Und die ganze Zeit schwirrte dieses diffuse, glückverheißende Ziel Universität in der Ferne: ältere Bekannte hört man vom dortigen Alltag schwärmen, Verwandte schwelgen in Erinnerungen an ihr geniales Studentenleben - die schönste Zeit, die sie überhaupt hatten. Ein Ort, wo scheinbar alles in Erfüllung geht: Freundschaften, die ein Leben lang halten, die erste richtig gute Beziehung, die legendärsten Parties, zwangloses Zusammenleben in WG oder Studentenheim (Sex, Sex, Sex), ein Fach in dem man vollkommen aufgeht, freies Verfolgen seiner intellektuellen Interessen,... - Studieren eben.
Ich zeichne ein ziemlich überspitztes Bild, ich weiß. Ganz so blauäugig war ich dann doch nicht, aber hohe Erwartungen waren schon da.
Nach dem Abitur stand allerdings erstmal Zivi an, ich war eigentlich drauf und dran, komplett zu verweigern und eben eine Bewährungsstrafe auf mich zu nehmen um mir das eine Lebensjahr nicht rauben zu lassen - meine Eltern haben mich letztendlich (leider) doch abbringen können (kleine Anmerkung: esst niemals in Jugendherbergen - wenn ihr um die hygienischen Zustände dort wüsstet...).
Ein Jahr später in die Großstadt um Physik (dafür war ich Feuer und Flamme) zu studieren: hat sich eigentlich nach wenigen Wochen als Horror entpuppt.
Überfüllte Hörsäle, Tutorien, die von Anfang an nur auf Englisch gehalten wurden. Kalter, unpersönlicher Massenbetrieb ("Schauen Sie nach links, schauen Sie nach rechts - nur einer von Dreien wird dieses Studium packen."). Die Kommilitonen mit denen ich mich verstand, schmissen alle über kurz und lang das Handtuch und der Kontakt brach ab. In den Vorlesungen habe ich Minderwertigkeitskomplexe entwickelt, da quasi jeder die Brocken in theoretischer Physik auf Anhieb verstand, während ich....
Naja, ein Semester durchgehalten, dann Abbruch. Ein halbes Jahr jobben, danach Uni-Wechsel und Ingenieursstudiengang (wie die meisten gescheiterten Physiker). Und hier war es eigentlich noch schlimmer: noch größere Massenvorlesungen, die ganze Fakultät zusammen im Audimax. Ich glaube ich habe nie neben dem gleichen gesessen, Leute aus meinem speziellen Studiengang habe ich in der Horde bisher überhaupt noch nicht getroffen. Der Stoff ist leichter, dafür uninteressanter - mitgekommen bin ich trotzdem nicht, weil ich nur noch schlecht schlafe und mich nicht mehr konzentrieren kann. Die Betreuung ist mies: ein Tutor auf ca. 25 Studenten. Es hängt ein beklemmendes, demotivierendes Klima in der Luft, das mich einfach nur fertig macht. Irgendwann konnte ich nicht mehr zur Uni gehen, ich bin morgens schlicht nicht mehr aus dem Bett gekommen. Wenn ich an diesen wuseligen, unübersichtlichen, strukturlosen Ort denken, bekomme ich beim Schreiben schon wieder Angstzustände. Ich bin jetzt frisch im 4. Semester - und weiß nicht was ich machen soll. Ich werde wieder jobben, danach: keine Ahnung. Ich habe eigentlich überhaupt keine Träume mehr, keinen Plan, keine Interessen, ist alles abgestorben, in meinem Kopf ist nur stumpfe, bleierne Leere. Ich packe es nicht mehr die Post zu öffnen, meide soziale Kontakte, weil mir mein Werdegang einfach unglaublich peinlich ist. Bekannte sind wenn dann auch immer ratlos: "Was du? Mit deinem Abischnitt von 1,1 und Nominierung für die Studienstiftung des deutschen Volkes, erfolgreicher Teilnehmer an Mathe- und Physikolympiaden?" So in etwa.
Meine Eltern vergehen vor Sorge, normalerweise war immer mein Bruder für Ärger und Probleme zuständig.
Tja und dann sehe ich in Studenten-Magazinen wieder lauter glücklich Menschen, diese ganze Uni-Glorifizierungs-Propaganda gibt mir den Rest, ich will einfach nur noch schlafen, Was mache ich eigentlich falsch? Jeder x-beliebige Mensch scheint Akkus zu besitzen, die ihn autark durch Phasen exzessiver Enttäuschung gehen lassen, meine sind, wenn überhaupt vorhanden, erschöpft.
Jetzt mal losgelöst von Studium & co.: Was kann ich tun? Irgendwie muss es doch etwas geben, dass mir Erfüllung (und zukünftigen Brotverdienst) geben kann. Wann beginnt das tolle Leben eigentlich?
Hi du,
ich bin BWL-Studentin im 10. Semester.
Ich muss sagen, die Erfahrungen die du so gemacht hast, sind wirklich nicht außergewöhnlich. Eher so dass, was die (staatliche) Uni ausmacht.
Ich weiß nicht, ich komme schon von einem Gymnasium, in dem solche Sprüche gerissen wurden wie "das schaffen eh nur ein Viertel von euch"., von daher war ichs vbielleicht eher gewohnt und konnte besser damit umgehen.
Dass das Betreuungsverhältnis an staatl. Universitäten nicht grad gut ist, das ist kein Geheimnis...wenn du sehr viel Wert auf so etwas legst dun es dir leisten kannst, wäre evtl die Alternative Privatuni etwas für dich. Abgesehen davon, gibt es auch staatlichere kleine Unis und FHs. Eine Freundin von mir studiert zB in Eichstätt. Das ist zwar mitten in der Pampa, dafür soll das Betreuungsverhältnis grandios sein
Was die Tutorien angeht, die nur auf Englisch gehalten wurden, verstehe nicht nicht ganz wo dein Problem liegt?
Was nun die Märchen angeht, die dir so erzählt wurden übers Studieren, da muss ich erstmal sagen, dass ich inzwischen denke, dass man den Leuten so ca. 50% von dem glauben darf, was sie so erzählen( größtenteils). Klar hat das Studentenleben seine Vorteile, aber es hat weiß Gott nicht nut Vorteile. Man kann sich seine Zeit freier einteilen, unter der Woche weggehen, erweckt den Eindruck, viel Freizeit zu haben....und andererseits arbeitet man oft mehr als so mancher in seiner 40-Stunden-Woche. (Und das ist bei uns auch nicht anders, ich BIN Diplom-Studentn!!)
Zu den Punkten, die du genannt hast:
- Freundschaften - KANN , muss aber nicht passieren, v.a. muss man selbst auch aktiv was dafür tun !! Ich hab mich in meinem ersten Semester einfach immer neben irgend jemanden gesetzt, und drauflosgeredet. Mit manchen hab ich het noch Kontakt, mit vielen aber auch nicht mehr.
Wg oder Wohnheim - was hält dich davon ab? V.a. Wohnheim ist eine Option, die man gut mal auf Zeit ausprobieren kann, da sind ja normalerweise Möbel schon drin.
Ob der Sex damit auctomatisch kommt, das wage ich zu bezweifeln..wer bis dato keiner war, wird nicht autmatisch zum Womanize werden.
Die erste richtig gute Beziehung- same, kann passieren, aber nicht zwangsläufig!
Auch dafür muss man was tun!
ein Fach in dem man vollkommen aufgeht- pah, pure Illusion!
Freie Verflogung intelektueller Interessen- nee, verfolgung guter Noten und vieler Scheine
Ich habe bei dir das Gefühl, du lässt mehr so alles auf dich zukommen (soz Kontakte) und hoffst, das wrd schon. Liege ich richtig?
LG Anna