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Seltsame Beziehung zu meinen Eltern

BennyPenny

Neues Mitglied
Ich (22m, leichtes Asperger) bin im 5. Semester meines Geographiestudiums, das gleichzeitig mein Auslandssemester ist. Schon vor dem Ausland war ich oft länger weg, sodass ich nur etwa alle zwei Monate mal nach Hause gefahren bin.

Seit meinem Auszug hat sich die Beziehung zu meinen Eltern stark verändert – nicht positiv. Sie scheinen nicht zu wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Es gab eine Phase, in der ich mindestens zweimal täglich angerufen wurde. Mittlerweile hat das aufgehört, was ich als Fortschritt werte. Wenn ich nicht dranging oder mein Handy leer war, wurde sogar mein Mitbewohner kontaktiert, was ihn gestört hat. Außerdem haben meine Eltern wieder angefangen, die Handyortung zu nutzen, und mich daraufhin darauf angesprochen, wo ich bin und warum ich nicht oft an der Uni sei. Es gab auch Situationen, in denen sie fast die Polizei rufen wollten – zum Beispiel, als mein Handy im Supermarkt ausging und sie dachten, ich würde dort über Nacht bleiben. Oder auch, als ich mit der Uni auf Exkursion war, und ich in den Bergen (wo ich eh kein Netz hatte), mein Handy nicht mehr geladen habe.

Vor einigen Monaten habe ich ihnen gesagt, dass ich sie manchmal anlüge, um die Stimmung zu beruhigen. Das hat die Situation eher eskalieren lassen. Sie sagten, sie fühlten sich dadurch sehr unwohl, weil sie bislang gedacht hatten, dass ich immer ehrlich zu ihnen war (was nicht stimmte). Daraufhin begannen sie, mich absichtlich anzulügen, um mich wütend zu machen. Zum Beispiel erzählten sie mir letztes Frühjahr, sie hätten sich einen SUV gekauft – wohl wissend, dass ich protzige Autos und hohe Emissionen ablehne. Diese Lüge hielten sie zwei Wochen aufrecht, bis meine Oma einschritt und ihnen sagte, dass das nicht in Ordnung sei.

Ein weiteres Problem war eine Summer School, die ich letztes Jahr in Vietnam besucht habe. Ich wollte nach der offiziellen Veranstaltung noch eine kleine Reise mit einigen der dort Mitreisenden planen, was meine Eltern nicht mochten. Nach langen Gesprächen und teilweise unter Tränen konnte ich mich durchsetzen, vor allem, weil ich ihnen die Nummer einer Mitreisenden gegeben hatte, um sie zu beruhigen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass das Vertrauensverhältnis dadurch nachhaltig beschädigt wurde.

Vielleicht liegt es an meinem Asperger, aber ich verstehe meine Eltern und ihr Verhalten immer weniger. Früher habe ich sie wie eine Art Götter wahrgenommen, deren Befehle ich immer befolgen musste. Ich hatte keine klassische emotionale Pubertät und habe mich nie mit Freunden getroffen. Lange Zeit hatte ich überhaupt keine sozialen Kontakte Und aktuell schaut’s auch nicht gerade so rosig aus.

Mittlerweile fühle ich mich zu Hause extrem unwohl und versuche, möglichst selten dort zu sein. Die Vorstellung, nach dem Studium wieder dort einziehen zu müssen, macht mir jetzt schon Angst.

Ich erwarte mir hier einen konstruktiven Austausch :)
 

Blumenwiese

Aktives Mitglied
Hallo und erstmal herzlich willkommen im Forum 🌸

Ich habe einige Jahre in einer Stelle für die Entlastung der Angehörigen von Autisten ehrenamtlich gearbeitet - also Zeit und Unternehmungen mit Autisten gemacht, damit Angehörige Termine wahrnehmen können usw.

Meine Erfahrung ist, dass Eltern autistischer Kinder oft an ihre Grenzen gekommen sind. Sie mussten sehr häufig viel Aufwand betreiben, um dem Kind das zu ermöglichen, was es braucht - sei es die passende Schule, passende Hilfe oder passendes Material.
Dadurch haben viele Eltern verlernt, sich um sich selbst zu kümmern. Die Eltern sind permanent in Sorge. Sie haben oft die Meltdowns mitbekommen, begleitet, zusammen mit ihrem Kind durchgestanden. Haben oft die Verzweiflung des Kindes ausgehalten, wenn das Kind Konflikte hatte oder in einer Gruppe einfach nicht ankommt. Ihr Lebensinhalt ist so viele Jahre das Wohlergehen des Kindes und das Kämpfen um die passenden Lebensumstände für das Kind, dass sie oft überfordert sind damit, wenn das Kind dann auszieht oder weg ist.

Bitte verstehe das nicht als Abwertung Deiner Person. Es ist eine Erklärung der Dynamik, die oft entsteht.

Ich könnte mir vorstellen, dass Deine Eltern ebenfalls voller Sorge und Angst sind und noch Schwierigkeiten dabei haben, Dir das Vertrauen entgegenzubringen, das Du eigentlich erwarten darfst und kannst. Sie können nicht eingreifen, wenn Du weit weg bist und Hilfe brauchst und haben sicher Sorge, dass Du Dir nicht helfen kannst, wenn was doll schiefgeht. Und weil das Augenmerk immer bei Dir, und nicht bei ihnen, lag, können sie das so gar nicht reflektieren.

Deine Gefühle verstehe ich gut. Ich würde auch nicht gerne zurückziehen wollen unter den Umständen und finde das auch grenzüberschreitend, was Deine Eltern da so machen.

Vielleicht kannst Du Dir Tipps aus einer Beratungsstelle holen, zu der dann auch Deine Eltern mal mitkommen. Eine Art Mediator, der hinter Deinen Fähigkeiten steht.
 

Daoga

Urgestein
Liest sich so als wären Deine Eltern nicht ausgelastet, wenn sie Dir ständig im Nacken hocken wollen und Dich als Eigentum betrachten. Leeres-Nest-Syndrom vielleicht, sind sie noch berufstätig? Klingt jedenfalls nicht danach. Aber es zwingt Dich niemand dorthin zurückzukehren, versuch noch in der letzten Zeit des Studiums gleich, Dir sofort anschließend einen Arbeitsplatz zu besorgen samt Unterkunft, die kann zuerst mal bescheiden sein, wenn Du mehr verdienst kannst Du was besseres suchen.
Es liegt nicht an Deinem Asperger, daß Du Deine Eltern immer weniger verstehst, sondern Du wächst einfach, bist erwachsen geworden dank Deiner vielen Erfahrungen woanders, bist bereit Dich abzunabeln wie es auch andere junge Leute tun, es sind Deine Eltern die mit Deiner Veränderung nicht mehr klarkommen.
 

Uwe

Aktives Mitglied
Oh, unsere beiden Söhne haben lange bei uns mit gewohnt, beide Seiten kamen damit klar, nun haben aber beide ihre eigenen Reiche, Wohnungen, sind zufrieden und wir auch. Es war manchmal nicht so einfach, auch mit dem zunehmenden Alter beider Söhne. Aber es ist eben überall verschieden. Du kannst dir doch eine eigene Bleibe suchen, wenn du es nur noch schwer bei deinen Eltern aushälst, vielleicht kannst du auch in eine WG mit ziehen, als Start ins eigene Leben. Hast du einen Job nach dem Studium, vielleicht in einem anderen Ort, entfernt von deinen Eltern? Natürlich hängen die meisten Eltern mehr oder weniger an ihren Kindern, das Abnabeln ist da oft schwer, auch für uns war es plötzlich anders, wo der eine und dann der andere eigene Wohnungen hatten. Aber sie wohnen gerne dicht bei uns, einer sogar mit auf demselben Flur, Nachbarwohnung. Aber wir haben das hinbekommen, das Trennen und sich dann doch helfen, wenn es nötig ist.
 

BennyPenny

Neues Mitglied
Liest sich so als wären Deine Eltern nicht ausgelastet, wenn sie Dir ständig im Nacken hocken wollen und Dich als Eigentum betrachten. Leeres-Nest-Syndrom vielleicht, sind sie noch berufstätig? Klingt jedenfalls nicht danach. Aber es zwingt Dich niemand dorthin zurückzukehren [...].
Doch, sie sind berufstätig (Mutter zwar nur 20h/Woche). Beide gehen vorausichtlich 2027 in den Ruhestand. Wenn alles bei mir in Regelstudienzeit klappt, bin ich dann auch fertig.

Ja doch, sie „zwingen“ mich irgendwie schon nach Hause zurückzukehren. Vater meinte kürzlich, ich würde ja unbedingt ein Auto benötigen, wenn ich fertig bin mit dem Studium (wir leben auf dem Land). Das bewerte ich als Aufforderung, dahin zurückzukehren. Anderes Argument: „Komm zurück, dann kannst du noch sparen, um dir anschließend Eigentum zu kaufen. Dann musst du nicht mehr unter Mieten leiden.“
 

unschubladisierbar

Sehr aktives Mitglied
Sie machen sich Sorgen.
Ihnen zu sagen das du sie anlügst, ist nicht gerade förderlich.
Vielleicht würde es helfen, wenn du dich von dir aus bei deinen Eltern meldest und nicht wartest bis sie sich melden....um dich dann evtl. nicht zu erreichen.

Und ich würde mir ein neues Handy holen, dann können sie dich nicht orten.
 

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