, daher kenne ich ja auch ein wenig die bisherigen "Reaktionsmuster" meiner Freundinnen, beispielsweise, dass wir über einen Sinnspruch oft lange diskutieren, das auf unser Leben beziehen etc., oder Diskussionen über Themen, die einem gerade beschäftigen. Jetzt öffne ich meine Gefühlswelt - und nichts passiert. Und wenn ich meinem Mann etwas von mir erzähle, driftet er gedanklich weg und wechselt das Thema.

Das ist ja das Verletzende an dieser Erfahrung: ich gehe schon längst davon aus, dass andere anders denken/fühlen/handeln. Ich bin daher offener - aber es verhallt... Gefühlsmäßig würde ich gerade am liebsten allen mal sagen: "Hallo, ja, es ist ja auch wichtig, was euch gerade beschäftigt. Aber hallo, ich habe jetzt Äonenlang eure Nabelschau mitgemacht- es wird Zeit für euch, mal den Blick wieder über den Tellerrand hinaus zu lenken. Mich gibt es auch noch."

Aber das gegenüber einem Ehemann mit neuem Job, meiner besten Freundin mit halbjährigem Kind und einer engen Freundin, die seit über einem Jahr in einer ungeklärten Beziehung steckt?
 

Bergsteigerin

Aktives Mitglied
Liebe Dully,

tut mir leid! Eigentlich wollte ich dir auf deinen ersten Beitrag schon antworten, aber ich habs nicht recht geschafft, meine Gedanken schriftlich zu formulieren... Da du aber offensichtlich echt drunter leidest, will ich es doch versuchen, auch auf die Gefahr hin, dass es falsch ankommt...

Ich möchte dich gern direkt fragen, ob du im echten Leben, bei deinen Freunden und deiner Familie, es auch schaffst, so "offensiv" um Hilfe zu bitten, wie du es hier (vor allem im neuen Beitrag) getan hast?

Du schreibst über dich selber, dass du ein Mensch bist, der auch dann, noch nachfragt, wie es dem anderen geht, wenn du große Probleme hast.

Und natürlich gab es auch mal Zeiten, bei denen ich Gehör für meineProbleme gefunden habe. Ich habe aber wirklich immer auch darauf geachtet, selbst bei größten Problemen nachzufragen, wie es dem anderen geht.
Und genau das, erwartest du im Grunde auch von deinem Umfeld, deinen Freunden, deinem Mann, richtig?

Ich kenne ja deine Freunde und deinen Mann nicht, aber ich vermute jetzt einfach mal, dass das nicht alles nur selbstsüchtige Egoisten sind, deren Denke andauernd um sich selbst und ihre eigenen Probleme kreist. Ich vermute, dass sie alle eigentlich gerne helfen und zuverlässig für dich da sind, wenn sie gebraucht werden. Aber sie tun das offensichtlich nicht auf deine Art. Sie fragen nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie du, immer auch nach, wie es dem anderen geht. Sie spüren nicht, dass der andere diese Nachfrage, bzw. dieses deutliche Interesse gerade bräuchte. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass das nicht im Geringsten daran liegt, dass sie nicht so viel Interesse daran haben, für dich da zu sein, sondern dass es einfach daran liegt, dass sie selber auch irgendwie anders mit ihren Problemen umgehen, als du mit deinen. Ich vermute, dass es ihnen leichter fällt, als dir, über ihre Probleme und Sorgen zu sprechen und um Hilfe, Trost oder Zuspruch zu bitten.

Kann es sein, dass in dir ein bisschen die Angst schlummert, dich aufzudrängen? Du möchtest niemanden mit deinen Problemen belasten. Schon gar nicht, wenn du merkst, dass sie selber ganz schön zu kämpfen haben. Deshalb brauchst du ein Signal, eine Geste, die dir zeigt, dass du mit deinen Sorgen willkommen bist... Manche Menschen brauchen so ein Signal nicht. Sie legen einfach los. Ganz selbstverständlich. (Manchmal vielleicht tatsächlich ein wenig aufdringlich...) Ich denke, dass ist keineswegs unbedingt böse gemeint und vor allem, bedeutet das Fehlen eines solchen Signals nicht unbedingt, dass du eben mit deinen Sorgen grade nicht so willkommen bist. Es bedeutet einfach nur, dass diese Menschen, einfach nicht so recht merken, dass du sie grade brauchst. Je mehr Probleme sie selber haben, desto weniger werden sie das wahrscheinlich spüren. Aber das heißt nicht, dass sie deshalb weniger für dich da sein möchten!

Nun könnte man aus dem, was ich bisher geschrieben habe vermutlich schlussfolgern, dass mein Rat einfach lautet: "Sag doch einfach, was du brauchst!" Ich glaube, davor sollte noch ein anderer Schritt kommen...

Deine Erzählung klingt so, als würdest du es manchmal schon versuchen, auch mal deine Probleme anzuschneiden, in der Hoffnung, dass der andere dir zuhört. Aber anscheinend ist das nicht so recht von Erfolg gekrönt, oder? Der logische Schritt scheint nun zu sein, deinen "Forderungen" mehr Nachdruck zu verleihen. Aber ich scheue mich ein bisschen, dazu so direkt zu raten. Ich befürchte nämlich, dass das dann zwangsläufig schnell irgendwie aggressiv wird. Du bist ja anscheinend (verständlicherweise) enttäuscht und verletzt, wenn deine Freundin oder dein Mann grad überhaupt kein Ohr für deine Probleme haben. Aus dieser Enttäuschung heraus, glaube ich, dass es fast nicht anders möglich ist, nachdrücklicher um Hilfe zu bitten, ohne dass da irgendwie Aggressionen, (aufgrund der Enttäuschung) mitschwingen. Verstehst du, was ich meine? Das soll wirklich kein Vorwurf sein, ich glaube, dass das völlig normal ist.

Aber eben deshalb, denke ich, vorher (vor den nachdrücklicheren Forderungen) noch etwas anderes nötig ist. Du musst akzeptieren, verstehen, spüren und glauben, dass diese Menschen dich gern haben, und gerne für dich da sind. Du musst dich von dem Gedanken lösen, dass es der Anstand gebietet, den anderen auch bei eigenen Problemen noch zu fragen, wie es ihm denn geht. Du musst dich davon lösen, dass es doch irgendwie ein bisschen egoistisch ist, so oft nur von den eigenen Problemen zu reden und gar nicht recht auf dich einzugehen. Wenn du wirklich begreifst und spürst (ganz tief drin), dass diese tauben Ohren, auf die du oft stößt, eher mit einer Krankheit, als mit Kopfhörern zu vergleichen sind, erst dann glaub ich, kann es gelingen, ohne (implizite) Vorwürfe, um Hilfe oder Trost zu bitten. Vorher denke ich, schwingt in jeder Bitte irgendwie der stumme Vorwurf mit, dass derjenige das doch merken hätte können...

Da dieser "Wandel im Denken" aber normalerweise recht lang dauern kann und eigentlich auch am Besten durch das praktische Erleben unterstützt werden sollte, vielleicht doch ein Tipp als "Sofortmaßnahme" Wie wäre es, wenn du eine Freundin anrufst oder anschreibst, direkt mit der Bitte, ob sie ein bisschen Zeit für dich hätte, du müsstest dich grad bei jemandem ausheulen. Das sollte aber, (wenn es irgendwie geht), ohne den - auch stummen - Vorwurf, dass das ja schon lange fällig wäre, erfolgen. Was hältst du davon?

Ganz liebe Grüße
M.
 

Dully

Mitglied
Liebe M.,

ganz lieben Dank – ich musste gerade wirklich ein wenig heulen. Einfach weil es gut getan hat, deine Zeilen zu lesen. Ja, ich habe Angst, mich aufzudrängen. Vor allem, weil dies normalerweise/früher nicht nötig war. Mit meinen Freundinnen bin ich oft per email/Whatsapp in Kontakt, weil wir nicht in denselben Städten wohnen. Früher sind wir dann bei unseren Antworten wechselseitig auf das eingegangen, was geschrieben wurde und haben dann von uns erzählt. Meist recht ausgeglichen, und dass es mal „Schlagseite“ gibt, finde ich normal. Jetzt ist es anders, und ich frage mich wirklich, ob und wenn ja, wie ich mich besser verdeutlichen kann, eben ohne dass es als Vorwurf rüberkommt. Ein Beispiel: Ich schreibe meiner Freundin, die Mutter geworden ist, was ihr Kind in mir auslöst (ich hatte und habe keinen Kinderwunsch, aber ihr Kind löst in mir ganz, ganz viel Wärme aus, sodass ich es absolut verstehen kann, wie Eltern sich total in ihr Kind verlieben können) und dass mich das noch mal mit einem anderen Blick auf meine Eltern schauen lässt (meine Eltern konnten mich aus irgendeinem Grund nicht lieben und interessieren sich bis heute nicht für mich, es sei denn, als seelischen Mülleimer). Reaktion darauf: null. Genauso wenig wie auf eine email als Antwort über ihren Aufreger über einen Kollegen, der fiese Bemerkungen über berufstätige Mutter hat fallen lassen – ich habe sie sehr bestärkt in ihrem Weg, denn es ist offensichtlich, dass es ihrem Kind mit dem Familienmodell gut geht. Ich frage mich: muss ich es explizit formulieren, dass ich hier gerne eine Reaktion hätte? Oder das kurze „Danke“ für das Taufgeschenk – ich habe mir wirklich wochenlang Gedanken gemacht und mit dem Hersteller über eine Sonderanfertigung diskutiert – soll ich ein „stärkeres“ Danke einfordern?
Meine andere Freundin: Normalerweise auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen. Jetzt gibt es diesen Mann, der sich nicht wirklich für sie entscheiden kann. Bestimmt zehn Mal war in den vergangenen knapp anderthalb Jahren schon „Schluss“. Meine Meinung dazu will sie nicht wirklich hören, sondern will nur gerade in ihrer aktuellen Meinung (Trennung heute – drei Tage später ist alles wieder gut) von mir bestätigt werden. Weder bei unseren Telefonaten noch bei unseren Treffen kommt mal eine Anfrage, wie es mir geht, was mich gerade beschäftigt. Selbst meinen Jobwechsel letztes Jahr hat sie verpennt und erst Wochen später gefragt, ob ich denn schon die neue Stelle angefangen hätte. Wie soll ich mich da ausdrücken, mich verdeutlichen?

Um mich auf deinen letzten, sehr schönen Absatz zu beziehen: ich habe Angst, gar nicht mehr wichtig zu sein für diese Menschen. Vielleicht hast du Recht, dass sie gerade „in sich verkapselt sind“, vielleicht fehlt mir da einfach Vertrauen.
Danke für deine guten Worte!



 

Bergsteigerin

Aktives Mitglied
Liebe Dully,

ich musste gerade wirklich ein wenig heulen. Einfach weil es gut getan hat, deine Zeilen zu lesen.
Ich bin erleichtert... Ich hatte Angst, dass meine Worte als Vorwurf oder Kritik ankommen. (Und ich muss gestehen, das habe ich noch, wenn es jetzt konkreter wird...)

Du erzählst jetzt Beispiele, wo dich deine Freundinnen enttäuscht haben. Und du fragst (wenn ich dich richtig verstehe), jetzt im Nachhinein thematisieren könntest, wie du nachträglich verdeutlichen kannst, was du dir gewünscht hättest. Wenn du mich fragst, würde ich sagen, lass es! Ich glaube es ist besser, wenn du versuchst, die vergangen Verletzungen loszulassen (oder wenigstens erstmal ruhen zu lassen) und deinen Blick in die Gegenwart und Zukunft zu richten. Dennoch möchte ich auf deine Beispiele auch konkret eingehen. Weil mir das teilweise ziemlich bekannt vorkommt.

Ich schreibe meiner Freundin, die Mutter geworden ist, was ihr Kind in mir auslöst (ich hatte und habe keinen Kinderwunsch, aber ihr Kind löst in mir ganz, ganz viel Wärme aus, sodass ich es absolut verstehen kann, wie Eltern sich total in ihr Kind verlieben können) und dass mich das noch mal mit einem anderen Blick auf meine Eltern schauen lässt (meine Eltern konnten mich aus irgendeinem Grund nicht lieben und interessieren sich bis heute nicht für mich, es sei denn, als seelischen Mülleimer). Reaktion darauf: null. Genauso wenig wie auf eine email als Antwort über ihren Aufreger über einen Kollegen, der fiese Bemerkungen über berufstätige Mutter hat fallen lassen – ich habe sie sehr bestärkt in ihrem Weg, denn es ist offensichtlich, dass es ihrem Kind mit dem Familienmodell gut geht. Ich frage mich: muss ich es explizit formulieren, dass ich hier gerne eine Reaktion hätte? Oder das kurze „Danke“ für das Taufgeschenk – ich habe mir wirklich wochenlang Gedanken gemacht und mit dem Hersteller über eine Sonderanfertigung diskutiert – soll ich ein „stärkeres“ Danke einfordern?
Solche Gedanken kenne ich nur zu gut. Man tut etwas, wo man sich eigentlich sicher ist, dass der andere sich darüber freut. Man tut es u. a. ja genau deswegen, um dem anderen eine Freude zu machen. Man hofft und glaubt, dass die Gedanken, die man dem anderen mitteilt, ihn berühren. Man ist sich sicher, dass die Unterstützung, die man ihm zukommen lässt, ihm gut tut oder hilft. Man geht davon aus, dass das besondere Geschenk, das man ihm macht, ihm große Freude bereitet.

Und dann wartet man auf eine Reaktion. Man möchte an der (hoffentlich vorhandenen) Freude teilhaben. Man möchte hören, dass man ins Schwarze getroffen hat... Man braucht Bestätigung... :( Ich war total down, als mir das zum ersten Mal bewusst geworden ist. Warum brauche ich das? Warum brauche ich diese Bestätigung von außen? Mir ging dann häufig schon bevor ich z. B. jemandem etwas Nettes schreiben wollte, durch den Kopf, was sein würde, wenn darauf keine Reaktion kommt. Da war dann oft so ein blöder Impuls, der mich ganz davon abhalten wollte, was Nettes zu schreiben, wenn ich den Verdacht hatte, dass womöglich keine Reaktion kommt. Da merkte ich erst, wie blöd das war. Wollte ich denn nun dem anderen eine Freude machen, oder ging es mir vor allem um meine Bestätigung? Ich wollte lernen, von solchen Bestätigungen unabhängiger zu werden.

Ich habe mir dann angewöhnt, in solchen Situationen, wo ich auf eine Reaktion wartete, mir intensiv vorzustellen, wie sehr sich der andere gerade freut, oder wie gut es ihm tut, oder wie viel es ihm geholfen hat. Diese Vorstellung fühlte sich sehr real an, weil ich mir ja im Grunde meist sehr sicher war, tatsächlich eine Freude gemacht zu haben, oder eine Hilfe gewesen zu sein. Mir diese Freude intensiv vorzustellen, hatte auf mein Gemüt einen ähnlichen Effekt, wie tatsächlich über eine Reaktion an der Freude teilhaben zu dürfen. Das hat mir geholfen, mit einer ausbleibenden Reaktion gelassener umzugehen. Meine Gedanken gingen nicht mehr so sehr in die Richtung, dass ich diesem Menschen wohl gar nicht so wichtig bin, sondern ich begründete die (noch) nicht erfolgte Reaktion immer öfter mit Stress u. ä. Ich erinnerte mich dabei auch an Situationen, wo ich selber jemandem, der mir eigentlich wichtig ist, eine Reaktion schuldig geblieben bin, weil ich in dem Moment viel um die Ohren hatte und es später einfach versäumt habe, nachzuholen. So konnte ich es immer besser akzeptieren, wenn keine Reaktion kam, ohne enttäuscht zu sein und es persönlich zu nehmen. Klar war ich manchmal noch ein wenig traurig darüber, aber meist nicht mehr so, dass ich den Eindruck hatte, meine Enttäuschung könnte die Freundschaft belasten.

Ich möchte vorsichtshalber noch klarstellen, dass ich keineswegs sagen will, solche Bestätigungen seien überflüssig und man müsse sich komplett von sowas befreien. Ich finde es nach wie vor sehr wichtig, solche Bestätigung zu erhalten. Wenn das immer und bei allen Personen ausbleiben würde, glaub ich würde jeder daran kaputt gehen. Trotzdem glaub ich, dass es sehr gut ist, wenn man von diesen Bestätigungen ein Stück weit unabhängiger wird. Dann verliert man auch die Angst "nicht mehr wichtig zu sein für diese Menschen".

Das seltsame daran war bei mir auch, dass ich eigentlich ein paar Menschen in meinem Umfeld habe, die wirklich sehr gut und sehr aufmerksam darin sind, Freude, Stolz, Dank etc. zeitnah und meist auch ausführlich rückzumelden. Und gerade bei diesen Menschen, war mir diese Rückmeldung auch am wichtigsten. Gerade bei denen hab ich am meisten gebangt, ob hoffentlich bald eine Reaktion kommt. Bei mir traf das überhaupt nicht zu, dass ich eben irgendwann von den Menschen enttäuscht war, die sich eigentlich nie bedanken, oder fast nie auf mich eingehen. Bei denen wusste ich das ja eh und hat mich nie groß gestört. Aber es gab eben Menschen, deren Reaktion mir unheimlich wichtig war. Und wenn die mal (nur ausnahmsweise) ausblieb oder sehr verspätet oder vielleicht sehr knapp angebunden kam, hat mich das viel mehr verletzt oder traurig gemacht. Da hatte ich irgendwie viel schneller die Angst, vielleicht nicht (mehr) wichtig zu sein, obwohl ich da häufig und regelmäßig Bestätigung bekommen hab.

Ach ja, noch was zu deinem besonderen Taufgeschenk. Wie das nun tatsächlich bei deiner Freundin war, weiß ich nicht, aber ich denke, es gibt auf der einen Seite Menschen, denen ein sehr persönliches Geschenk, bei dem sich der Schenkende offensichtlich viele Gedanken gemacht hat, viel bedeutet. Es gibt aber auf der anderen Seite Menschen, die sowas kaum registrieren und sich über ein "Standardgeschenk" genauso freuen, wie über etwas so Spezielles. Wenn einem sowas auffällt, finde ich, gibt es keinen Grund, sich darüber zu ärgern, dass derjenige meine Mühen gar nicht richtig wertschätzt. Ich kann diese Mühen ja dann einfach bleibenlassen und mich freuen, dass ein "Standardgeschenk" genauso gut ankommt. Wenn du dir aber bei deiner Freundin sehr sicher bist, dass sie sowas sehr wohl zu schätzen weiß, dann ist das doch eigentlich auch nicht so schlimm, dass sie das nicht so explizit gesagt hat. Du kennst sie doch bestimmt gut genug, um auch alleine zu wissen, wie sehr sie sich gefreut hat, oder?

Eines möchte ich noch erwähnen, was jetzt eigentlich off topic ist. Es hat mich sehr berührt, was du davon erzählst, welche Gefühle das Kind deiner Freundin in der auslöst. Ich weiß nicht, ob du es in einem der anderen Threads gelesen hast, aber mein Mann und ich erwarten auch grade unser erstes Kind und es ist irgendwie schön, zu hören, dass sich sogar Frauen, die gar keinen Kinderwunsch haben, von der Faszination dieser besonderen Zeit mitreißen lassen. :) Ich bin sicher, dass das auch deine Freundin sehr berührt hat. Und ich bin sicher, du bist eine großartige Patentante!

Meine andere Freundin: Normalerweise auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen. Jetzt gibt es diesen Mann, der sich nicht wirklich für sie entscheiden kann. Bestimmt zehn Mal war in den vergangenen knapp anderthalb Jahren schon „Schluss“. Meine Meinung dazu will sie nicht wirklich hören, sondern will nur gerade in ihrer aktuellen Meinung (Trennung heute – drei Tage später ist alles wieder gut) von mir bestätigt werden.
Oh ja, ich verstehe, dass das nervt. Mir fällt es auch schwer, mit Menschen umzugehen, die sich irgendwie nur im Kreis drehen, und wo man überhaupt keine Chance sieht, mit dem, was man so gerne raten möchte, auch nur ansatzweise durchzudringen. Mir hilft es da eigentlich nur, aufzuhören, mich zuständig zu fühlen. Das heißt dann normalerweise, dass ich schon immer noch zuhöre, wenn sich so jemand an mich wendet, aber dass ich nicht mehr so intensiv darauf eingehe. Je nach Situation, versuch ich einfach zu trösten, ohne irgendwelche Ratschläge zu geben, oder ich signalisiere, dass ich die Gefühle gut verstehen kann (was normalerweise auch stimmt!), ohne darauf hinzuweisen, dass ich an ihrer Stelle versuchen würde, anders mit diesen Gefühle umzugehen. Manchmal reduziert sich der Kontakt auch ein wenig, wenn ich so passiv bleibe, aber ich hatte dabei nie den Eindruck, dass das ein Problem ist.

Weder bei unseren Telefonaten noch bei unseren Treffen kommt mal eine Anfrage, wie es mir geht, was mich gerade beschäftigt. Selbst meinen Jobwechsel letztes Jahr hat sie verpennt und erst Wochen später gefragt, ob ich denn schon die neue Stelle angefangen hätte. Wie soll ich mich da ausdrücken, mich verdeutlichen?
Wenn es dir wichtig gewesen wäre, mit ihr (zeitnah) über deinen neuen Job zu sprechen, was hielt dich dann davon ab, sie anzurufen und direkt loszulegen? Das ist nicht deine Art, oder? Einfach anrufen und losquasseln: "Hey, heut war ja mein erster Arbeitstag bei der neuen Stelle! Das war so aufregend! Die Leute waren echt nett, aber ich bin noch ziemlich unsicher, was denn jetzt genau zu meinen Aufgaben gehört und an wen ich mich mit welchen Problemen wenden kann... usw." Geht gar nicht, oder?

Ich versteh das gut. Mir fällt sowas auch schwer. Ich habe aber inzwischen gelernt, mehr Vertrauen zu haben. Es gibt Menschen, da trau ich mich das eher. Bei meinem Mann vor allem. Da weiß ich, dass ich das "darf". Dass ich mich ihm zumuten darf, ohne Angst haben zu müssen, ihm auf die Nerven zu gehen o. ä. Das liegt aber bei weitem nicht nur an seiner Art, an seinem Charakter, dass mir das bei ihm gelingt. Es war auch ein langer Lernprozess auf meiner Seite, der schon begonnen hat, bevor ich ihn überhaupt kannte. Was ich damit sagen will: Man neigt glaub ich schon manchmal dazu, hauptsächlich die anderen dafür verantwortlich zu machen, wenn es einem nicht so recht gelingen will, von sich zu sprechen. (Wobei ich den Eindruck habe, dass du da sehr reflektiert bist.) Aber ich glaube inzwischen, dass man selber den größten Beitrag dazu leisten kann, damit das anders wird. Sicher wird es immer Menschen geben, bei denen jemand wie du und ich, sich nicht von sich aus öffnen können. Aber ich finde das nicht mehr schlimm und zähle diese Menschen trotzdem zu meinen Freunden. Freunde, bei denen der Schwerpunkt eben wo anders liegt...

ich habe Angst, gar nicht mehr wichtig zu sein für diese Menschen.
That's it! Ich denke, diese Angst kann man leider nicht dadurch loswerden, dass man Reaktionen fordert oder Menschen fallen lässt, die den eigenen Bedürfnissen nicht entsprechen. (Auch wenn beides sehr wichtig und richtig sein kann!) Man wird diese Angst wirklich nur los, indem man lernt Vertrauen zu haben. Dabei ist es natürlich sehr, sehr hilfreich, wenn man Menschen um sich hat, die geeignet sind, dieses Vertrauen zu stärken. Aber daran arbeiten muss man trotzdem selber!

Oh je, ist das jetzt eine lange Predigt geworden... Ich hoffe, es ist was für dich dabei.

Ganz liebe Grüße
M.
 

Dully

Mitglied
Liebe M.,
zunächst einmal: Ganz herzlichen Glückwunsch zur Schwangerschaft, Dir, Deinem Mann und dem Zwerg alles erdenklich Gute! Wie weit bist du denn?
Ich habe eben in der Mittagspause deine Antwort gelesen und hatte schon das „Ja, aber…“ in den Tasten. Dann habe ich mich noch mal zurückgelehnt und über das nachgedacht, was du geschrieben hast. Für deine Zeit und deine Gedanken möchte ich dir gerne danken, auch wenn es nicht immer einfach zu „verknusen“ war. Aber im Einzelnen:
Ich habe mir dann angewöhnt, in solchen Situationen, wo ich auf eine Reaktion wartete, mir intensiv vorzustellen, wie sehr sich der andere gerade freut, oder wie gut es ihm tut, oder wie viel es ihm geholfen hat. Diese Vorstellung fühlte sich sehr real an, weil ich mir ja im Grunde meist sehr sicher war, tatsächlich eine Freude gemacht zu haben, oder eine Hilfe gewesen zu sein. Mir diese Freude intensiv vorzustellen, hatte auf mein Gemüt einen ähnlichen Effekt, wie tatsächlich über eine Reaktion an der Freude teilhaben zu dürfen. Das hat mir geholfen, mit einer ausbleibenden Reaktion gelassener umzugehen. Meine Gedanken gingen nicht mehr so sehr in die Richtung, dass ich diesem Menschen wohl gar nicht so wichtig bin, sondern ich begründete die (noch) nicht erfolgte Reaktion immer öfter mit Stress u. ä. Ich erinnerte mich dabei auch an Situationen, wo ich selber jemandem, der mir eigentlich wichtig ist, eine Reaktion schuldig geblieben bin, weil ich in dem Moment viel um die Ohren hatte und es später einfach versäumt habe, nachzuholen. So konnte ich es immer besser akzeptieren, wenn keine Reaktion kam, ohne enttäuscht zu sein und es persönlich zu nehmen. Klar war ich manchmal noch ein wenig traurig darüber, aber meist nicht mehr so, dass ich den Eindruck hatte, meine Enttäuschung könnte die Freundschaft belasten.
Du hast Recht. Ja, du hast wirklich Recht. Wie gesagt, ich war schon beim „Ja, aber…“, und ich möchte doch tatsächlich auch wirklich Bestätigung bekommen. Es ist aber tatsächlich so: Mein Mann hat Einarbeitungsstress und hängt sich voll in seine Arbeit (für seine Begeisterungsfähigkeit liebe ich ihn ja auch). Meine beste Freundin muss gerade Beruf und Muttersein unter einem Hut bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die fehlenden oder „verkürzten“ Reaktionen der jeweiligen Situation geschuldet ist, ist sehr, sehr groß. Somit ist auch die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr gering, dass das etwas mit mir und/oder unserer Beziehung zu tun haben könnte. Bei meiner anderen Freundin, die gerade ihre Männerprobleme wälzt, bin ich mir nicht ganz so sicher, dazu später mehr.

Das seltsame daran war bei mir auch, dass ich eigentlich ein paar Menschen in meinem Umfeld habe, die wirklich sehr gut und sehr aufmerksam darin sind, Freude, Stolz, Dank etc. zeitnah und meist auch ausführlich rückzumelden. Und gerade bei diesen Menschen, war mir diese Rückmeldung auch am wichtigsten. Gerade bei denen hab ich am meisten gebangt, ob hoffentlich bald eine Reaktion kommt. Bei mir traf das überhaupt nicht zu, dass ich eben irgendwann von den Menschen enttäuscht war, die sich eigentlich nie bedanken, oder fast nie auf mich eingehen. Bei denen wusste ich das ja eh und hat mich nie groß gestört. Aber es gab eben Menschen, deren Reaktion mir unheimlich wichtig war. Und wenn die mal (nur ausnahmsweise) ausblieb oder sehr verspätet oder vielleicht sehr knapp angebunden kam, hat mich das viel mehr verletzt oder traurig gemacht. Da hatte ich irgendwie viel schneller die Angst, vielleicht nicht (mehr) wichtig zu sein, obwohl ich da häufig und regelmäßig Bestätigung bekommen hab.
Genauso empfinde ich es auch. Eigentlich stehen die Beziehungen zu meinem Mann und zu meiner besten Freundin auf soliden Füßen. Wir kennen uns lange, haben, wie man hier sagt, schon „eine Menge Salz miteinander gegessen“ (also viel Zeit miteinander verbracht und Unterschiedliches miteinander erlebt und durchgestanden) und sie sind am dichtesten „dran“ an mir. Genau deswegen wäre ein Verlust so enorm schmerzhaft… Das betrifft v.a. meine beste Freundin und meine Angst, dass ihr Kind alle „außerfamiliären“ Bindungen ausdünnt. Andererseits ist dies sehr unwahrscheinlich, denn wir haben ja eben diese dicke gemeinsame Basis. Kaum zeigte sich der Streifen auf dem Schwangerschaftstest, hat sie mir davon berichtet. Wenige Tage später fragte sie mich, ob ich Patin werden würde. Ich kenne ihre Ängste und ihre Vorfreude während der Schwangerschaft, habe eine Whatsapp bekommen, als der Blasensprung kam und die Eröffnungswehen usw.. Und die Jahre davor haben wir so vieles miteinander geteilt, Nächte durchdiskutiert, gemeinsam gereist, gemeinsam neue Dinge entdeckt... All das ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht weg. Zumindest ist es sehr viel logischer, dass es im stressigen Alltag eben nicht mehr so vordergründig ist. Und wenn dem nicht mehr so ist, wenn wirklich die Basis wegbröckelt, dann werde ich mich auch damit abfinden und damit arrangieren müssen (was ich nicht hoffe!).

Eines möchte ich noch erwähnen, was jetzt eigentlich off topic ist. Es hat mich sehr berührt, was du davon erzählst, welche Gefühle das Kind deiner Freundin in der auslöst. Ich weiß nicht, ob du es in einem der anderen Threads gelesen hast, aber mein Mann und ich erwarten auch grade unser erstes Kind und es ist irgendwie schön, zu hören, dass sich sogar Frauen, die gar keinen Kinderwunsch haben, von der Faszination dieser besonderen Zeit mitreißen lassen.
Ich bin sicher, dass das auch deine Freundin sehr berührt hat. Und ich bin sicher, du bist eine großartige Patentante!
Danke für diese liebe Rückmeldung! Es ist tatsächlich so, dass ich überrascht von mir selbst bin. Bis heute. Beispielsweise, wenn meine Freundin berichtet oder wenn ich es selbst erlebe, was ihr Kind neu gelernt hat. Jetzt ist die Kleine auch ausgesprochen süß und es macht Spaß zu erleben, wie offen sie die Welt entdeckt. Aber ich empfinde es wirklich immer wieder als kleines Wunder, was da passiert, wenn ich daran denke, was aus diesem kleinen Menschlein, zwei Tage nach der Geburt, inzwischen geworden ist.

Oh ja, ich verstehe, dass das nervt. Mir fällt es auch schwer, mit Menschen umzugehen, die sich irgendwie nur im Kreis drehen, und wo man überhaupt keine Chance sieht, mit dem, was man so gerne raten möchte, auch nur ansatzweise durchzudringen. Mir hilft es da eigentlich nur, aufzuhören, mich zuständig zu fühlen. Das heißt dann normalerweise, dass ich schon immer noch zuhöre, wenn sich so jemand an mich wendet, aber dass ich nicht mehr so intensiv darauf eingehe. Je nach Situation, versuch ich einfach zu trösten, ohne irgendwelche Ratschläge zu geben, oder ich signalisiere, dass ich die Gefühle gut verstehen kann (was normalerweise auch stimmt!), ohne darauf hinzuweisen, dass ich an ihrer Stelle versuchen würde, anders mit diesen Gefühle umzugehen. Manchmal reduziert sich der Kontakt auch ein wenig, wenn ich so passiv bleibe, aber ich hatte dabei nie den Eindruck, dass das ein Problem ist.
Ja, ich empfinde diesen Kontakt inzwischen auch als reduziert. Ich reagiere ähnlich, wie du es von dir beschreibst. Ich empfand es aber schon als kränkend, dass meine Meinung (in der sich auch intensiv eine Sorge um meine Freundin ausdrückt) nicht gefragt ist, sondern ich – extrem ausgedrückt – so sein soll, wie sie es gerne hätte. Und da dieser Zustand schon recht lange (fast 1,5 Jahre) anhält, bin ich in dieser Hinsicht etwas skeptischer. Diese Freundschaft steht auf etwas anderen Füßen als die zu meiner besten Freundin, denn angefangen hat sie damit, dass meine Freundin meine Anleiterin während eines Praktikums war. Sie ist auch einige Jahre älter als ich, sodass ich manchmal ein Ungleichgewicht wahrnehme in Richtung „ich, die Erfahrenere – du, die Lernende“. Ich habe auch andere Freundinnen mit Altersunterschied, mit ihnen ist das aber weitaus „egaler“, sie schätzen mich für mein Ich-Sein, nicht für mein Alter.
Wenn es dir wichtig gewesen wäre, mit ihr (zeitnah) über deinen neuen Job zu sprechen, was hielt dich dann davon ab, sie anzurufen und direkt loszulegen? Das ist nicht deine Art, oder? Einfach anrufen und losquasseln: "Hey, heut war ja mein erster Arbeitstag bei der neuen Stelle! Das war so aufregend! Die Leute waren echt nett, aber ich bin noch ziemlich unsicher, was denn jetzt genau zu meinen Aufgaben gehört und an wen ich mich mit welchen Problemen wenden kann... usw." Geht gar nicht, oder?
Stimmt. ;-) *ertappt* Allerdings habe ich tatsächlich schon versucht, daran etwas zu ändern. Nur, wie gesagt, in den letzten etwa anderthalb Jahren stößt auch das auf taube Ohren bzw. führt zu kurzen, floskelhaften Antworten.




Ich denke, diese Angst kann man leider nicht dadurch loswerden, dass man Reaktionen fordert oder Menschen fallen lässt, die den eigenen Bedürfnissen nicht entsprechen. (Auch wenn beides sehr wichtig und richtig sein kann!) Man wird diese Angst wirklich nur los, indem man lernt Vertrauen zu haben. Dabei ist es natürlich sehr, sehr hilfreich, wenn man Menschen um sich hat, die geeignet sind, dieses Vertrauen zu stärken. Aber daran arbeiten muss man trotzdem selber!
Ja – that´s it! ;-) Du hast Recht. Vertrauen in Beziehungen, die eigentlich eine solide Basis haben, sollte eine gute Investition sein. Ich werde es versuchen. Ich glaube, was es mir gerade einfach schwer macht, ist eben die Vielzahl an mir nahestehenden Menschen, die gerade so enorm mit sich selbst beschäftigt sind. Wo zunächst noch ein Netzwerk war, fühle ich mich im Moment allein, umgeben von um sich selbst kreiselnden Menschen (ohne dass ich das bewerten will). DAS macht es nicht gerade einfach… Andererseits ist mir noch ein weiterer Gedanke gekommen, nämlich diese Situation, die sich nun mal gerade nicht ändern lässt, zu nutzen, um eben auch etwas für mich zu tun (z.B. es endlich in Angriff zu nehmen, mir einen Yoga-Kurs zu suchen, das steht seit Monaten in der Agenda). Letztes Jahr habe ich das auch zu spüren bekommen: Vier Tage, bevor meine Freundin den positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt, hatten wir eine gemeinsame Reise gebucht. Die musste natürlich gecancelt werden, zu dem Zeitpunkt wäre meine Freundin dazu nicht in der Lage gewesen. Die auf einmal freigewordenen finanziellen und zeitlichen Ressourcen habe ich dann für die Umsetzung eines langen Traums genutzt und bin mit meinem Mann eine Woche nach New York gereist. Vielleicht gibt es auch Chancen für mich in dieser Situation… Trotzdem darf es auch gerne mal wieder anders werden. ;-)


Danke, liebe Bergsteigerin, du regst da wirklich was in mir an!
 

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