Aber ich weiß eben nicht, ob ich zu denen gehöre, die denken es läuft immer besser und man macht Fortschritte ... und eigentlich ist es vielleicht eine kleine tickende Zeitbombe in einem drin, die nur auf den richtigen Trigger wartet.
Es ist, wie es ist, und wie es ist, ist es gut ... sagt meine Therapeutin immer.
Ein Trauma ist immer eine tickende Zeitbombe.
Wenn man bedenkt, dass ein Trauma im Moment der Hilflosigkeit entsteht. Jeder Mensch war irgendwann in so einer Situation. Jeder trägt zu einem gewissen Grad eine Zeitbombe in sich.
Trauma ist nichts anderes als unverarbeitete Gefühle.
Ich lebe damit und arbeite an mir und ich weiß, dass ich nicht nur das Trauma bin, sondern auch viele andere Eigenschaften und Vorteile habe.
Das Trauma ist ein Teil, das dich ausmacht. Es gibt dir Kraft, Sensibilität. Du musst nicht an dir arbeiten. Du darfst dich so akzeptieren, wie du bist. Du solltest dich so lieben, wie du bist.
Arbeite eher daran, die Gefühle, die dir weh tun, zu verarbeiten, zu integrieren.
Aber das stimmt nicht, heute weiß ich, dass ich etwas überlebt habe, was viele gedanklich schwer erfassen und begreifen können.
Dir geht es auch nicht anders. Du kannst es auch nicht erfassen und begreifen. Oder?
Trotzdem fühle ich mich oft sehr hilflos und doch irgendwie schwach, oder ausgezehrt, das trifft es besser.
Das sind Gefühle, die im Moment des Traumas entstehen und dann nicht verarbeitet werden. Darum schwimmen sie noch im System rum. Die haben aber nichts mit der aktuellen Lage zu tun.
Traumatherapie besteht daraus, sich genau dieses Gefühl immer wieder anzuschauen und mit der aktuellen Situation zu vergleichen, Wege zu finden, die Hilflosigkeit zu besiegen.
Das Gefühl, wie es war, als er mich gewürgt und meinen Kopf gegen die Wand geschlagen hat, kann ich einfach so schwer vergessen oder oft ausblenden. Ich kam mir so gedemütigt und ausgeliefert vor, er war ja körperlich viel stärker als ich und unfassbar aggressiv und zornig.
Vergessen und ausblenden ist nicht der Weg zur Heilung. Das Gehirn muss das Erlebnis/die Gefühle in die Persönlichkeit integrieren und ihm einen Sinn geben.
Es gibt aber Übungen, um sich von diesen Gefühlen zu distanzieren.
Bei jedem Mal, als er mich gegen die Wand gedonnert hat, habe ich alle Kräfte in mir mobilisiert, um wach zu bleiben.
Wenn immer die Hilflosigkeit in dir hochkommt, zwinge dein Gehirn dazu, diesen Gedanken hinterher zu schicken. DU hast deine Kräfte mobilisiert. DU bist wach geblieben. DU hast gekämpft.
Das ist eine Übungssache und wird immer besser werden. Es wird dir dabei helfen, das Gefühl der Hilflosigkeit aufzulösen.
Und ich dachte wirklich: du stirbst jetzt. Da gab es keinen Hoffnungsschimmer, rein gar nichts. Einfach nur, dass ich bald getötet werde.
Diese Gedanken und Gefühle sind immer noch in dir und bestimmen deine Gefühlswelt und dein Handeln.
In mir ist dann oft diese schreckliche Ohnmacht, wie ein schwarzes Loch, wenn ich daran zu lange zurückdenke.
Kein Wunder, dass du die Ohnmacht fühlst, wenn diese Gefühle in dir sind.
Dann bin ich auch vom Verstand her total weg.
Während eines solchen Erlebnisses wird der Verstand vollständig ausgeschaltet. Es besteht eine chemische blockade und wir "denken" nur noch mit unserem Urgehirn und handeln aus unseren Gefühlen heraus.
Bei einem Flashback passiert genau das wieder. Der Verstand wird blockiert und wir sind völlig in unseren Gefühlen. Da hilft es dann, den Verstand wieder zu aktivieren. Rechenaufgaben lösen, geometrische Muster malen, Baupläne zeichnen ...
Auf einem Bein stehen. Das Gehirn muss dann andere Teile aktivieren, um das Gleichgewicht wieder herzustellen, sonst fällt man um.
Das beste Mittel gegen eine Panikattacke. Geht auch in einer Menschenmenge. Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagern.
Und es macht mich oft so wütend, dass ein paar Minuten einen so zerstören können. Und der Typ jetzt immer noch irgendwo herumläuft.
Du hängst emotional noch immer sehr an diesem Täter. Das soll kein Vorwurf sein. Ist nur ein Hinweis.
Natürlich ist es Mist, dass er nicht aus dem Verkehr gezogen wird und keine Strafe bekommt. Wenn du auf diesem Weg bleibst, wird es für dich kein Entkommen und damit keine Integration geben. Zur Ruhe kannst du erst kommen, wenn du genau dieses Thema mit dem Täter abgeschlossen hast.
Wenn man positiv an eine Sache rangeht, klappt die ja häufig auch viel besser, als wenn man gleich von Anfang an negativ eingestellt ist.
Gut, dann glaube daran, dass es einen Grund gibt, warum dieser Täter nie zur Rechenschaft gezogen wird und dass du ihn finden wirst.
Es ist übrigens egal, was das für ein Grund ist. In deiner Psyche muss es Klick machen. Das muss niemand sonst verstehen. Wenn jemand sagt, der wurde anschließend von Aliens entführt und kastriert und kann mit dem Gedanken abschließen, ist das gut und richtig.
Aber ich habe auch die anderen Floskeln gehört "Stell dich nicht so an", "Wenn du so rumläufst, brauchst du dich nicht wundern ...", "Naja, er hat dich ja nicht vergewaltigt", "Anscheinend hast du dich ja gut genug wehren können". Ich kenne also überwiegend die andere Seite. Dieses Unverständniss.
Mich machen solche Aussagen auch sehr sauer.
Wer so Sachen sagt, kommt mit seinen eigenen Gefühlen nicht klar.
Ja, das stimmt. Ich halte mich selbst für ziemlich wertlos. Ich habe aber gleichzeitig großen Respekt vor meinen Ängsten und meinen Schmerz.
Das kenne ich gut.
ABer ich denke mir: alle anderen Frauen sind besser als ich. Und ich frage mich oft: "Warum sollte ein Mann dich wirklich lieben?".
Der Grund sollte sein: Weil du du bist und das Leben auf einmalige Weise bereicherst.
Wir leben in einer dualistischen Welt, in der Dinge entweder weiß oder schwarz sein müssen. Und alles, was weiß ist, ist gut.
Dabei gibt es keine schwarzen Menschen und keine weißen Menschen. Jeder Mensch ist ein einzigartiger Zwischenton. Ich kann wohl persönliche Vorlieben haben, eben türkis mehr mögen als blaßviolett, aber eine Farbe ist nicht besser als die andere.
Es fällt mir sehr schwer, das nachzuvollziehen, wenn jemand mich sehr mag, auch allgemein in Freundschaften.
Das kann ich gut verstehen. In meiner früheren Beziehung wurde ich verletzend, um zu beweisen, dass ich nicht liebenswert bin und tief in mir gibt es immer die Angst, dass wenn mich jemand liebt, er früher oder später rausfinden wird, was für einem Mogelpaket er aufgesessen ist.
Lange Zeit habe ich mich selbst sogar so sehr gehasst, dass ich alles getan habe, um mich selbst zu boykottieren und zu ruinieren. Nach dem Missbrauch war ich sogar von mir selbst angewidert. Ich weiß nicht, warum.
Das geht vielen Menschen so.
"Du bist so viel wert, du hast jemanden verdient, der dich respektiert und mit Verständnis behandelt und wer das nicht kann, gehört nicht in dein Leben. Und es gibt diese Menschen für dich ganz sicher."
Nur bei mir kann ich das nicht.
Du kannst daran arbeiten, es zu lernen
🙂
Ich glaube, "Opfern" geht es auch darum, gehört und gesehen zu werden. Und das man ihren Schmerz und ihre Ängste respektiert.
Ganz unbedingt!!! Und sie sind bereit, viel Leid auf sich zu nehmen, um als Gewaltopfer anerkannt zu werden.
Als nach dem 2. Weltkrieg die Nürnberger Prozesse abgehalten wurden, kamen viele Juden aus dem Ausland. Für die war es eine Qual, nur die deutsche Sprache zu hören. Alle haben sie gesagt, sie sind gekommen, damit die Welt erfährt, was passiert ist. Die sind nicht gekommen, damit die Täter verurteilt werden. Das, was man ihnen angetan hat, kann man eh nicht wieder gut machen.
KZ-Opfern steht eine Entschädigung zu, die aus ungefähr einer Murmel und drei Klickern besteht. Und dafür müssen die diese ganze Geschichte wieder aufwühlen. Viele machen es. Und fast jeder sagt, es geht ihnen nicht um das Geld. Die wollen die offizielle Anerkennung, dass sie Opfer sind.
Es ist essentiell für Menschen, dass sie mit ihrer Geschichte anerkannt werden und ganz entscheidend ist das für Menschen, die Gewalt erlebt haben.
Du hast recht, ich denke viel über meine Zukunft nach und was aus mir werden wird. Ich wünsche mir so sehr, in ein paar Jahren glücklich zu sein und mit mir Frieden geschlossen zu haben.
Nur wer Wünsche und Hoffnungen hat, kann darauf zuleben.
Ich habe ja die Theorie aufgestellt, dass man innerlich durch so ein Trauma erst recht solche Typen anzieht. Ich weiß nicht, wie ich das besser erklären soll ... wie so eine innere Dynamik, die sich entwickelt?[/QUOTE]
Das ist umgekehrt.
Es sind die Täter, die Menschen finden, die sich nicht ausreichend schützen können. Dann wird den Opfern vorgeworfen, selbst schuld, sie hätten sich ja schützen können. Dass die Aggression von den Tätern ausgeht und dass man dort ansetzen muss, wird dabei übersehen.