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moralische Fehler & Charakterlich versagt

alfred1992

Mitglied
Guten Morgen!

Ich melde mich mit einem besonderen Thema.

Ich muss dazu vielleicht etwas weiter ausholen.

Ich bin aufgewachsen in einem Dorf, in dem ich auch heute wieder wohne.
Ich hatte eine wunderbare Kindheit, alles verlief super. Auch schulisch verlief alles gut. Ich schloss meine Berufsausbildung ab, studierte & arbeitete. Hobbys hatte ich auch viele und war sozial engagiert.

Während meiner Berufsausbildung lernte ich meine Freundin kennen. Wir waren sehr glücklich, wohnten allerdings noch getrennt. Im Jahr 2012 wurde sie krank, der Arzt attestierte ihr eine Grippe. Auf mich machte es den Eindruck, als würde es über Wochen nicht besser. An einem Tag hatte Sie ein Vorstellungsgespräch, sie ist mit Zug zu diesem gefahren. Sie erzählte mir abends, dass sie gerannt sei und keine Luft mehr bekommen hat. Sie hat es auf die Grippe geschoben. Am anderen Tag waren wir unterwegs. Sie wirkte noch immer nicht wirklich fit. Dennoch wollte Sie gerne das Wetter ausnutzen. Plötzlich bekam sie starke Schmerzen im Unterleib. Ich wollte Sie gerne zum Arzt bringen, allerdings verneinte Sie dieses, da sie es möglicherweise auf Magen-Darm-Infektion schob. Ich sollte sie nach Hause bringen. Das war das letzte mal, als ich sie sah, es fühlt sich so an, als sei es gestern gewesen. Am darauffolgenden Tag war ich bei der Berufsschule, mir war noch nicht bewusst was passiert ist. Als ich wie immer gegen Mittag meinen Vater von der Arbeit abholte, sagte er mit verweinter Stimme, ich solle mich auf dem Beifahrersitz setzen. Er konnte mir nur sehr schwer rüberbringen, was passiert ist. Sie hatte eine Embolie erlitten. Ihre Hand im Krankenhaus war bereits kalt. Die Ärzte konnten nichts mehr tun.

Meine Familie versuchten mich direkt zu beschäftigen, wollten gerne dass ich mich viel beschäftige. In den folgenden Jahren hatte ich oft das Gefühl, das etwas mit mir nicht stimmte. Ich hatte immer unterschiedlicheste gesundheitliche Beschwerden, hatte Magenspiegelungen, Darmspiegelungen, kam mit Herzrasen ins Krankenhaus, Wunden am Körper, die nicht verheilten.
Ich machte mich Selbstständig, engagierte mich ehrenamtlich in unterschiedlichsten Vereinen im Vorstand, als Vorsitzender, Beisitzer aber auch Kassenwart. Es hat mir Spaß gemacht.

Während dieser ganzen Zeit konnte ich eines jedoch sehr gut. Geld ausgeben. Ich hatte das Gefühl, nur im hier und jetzt zu leben. Ich habe nie daran Gedacht was morgen ist. Und jetzt kommt der wohl schwerste Fehler in meinem Leben. Ich habe Geld genommen, Geld welches nicht mir gehörte, mehrfach. Vor über 6 Jahren bekam ich plötzlich panische Angst, herzrasen & ich konnte nicht mehr in den Spiegel schauen. Mir ist bewusst geworden, dass das was ich gemacht habe, ein riesiger Vertrauensbruch & moralisch verwerflich ist. Ich habe charakterlich versagt. Den finanziellen Schaden hatte ich dann unmittelbar beglichen & vollständig wieder gut gemacht. Ich habe dann versucht herauszufinden, warum ich so gehandelt habe. Um diesem auf die Spur zu kommen, habe ich angefangen zu Schreiben, habe mir immer wieder die Frage gestellt, weshalb ich so falsch & egoistisch gehandelt habe. Ich habe herausgefunden, dass es wohl nicht den einen Grund gibt, sondern eine Kombination aus vielem. Ich hatte Kontakt zur Telefonseelsorge, Seelsorgetagebuch. Aber ich habe das Gefühl, das mir das nur vorübergehend hilft. Ich habe gelernt mit Geld umzugehen - und das klappt seit diesem Zeitpunkt, seit über 6 Jahren sehr gut. Dennoch plagt mich das schlechte Gewissen, vielleicht weil ich mit niemanden darüber Gesprochen habe? Es ist zwar alles wieder gut gemacht und letzten Endes kein Schaden entstanden, dennoch habe ich das Gefühl nicht genug getan zu haben? Ich habe mir seit diesem Jahr auferlegt, pro Jahr 19€ als Symbolik für mich an eine gemeinnützige Organisation zu spenden.

2016 lernte ich meine Freundin und jetzige Frau kennen, welche ich über alles liebe, wir erwarten in den kommenden Wochen unser Kind, auf welches ich mich riesig freue. Allerdings begleitet mich noch immer die Angst & negative Stimmung zum damaligen Fehlverhalten.
 
Zuletzt bearbeitet:

Zauberblume

Aktives Mitglied
Huhu,

mein erster Gedanke war, dass Du den Tod nicht verarbeitet hast und Dich auch da schuldig fühltest. Dieses "Hätte hätte Fahrradkette" kann sehr überdimensional werden...

Schuld ist ein schweres Gefühl, finde ich. Es lähmt. Es blockiert. Und es tut weh.
Du hast Dich reflektiert und den Schaden beglichen. Rational betrachtet: Was hättest Du noch tun sollen/können? Der einzige, der leidet, bist Du. Du hast Dich jahrelang bestraft.

Und jetzt ist es gut. Es ist okay. Du kannst aufhören, Dich zu bestrafen. Du darfst ein Leben haben, Du darfst die Ehe genießen, Du darfst das alles.
 

Binchy

Sehr aktives Mitglied
Hallo,

Du hast wirklich ein sehr traumatisches Erlebnis gehabt in Deiner Jugend und es hört sich so an, als hättest Du es zugedeckt mit Arbeit und Beschäftigungen. Nach außen hin hattest Du Dein Leben toll im Griff, alles lief gut, aber vermutlich hattest (bzw. hast) Du dieses Erlebnis nicht richtig verarbeitet.
Kann es sein, dass Du Schuldgefühle hast wegen dem, was Deiner damaligen Freundin passiert ist?

Dass Du Geld gestohlen hast war natürlich ein Fehler, das weißt Du ja, aber was ich toll finde ist, dass Du die Verantwortung übernommen hast und es ausgebügelt hast.

Für mich klingt das absolut nicht nach charakterlichem Versagen. Fehler macht jeder, mal große, mal kleine. Aber die Verantwortung dafür zu übernehmen, dazu zu stehen, es auszubügeln, das zeugt für mich von Anstand und einem guten Charakter.

Ich vermute, dass das Geldstehlen nur ein Symptom war. Es klingt als hättest Du eine gewisse Lebensangst gehabt, vielleicht das Gefühl, intensiv leben zu müssen und das Leben auszuschöpfen, was aufgrund Deiner schlimmen Erfahrung mit Deiner Exfreundin verständlich ist.

Hast Du mal eine richtige Therapie gemacht?

Man muss im Leben lernen, die Vergangenheit zu akzeptieren und auch teilweise loszulassen. Es gibt schlimme Dinge, die aber vorbei sind. Wenn man die fehler, die man macht und die man bereinigt hat, nie loslässt und die Erinnerung daran immer noch in der Gegenwart bewahrt, wird man niemals glücklich leben können. Ein Fehler macht dich nicht zu einem schlechten Menschen.

Ich würde am Thema Loslassen und Selbstliebe arbeiten: wirklich daran arbeiten mit büchern, die Du Dir besorgt und Youtube videos, die Du Dir dazu ansiehst. Lernen, Dir selbst zu vergeben und vor allem auch darauf zu schauen, was Du im Leben erreicht hast. Lernen, Dich positiver zu sehen und Dich nicht auf das zu reduzieren, was Du damals in der Vergangenheit mal falsch gemacht hast.
 

alfred1992

Mitglied
Hallo @Zauberblume, Hallo @Binchy,

vielen Dank für eure Antworten

Zu dem Verlust meiner Freundin, vielleicht habt ihr Recht vielleicht habe ich den Tod nie richtig verarbeitet. Ich habe mir oft die Fragen gestellt, was wäre wenn ich sie gegen ihren Willen zum Arzt gebracht hätte, was wäre, wenn ich abends bei ihr geblieben wäre?

Eine Therapie habe ich nicht gemacht. Ich wurde vom Arzt 2 Tage krankgeschrieben, das war´s.
Innerhalb der Familie meinte man zu mir: "Zum Glück ist es nicht später passiert, wenn schon Kinder da wären". Mit diesem Satz konnte ich wenig anfangen. Bei Freunden und Familie wurde dieses nie wieder Thema. Aber ich selbst habe es auch nie zum Thema gemacht.

Zu dem Thema mit dem wieder gut gemachten Fehler. Wenn ich heute darauf zurückblicke, sage ich mir, hätte ich es damals öffentlich gemacht (und mich an den Pranger gestellt) würde es mir nun vielleicht besser gehen, ich hätte nicht mehr diese Last auf meinen Schultern.

Vielleicht bin ich selbst mein strengster Richter aber das Thema Angst ist bei mir sehr präsent.
 
Zuletzt bearbeitet:

auchhier

Mitglied
Mir ist bewusst geworden, dass das was ich gemacht habe, ein riesiger Vertrauensbruch & moralisch verwerflich ist. Ich habe charakterlich versagt. Den finanziellen Schaden hatte ich dann unmittelbar beglichen & vollständig wieder gut gemacht. Ich habe dann versucht herauszufinden, warum ich so gehandelt habe. Um diesem auf die Spur zu kommen, habe ich angefangen zu Schreiben, habe mir immer wieder die Frage gestellt, weshalb ich so falsch & egoistisch gehandelt habe. Ich habe herausgefunden, dass es wohl nicht den einen Grund gibt, sondern eine Kombination aus vielem. Ich hatte Kontakt zur Telefonseelsorge, Seelsorgetagebuch. Aber ich habe das Gefühl, das mir das nur vorübergehend hilft. Ich habe gelernt mit Geld umzugehen - und das klappt seit diesem Zeitpunkt in 2019 sehr gut. Dennoch plagt mich das schlechte Gewissen, vielleicht weil ich mit niemanden darüber Gesprochen habe? Es ist zwar alles wieder gut gemacht und letzten Endes kein Schaden entstanden, dennoch habe ich das Gefühl nicht genug getan zu haben? Ich habe mir seit diesem Jahr auferlegt, pro Jahr 19€ als Symbolik für mich an eine gemeinnützige Organisation zu spenden.

2016 lernte ich meine Freundin und jetzige Frau kennen, wir erwarten in den kommenden unser Kind, auf welches ich mich riesig freue. Allerdings begleitet mich noch immer die Angst & negative Stimmung zum damaligen Fehlverhalten.

WOW. Ich finde dass du enorm reflektiert bist und sehr aufrecht. Dass du zu dem finanziellen Schaden gestanden bist und diesen sofort beglichen hast, finde ich extrem mutig und ehrlich. Du hast dein Leben auch aktiv zum Positiven gewendet.
ich finde du darfst dir auch selbst zu Gute halten dass du eigentlich sehr gut mit der Situation umgegangen bist.
Du hast ja selbst den Vorfall so geschildert dass deine weiterbestehende Angst und negative Stimmung auch deiner Meinung nach in einem Kontext steht mit den damaligen Geschehnissen rund um den tragischen Tod deiner Freundin.
Soweit ich weiss geht man in der Psychologie davon aus, dass Schuldgefühle oft eine Art Versuch sind, das Gefühl von Kontrolle über eine Situation zurückzuerlangen - eine Kontrolle die man nie hatte oder die einem weggenommen wurde. Also sozusagen: Wer etwas Schlimmes erlebt hat, über das er nur teilweise oder gar nicht die Kontrolle hatte, kann mindestens vor sich selber so tun, wie wenn man die Kontrolle hätte, indem man sich selbst Vorwürfe macht, man hätte etwas anders machen können - auch wenn dies gar nicht stimmt.
Ich erhalte den Eindruck, deine Angst und negative Stimmung haben möglicherweise gar nicht soviel damit zu tun dass du Angst hast, du selbst könntest dich wieder falsch verhalten. Sondern aufgrund deiner tragischen Erlebnisse, hast du möglicherweise Angst, auch die neue Partnerin wieder zu verlieren. Indem du dir selber Schuldgefühle machst bezüglich des auf Geld bezogenen Fehlverhaltens von Damals, lenkst du dich selber von dieser viel aktuelleren Angst um Frau und zukünftiges Kind ab.
Was auch nicht ganz rüberkommt: Meinst du mit dem "Fehlverhalten" nur die Geldsache - oder gibst du dir effektiv auch die Schuld am Tod der damaligen Freundin?

Ich denke für dich wäre es wohl wirklich gut, mal eine Fachperson zu finden, bei der du deine ganze Geschichte erzählen kannst und verstanden wirst, um das Erlebte nochmal etwas besser verstehen und einordnen zu können.
 

alfred1992

Mitglied
@auchhier
Vielen Dank für deine Antwort.

Ich denke auch, dass ich mir zugute halten kann, dass der Schaden von mir behoben wurde, und zukünftiger Schaden abgewendet wurde. Ich kann mir ebenfalls zugute halten, dass ich mich seitdem sehr verändert habe. Dies ist auch meiner Freundin (jetzt Frau) aufgefallen, also, dass ich mein Verhalten in Bezug auf Geld komplett verändert habe. Eines jedoch kann ich mir vorwerfen: dass ich damals nicht den Mut gehabt habe, darüber zu sprechen, mich zu öffnen. Ich habe diese Fehler ja selbstständig korrigiert, aber auch niemanden davon berichtet.

Mit dem Fehlverhalten, meinte ich eher das Thema mit dem Geld. Zum Tod meiner Freundin stelle ich mir aber auch die Frage, was wäre wenn ich sie gegen ihrem Willen zum Arzt gebracht hätte? Was wäre wenn ich am Abend nicht nach hause gefahren wäre?
 
Zuletzt bearbeitet:

Youshri

Aktives Mitglied
Ja, Du hast die Geldangelegenheit bereinigt, und das ist Dein Glück. Aber, hast Du denn nun auch verstanden, warum Du das damals gemacht hast? Das gilt es jetzt noch zu klären. Such Dir dazu eine professionnelle Hilfe, ohne kommst Du nicht weiter.
 

Leere?Zukunft

Sehr aktives Mitglied
Für mich liest es sich so ,als ob du dich in einer Weise selber bestrafen möchtest.
Als ob du von dir selbst erwartest perfekt zu sein.
Nein,das bist du nicht.So wie das niemand ist.
Du hast Fehler gemacht,mit dem Geld stehlen,hattest aber die Kraft,das wieder auszubügeln.Das finde ich charakterstark.
Fehler einzugestehen zeigt von Mut,von Stärke.
Das unglückliche Erlebnis mit dem Tod deiner damaligen Freundin war sicher sehr schlimm.
Du hättest niemals erahnen können,dass sie schwer krank war.Gibst du dir unbewußt dafür die Schuld?
Vielleicht solltest du das alles einmal therapeutisch aufarbeiten.
Du solltest dich jetzt auf deine Zukunft freuen ,auf dein Kind!
Die Vergangenheit ist vorbei.
Fehler,die gemacht wurden können nicht rückgängig gemacht werden.
Aber die Zukunft liegt in deinen Händen!
 

alfred1992

Mitglied
@Youshri, danke für die Antwort. Vielleicht ist es wirklich das beste, wenn ich nun noch einmal über meinen Schatten springe & darüber in einer Therapie spreche.

Ich habe bislang nur versucht, selbst dieses Thema zu erörtern. Mir war es wichtig, nicht nur das Symptom (Ich begehe diesen Fehler nicht nochmal) zu behandeln, sondern auch die Ursache (Wie kam es zu diesem Fehler?) nachzugehen. Ich denke nur wenn die Ursache behandelt wird, kann es langfristig helfen. Ich habe dazu mein ganzes Leben aufgeschrieben. Bin jeder noch so kleinen Spur nachgegangen. Es gibt bei mir nicht den einen Grund der dazu beigetragen hat. Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass es eine Kombination von Entscheidungen, Erfahrungen & Gefühlen ist, die mich zu der Zeit vorübergehend auf den falschen Weg gebracht haben. Ich habe mich damit auseinandergesetzt, weshalb ich diesen Fehler mehrfach gemacht habe und bin auf den Begriff der Desensibilisierung gestoßen...

Ich denke, das Thema ist auch, das ich selber noch nicht richtig akzeptieren kann, das ich Fehler gemacht habe. Darf ich mir Vergeben? Darf ich mir vergeben obwohl ich diesen Fehler nur selbst kenne? Ich weiß es nicht. Ich werde mich einmal nach einer Therapie informieren.
 

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Autor Ähnliche Themen Forum Antworten Datum
G BU Renten Versuch - Moralische Fragen Ich 20

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