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Problem: Nähe/Distanz in Patientenarbeit? Übertragung?

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ein.Gast

Gast
Hallo liebe Forenmitglieder,

vielleicht könnt ihr mir etwas helfen.
Leider hat sich bis jetzt keiner Zeit/Muße nehmen wollen sich mit meinem Problem auseinander zu setzen.

Ich habe vor etwas längerer Zeit ein Praktikum im Rahmen meines Studiums in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung in einem Wohnheim gemacht. Hierbei durchlief ich mehrere Stationen und hatte im Grunde nie große Probleme.

Im Verlauf des Praktikums lernte ich verschiedene Patientengruppen kennen und habe mit ihnen gearbeitet.
Gerade der Bereich der psychotischen Patienten und die Suchtarbeit hat mich sehr interessiert.
Schon im Verlauf des Praktikums bemerkte ich, dass ich mit einem Patienten eine starke Übertraung/Gegenübertragungs-Problematik hatte, welche ich auch gegenüber meiner Vorgesetzen ansprach.
Leider ließ sich diese nicht lösen. Daraufhin distanzierte ich mich von diesem Patienten, welcher im Verlauf seinerseits ebenfalls auf Distanz ging.
Mit allen anderen Fällen kam ich wunderbar zurecht- hatte eigentlich nie Probleme eine distanzierte und doch tragfähige Arbeitsbeziehung herzustellen und habe bis heute positive Erinnerungen.
Nur mit diesem einen Patienten verbinde ich sehr viel Schmerz. Bis heute denke ich fast täglich an ihn und sein Schicksal und fühle mich bis zu einem gewissen Grad "schuldig", da ich das Gefühl habe ihn massiv durch meine aufgestellte Distanz verletzt zu haben.
Davor habe ich sehr viel im direkten Kontakt mit ihm gearbeitet und hatte das Gefühl, dass er sich langsam immer mehr öffnete. Vermutlich mochte er mich sehr gern, denn er hat mir auch viele Komplimente gemacht und war im Kontakt sehr freundlich und umgänglich (was bei Kollegen oft ein Problem war).
Er kam mir in der Gesamtkonzeption der Therapie sehr verloren vor und wirkte massiv depressiv, bis auf kurze Momente, wo wir miteinander redeten und er plötzlich manchmal richtig strahlte.
Insgesamt befand er sich in einer negativsymptomatischen schizophrenen Psychose (Konmorbität schwere Suchterkrankung und gemischte Persönlichkeitssstörung) und war selten wirklich zugänglich, suchte aber schon den Kontakt. Ich muss gestehen, dass ich ihn auch sehr sympatisch fand und über die professionellen Gefühle hinaus freundschaftliche bis hin zu tieferen Gefühlen für ihn hatte. Diese habe ich nie offen gezeigt und bin auch auf seine Gefühle, die er teilweise zum Ausdruck brachte wenig eingegangen. Im Nachhinein mache ich mir dafür sehr oft Selbstvorwürfe und werde bis heute übertragene Gefühle nicht los, mein Eindruck ist, dass ich als Gegenübertragung eben gerade diese tiefergehenden Gefühle entwickelt habe und nun nicht damit umgehen kann.

Mir wurde immer wieder gesagt, dass mein Verhalten professionell und korrekt war. Doch das Gefühl wird nicht besser...
Gerade weil ich im Bereich Psychiatrie später wieder arbeiten möchte und auch sonst kaum Probleme mit sämtlichen anderen Menschen hatte, belastet mich dies sehr.
Ich habe große Angst vor einer Wiederholung dieses Phänomens und Angst so mein Studium nicht vernünftig zu machen bzw. meinen Beruf nicht vernünftig auszuüben.

Vor kurzem sah ich den Patienten wieder und grüße ihn, er ging sofort aus dem Blickkontakt und tat als sei ich nicht da. Das fand ich sehr schwierig und ich habe nun wirklich Angst ihn als Person schwer getroffen zu haben.

Kann mir jemand im Bezug auf diese Probleme helfen?
Das Thema Supervision bitte nicht vorschlagen- ich hätte liebend gern Supervision bekommen, aber die war leider nicht für Praktikanten zugänglich.
Und nun finde ich niemanden, der mir mit diesen Gefühlen helfen kann...

Grüße,
ein.Gast
 
hallo gast

kannst du in 2 sätzen zusammenfassen, was genau dich belastet und vor allem wie genau deine befürchtungen in hinblick auf weitere professionelle arbeit lauten
 
Ich frage mich, was dieser Patient so sehr in Dir zum Klingen bringt?

Warst/ bist Du in ihn verliebt?

---

Ich denke, für Dein Problem ist das hier auch nicht die richtige Plattform. Hier sind nur sehr wenige Profis. Gibt es nicht eine Austauschmöglichkeit für angehende -ja, was studierst Du eigentlich? Ich weiß von einigen Berufsgruppen, zum Beispiel im Bereich der Sozialpädagogik, Pflege usw., da gibt es entsprechende Foren. Links bei Bedarf.

Du könntest Dir auch ein professionelles Coaching/ Supervision bei einem niedergelassenen Therapeuten holen. Wenn Du jemanden findest, der Dir das im Rahmen der ersten fünf Stunden ermöglicht. Stelle ich mir als realisierbar vor.
 
Ja, ich denke schon, dass ich tiefere Gefühle für ihn hatte- ob es direkt Verliebtheit war, kann ich nicht genau sagen... Ich glaube da habe ich mich innerlich zu sehr zensiert, weil es nicht sein darf.
Ich hätte ihm unglaublich gern da heraus geholfen und mehr mit ihm interagiert.

Meine große Angst ist, dass sowas wieder passieren könnte auf der Arbeit und dass ich durch diese Verliebtheit auch den Gegenüber belaste...
Das Problem, das sich daraus ergibt ist, dass man für diese Gefühle in meinem Berufsfeld schnell verurteilt wird.
Oft habe ich das Gefühl einerseits authentisch sein zu sollen, aber andererseits komplett gefühllos.

Meine Angst ist jetzt, dass mich dieser Mensch innerlich immer verfolgen wird. Meine Unfähigkeit zu helfen war ein sehr belastendes Gefühl, dass ich auch mit nach Hause genommen habe oftmals. Bis heute belastet mich die Situation sehr.
Im Grunde möchte ich nur davon los kommen, da ich seit Jahren eine stabile und glückliche Beziehung führe und meine Arbeit wirklich mag.
Aber ich merke eben, dass ich es nicht schaffe...
 
also, 2 sätze waren das jetzt auch nicht 😉 ich weiss, ist nicht so einfach.

kann ich herauslesen:
ich habe ihm nicht helfen können, ich bin eine schlechte...ja was, psychologin, therapeutin, sozialarbeiterin?

oder

ich habe mich in ihn verliebt und hätte ich diese gefühle zugelassen, dann hätt ich ihm auch helfen können?

oder??? ganz was anderes?? hilf mir, dann kann ich vielleicht was dazu sagen
 
Ich sage nur: Supervision.
Ist nun einmal so, dass man die in den Berufsbereichen ggf. eben selber nehmen und auch selber finanzieren muss.

LG
Landkaffee
 
@c123h: sorry- ich schreibe immer so viel... ich denke es ist beides ein bisschen... einerseits fühle ich mich natürlich in meiner rolle als profi schlecht, weiß aber auch, dass meine arbeit grenzen hat und gerade bei so einem krankheitsbild die grenzen sehr sehr deutlich aufgezeigt werden durch zB rückfälle, dekompensation etc.
andererseits mache ich mir vorwürfe, weil ich eben außerhalb des professionellen handels vielleicht mehr hätte erreichen können, aber aus angst, die distanz dann nicht mehr zu wahren und die stelle zu verlieren, nicht so gehandelt habe...
ich wüsste nicht, wie ich hätte handeln können, wenn ich als "mensch" dort gearbeitet hätte, statt in meiner rolle, die ich soweit gut ausgearbeitet habe und die eigentl. immer gut zwischen nähe und distanz balancierte.
ab dem punkt wo ich meine menschliche seite zeigen würde, würde ich zugestehen müssen wie unsicher und im grunde hilflos ich bin, wie leid es mir für diese person tut, dass ich ihr nicht helfen kann, wie leid es mir tut, dass dieser mensch sich so mit sich selbst quält... ich hätte ihm gern gesagt, dass er trotz dieser massiven krankheit eine sehr liebenswerte person ist und eine unglaubliche ausstrahlung und intelligenz hat.
aber das wäre wie gesagt schwierig, weil ich an dem punkt die distanz, die ja schutz für beide seiten ist, verlassen hätte. bis heute bin ich unsicher ob genau das vielleicht hilfreich gewesen wäre oder nicht.
vor allem dazu habe ich mir antworten erhofft und eben vielleicht hinweise, wie ich aus diesem schuldgefühl rauskomme, weil ich vom kopf her weiß, dass alles korrekt war aber vom herzen her unglaublich drunter leide.

@landkaffee: wie ich schon zu anfang schrieb ist es mit der supervision etwas schwierig. ich sehe es durchaus ähnlich und würde auch notfalls einige stunden nehmen, nur ich erhoffe mir immernoch einen anderen weg zu finden. der zweite faktor der hier hinein spielt ist, das urteil, was man durch den supervisor ebenfalls erhält- ich habe unglaublich angst, dass mich die leute als unprofessionell abstempeln, weil ich mit soetwas nicht umgehen kann.
 
mache ich mir vorwürfe, weil ich eben außerhalb des professionellen handels vielleicht mehr hätte erreichen können,

da liegt der erste hund begraben. außerhalb des professionellen handelns sollst du auch nicht handeln


ich wüsste nicht, wie ich hätte handeln können, wenn ich als "mensch" dort gearbeitet hätte, statt in meiner rolle, die ich soweit gut ausgearbeitet habe und die eigentl. immer gut zwischen nähe und distanz balancierte.

wie jetzt, bist du kein mensch mehr, wenn du arbeitest?


ich hätte ihm gern gesagt, dass er trotz dieser massiven krankheit eine sehr liebenswerte person ist und eine unglaubliche ausstrahlung und intelligenz hat.

das nennt man ressourcen und die dürfen und sollen thematisiert werden


vor allem dazu habe ich mir antworten erhofft und eben vielleicht hinweise, wie ich aus diesem schuldgefühl rauskomme, weil ich vom kopf her weiß, dass alles korrekt war aber vom herzen her unglaublich drunter leide.

ah, schuldgefühl weil "schlecht gearbeitet" und eigentlich "besser wissen müssen" mit dem ergebnis "helfen" zu können

lieber gast, ich sag dir was. du sprichst ja über ein praktikum, das heisst du KANNST noch gar nicht über die erfahrung und die kompetenz verfügen, die es dir erlaubt professionell mit chronisch kranken psychiatrischen klienten/patienten zu arbeiten.
insofern wäre es interessant für dich zu hinterfragen, welchen anspruch du an deine arbeit hast/in diesem fall hattest. es hat bestimmt niemand erwartet, dass du als praktikantin eine therapie mit dem klienten machst, und es ihm dann viel besser geht.
deine aufgabe war es wahrscheinlich eine andere - auch eine persönliche, um zu schauen, bin ich für ein solches umfeld geeignet, etc.

"helfen" ist ein anspruch, der dem job nicht gerecht wird!!!

nähe und distanz ist etwas, was du in der arbeit lernst. du wirst auch weiterhin "fehler" machen, weil du es einfach mit menschen zu tun hast - insofern sind es keine fehler, sondern erfahrungen.

und was du dir überlegen solltest - und das ist jetzt ganz wichtig - wenn du eine supervision scheust, weil du schiss vor der aufdeckung deiner fehler und einer beurteilung deiner qualität hast, dann könnte das folgen für die arbeit haben.

supervision ist dafür DA, dinge zu besprechen die nicht gut laufen - es ist keine prüfung, wo du erzählst, wie super du bist, sondern wo du genau dort hin schaust, wo´s hapert. wie willst du sonst besser werden.

kein mensch ist jemals von der uni gekommen und war perfekt und fehlerlos in der arbeit. (schon gar nicht, wenn er noch gar nicht fertig studiert hat)

was das verlieben betrifft: ich denke du "darfst" das, aber - dann "darfst" du nicht mehr mit dem betreffenden klienten arbeiten, weil du dann deine professionelle brille durch die rosarote ersetzt und eigene interessen verfolgst. - wenn dir das öfter passiert - wenn du also eine neigung dazu hast, dich in klienten zu verlieben, dann schau in einer selbsterfahrung, therapie bitte ganz genau da hin.

klienten brauchen keine freunde (naja, wahrscheinlich schon - aber nicht in person des therapeuten, psychologen) sie brauchen professionelle arbeit - und mit dieser macht man sich eben NICHT immer beliebt.
 
@lonleymoon: das tut mir sehr leid was dir passiert ist!!! ich danke dir ganz herzlich, dass du das hier sagt, weil das eben genau der faktor ist, wo ich so verunsichert war...
ob eben eine helfende beziehung auch ins gegenteil schlägt und die krankheit durch den entstehenden rollenkonflikt vielleicht verschlimmert... ich hoffe, du hast diese sache nur einmal erleben müssen und hast dabei keinen zu schlimmen schaden genommen?
ich muss sagen ich danke dir aber wirklich von ganzem herzen für deinen mut das hier zu schreiben, weil mir genau das eben ungemein hilft gerade.


ich muss sagen ich habe heute wieder in einer selbsterfahrungsübung in einem seminar gemerkt, dass mein persönliches gefühl deutlich schneller an seine grenzen geht als das professionelle handeln... das ist auch gleichzeitig die antwort auf c123h frage: ich abstahiere deutlich mehr und sehe die sachen auf einer anderen ebene, wenn ich professionell arbeite- da blende ich auch unpassende, nicht förderliche gefühle aus und ruhe komplett in mir, weil es nur gegen/für/um mich im professionellen geht...

im grunde ist es ein interner konflikt in mir, weil ich manchmal dinge in der rolle eines therapeutisch arbeitenden mache, die vielleicht zwischenmenschlich für mich nicht korrekt sind.
diese ambivalenz fühlt sich sehr schlimm an.
ziehe ich diese klare linie nicht: wie in diesem fall- geht es als person an mich heran... es berührt mich und führt eben durchaus zu sehr starken gefühlen.
ich muss dir grad ganz arg für deine aussage danken! ich habe oft enorm hohe ansprüche an mich selbst und gestehe mir das nicht ein, auch mal schwach zu sein und fehler zu machen...
jeder arbeitgeber findet das natürlich super, denn genau solche leute, die unglaublich viel und hart arbeiten will man ja haben...
das mit der supervision ist eben eine persönliche angst, weil viele viele therapeuten in der gegend auch lehrtherapeuten an der uni sind- daher ist es auch immer ein rollenkonflikt sich zur klärung dort hilfe zu suchen...

was das verlieben betrifft: ich denke du "darfst" das, aber - dann "darfst" du nicht mehr mit dem betreffenden klienten arbeiten, weil du dann deine professionelle brille durch die rosarote ersetzt und eigene interessen verfolgst. - wenn dir das öfter passiert - wenn du also eine neigung dazu hast, dich in klienten zu verlieben, dann schau in einer selbsterfahrung, therapie bitte ganz genau da hin.

klienten brauchen keine freunde (naja, wahrscheinlich schon - aber nicht in person des therapeuten, psychologen) sie brauchen professionelle arbeit - und mit dieser macht man sich eben NICHT immer beliebt.

das werd ich mir auf jeden fall ganz stark annehmen und im gedächtnis behalten! danke!
es war bis jetzt zum glück nur dieser eine fall, aber die angst davor, dass es nochmal passiert ist eben sehr massiv... gerade weils auch ein phänomen ist, dass in der psychoanalye eine große rolle spiel.
ich hoffe sehr, dass dieser mensch, der einzige fall war... trotzdem bin ich sehr traurig, dass ich ihm nicht helfen konnte. :/

DANKE an alle!
 

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