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Verzeihen können

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ich verzeihe niemandem , weil sich bei mir auch niemand je entschuldigt hat.



Warum? Vergeben - ver - geben = abgeben - macht innerlich frei von Altlasten.
Und dient in erster Linie einem selbst und daraus resultierend dann vielleicht auch dem Gegenüber, dem man zumindest sachlich wieder zu begegnen vermag.
 
Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber ich komme nur recht selten in Situationen, in denen ich jemandem überhaupt böse sein muss. Vielleicht liegt es auch daran, dass meine Neigung zum "böse sein" recht gering ist.

Falls es doch mal vorkommt, dann hat mein Ärger meistens ein eingebautes Verfallsdatum. Wenn sich dann kein neues Problem ergibt, dann kommt fast automatisch ein Verzeihen meinerseits. Eigentlich kann ich niemandem lange etwas übel nehmen - schon deshalb, weil ich das "übel nehmen" ziemlich anstrengend finde. Das Verzeihen hilft auch mir, da es mir ermöglicht, mich rasch wieder zu entspannen und zu beruhigen.

Das heißt jetzt nicht, dass ich mit allen Leuten klar komme. Aber in der Regel versuche ich schwierigen Menschen einfach aus dem Weg zu gehen (soweit möglich). Böse bin ich ihnen aber trotzdem nicht.
 
Bei mir kommt noch ein Problem in meiner Herkunftsfamilie hinzu (dazu hatte ich einen eigenen Thread eröffnet, als ich mich vor einem Jahr hier anmeldete; deshalb will ich die Details nicht wiederholen). Es ist ein Problem, das selbst mit ärztlicher und behördlicher Hilfe nicht lösbar war und es wahrscheinlich selbst mit gerichtlicher Inanspruchnahme nicht sein wird. Ich habe über fast 10 Jahre vergeblich alles versucht, was ich konnte.

Ich hatte deinen Einstiegsthread seinerzeit gar nicht mitbekommen, aber habe gerade zumindest deinen ersten, ausführlichen Text gelesen. Du hast wirklich ganz schön was hinter dir und ich kann nachvollziehen, dass dir das Ganze auch heute sicher noch zu schaffen macht und dich bewegt. Was du durchgemacht hast, kostet sehr viel Kraft und hat tief in dir sicher für anhaltende Enttäuschung gesorgt.

Manchmal komme ich mit dieser Diskrepanz nicht klar: Im Beruf komme ich mit ratsuchenden Menschen meist gut zurecht, mir wird eine überdurchschnittliche soziale Kompetenz zugesprochen, aber in meiner Herkunftsfamilie komme ich bis heute nicht einen Schritt weiter. Im Gegenteil: Es ist im Laufe der Jahre immer schlimmer geworden.

Zum einen ist es, so denke ich, immer einfacher, anderen Menschen einen Tipp oder einen Ratschlag zu geben, den der andere dann eben für sich in die Tat umsetzen muss. Ob er es tut und wie, darauf hat man selbst ja keinen weiteren Einfluß mehr. Man ist "nur" ein Unbeteiligter.

Hat man aber selbst zu kämpfen und schlägt sich mit etwas herum, sind die eigenen Emotionen daran beteiligt und das macht die Sache wesentlich schwieriger, als wenn ich, wie gesagt, als emotional unbeteiligter, nur etwas dazu sage. Die eigenen Emotionen verwickeln einen tief in die Angelegenheit, sie können ängstigen, uns blockieren und uns unsere Handlungen in Frage stellen lassen. Man fragt sich, ob man das Richtige getan hat -> "Selbstzweifel", wie du auch geschrieben hast:

Als ich die Selbstzweifel, die dies zeitweise in mir auslöst, mal gegenüber einer Cousine äußerte, bekam ich zu hören, das hätte man öfter bei beruflich erfolgreichen Frauen, dass sie im Privatleben scheitern würden. Die Jugendrichterin Kirsten Heisig (bundesweit bekannt geworden durch ihr Buch "Das Ende der Geduld") hätte ja auch nach ihrer Scheidung Selbstmord begangen, weil sie ihre Ehe und ihr Familienleben nicht "hingekriegt" hätte. 🙄

Ja, ich hatte das auch mitbekommen. Es mag nicht selten so sein, dass Menschen ihren Erfolg auf einer bestimmten Linie (hier: Beruf) dann auch auf alle sämtlichen Linien "forden" und es ihnen schwer oder leider unmöglich ist, zu akzeptieren, dass man Erfolg leider vielleicht nicht unbedingt auf allen Spielwiesen des Lebens haben kann.

Diesen Satz von dir hab ich aus deinem alten Thread herauskopiert, weil er für dich vielleicht ein Schlüsselsatz sein kann:

Dennoch komme ich nicht darüber hinweg, dass meine Mutter nach allem, was auch ich für sie getan habe, mich unter dem Einfluss meiner Schwester so fallen lässt und mir nichts mehr glaubt (ich habe letztlich ihretwegen auf so manches verzichten müssen - dass ich z.B. keine eigene Familie habe, hat zumindest teilweise auch mit der jahrzehntelangen Rücksichtnahme auf meine chronisch kranke Mutter zu tun).

Vielleicht erwürgst du mich jetzt aber...ich versuch mal folgendes:

Als du dich intensiv um deine Mutter gekümmert hast, hast du es doch einzig und ausschließlich für sie getan - und nicht, weil du eine Gegenleistung oder Wertschätzung erwartet hast, oder? Worauf ich hinaus will, ist, dass das eine (deine intensive Hilfe) mit dem anderen (deine Enttäuschung) nicht unbedingt etwas zu tun haben muss.

Vielleicht haben deine Enttäuschung und deine Frage, ob du verzeihen kannst, auch eine etwas andere Basis. Könnte es sein dass du auch ein klein wenig sauer auf dich selbst bist, weil letztendlich deine Schwester als "Siegerin" aus diesem "Machtkampf" hervorging und sie dir deine Mutter quasi "gestohlen" hat?

Wenn dem so wäre...wäre es möglich, dass du das "Verzeihen" erst mal in dir selbst suchst und erreichst, für dich alleine, denn du bist dir ja bewusst, dass du dein Bestes gegeben hast. Und da deine Schwester einen engeren und intensiveren Kontakt und damit auch mehr Einfluss auf deine Mutter hatte, hattest du eben leider die schlechteren Karten. Die Heimleiterin sprach ja clevererweise von einer "symbiotischen Bindung".

Das ist auch ein klein wenig, was ich hier mal schrieb: "...zur falschen Zeit am falschen Ort", denn wäre es dir all die Jahre zuvor möglich gewesen, näher bei ihr zu sein, hätte es zuvor andere Umstände und Gegebenheiten gegeben, hättest du auch entsprechend mehr Einfluss auf deine Mutter und die ganze Entwicklung gehabt und es hätte sich vielleicht völlig anders entwickelt.

Aber es kam so, wie es kam und manchmal muss man auch die schmerzhafteste Geschichte einfach schlucken und akzeptieren.

Hoffe du bekomst meine Deutung nicht in den falschen Hals oder so. 😱
 
Ich hatte deinen Einstiegsthread seinerzeit gar nicht mitbekommen, aber habe gerade zumindest deinen ersten, ausführlichen Text gelesen. Du hast wirklich ganz schön was hinter dir und ich kann nachvollziehen, dass dir das Ganze auch heute sicher noch zu schaffen macht und dich bewegt. Was du durchgemacht hast, kostet sehr viel Kraft und hat tief in dir sicher für anhaltende Enttäuschung gesorgt.
Ja, das ist so. Es macht mir auch heute noch zu schaffen. Die Sache ist auch noch nicht ausgestanden. Es hat letzten Sommer sogar zwei Polizeieinsätze gegeben, weil meine Mutter bei Streitigkeiten mit meiner Schwester um Hilfe gerufen hatte. Und ich habe schließlich auf Anraten sämtlicher Behörden bei Gericht angeregt, meiner Mutter einen gesetzlichen Betreuer zu bestellen. Das Verfahren läuft jetzt seit fünf Monaten und ist noch nicht entschieden. Wahrscheinlich wird aber nichts dabei herauskommen, weil meine Mutter das Verhalten meiner Schwester immer, wenn's zum Schwure kommt, beschönigt. Und meine Schwester ist trotz ihrer vermutlich schweren psychischen Erkrankung intelligent und konnte sich schon immer meisterhaft verstellen.

Neben der Tatsache, dass ein Kontakt nicht bzw. nur zu unzumutbaren Konditionen möglich wäre, lebe ich auch in ständiger latenter Angst, dass meiner Mutter aufgrund eines Ausrasters meiner Schwester oder aufgrund der suboptimalen Pflege doch mal was passieren könnte.

Irgendwie fühle ich mich psychisch auch chronisch ausgepowert. Früher hatte ich mehr Energie. Das Schlimmste ist, dass man dadurch nicht mehr wirklich unbeschwert sein kann. Selbst wenn man es versucht, kommt es nicht authentisch rüber. Ist man aber zu ernst und beschäftigt sich zur Ablenkung zu sehr mit anspruchsvolleren oder "intellektuelleren" Themen, wie ich es tue, nervt es auf Dauer jeden und man wird abgelehnt. Als potentielle Partnerin kommt man so erst recht für niemanden infrage. So wird man doppelt bestraft.

Mittlerweile wünsche ich mir einfach nur noch, es würde mir nicht so viel ausmachen, dass mein Leben so ist, wie es ist. Richtige Hoffnung auf eine Wendung zum Besseren habe ich nicht mehr.

Zum einen ist es, so denke ich, immer einfacher, anderen Menschen einen Tipp oder einen Ratschlag zu geben, den der andere dann eben für sich in die Tat umsetzen muss. Ob er es tut und wie, darauf hat man selbst ja keinen weiteren Einfluß mehr. Man ist "nur" ein Unbeteiligter.

Hat man aber selbst zu kämpfen und schlägt sich mit etwas herum, sind die eigenen Emotionen daran beteiligt und das macht die Sache wesentlich schwieriger, als wenn ich, wie gesagt, als emotional unbeteiligter, nur etwas dazu sage. Die eigenen Emotionen verwickeln einen tief in die Angelegenheit, sie können ängstigen, uns blockieren und uns unsere Handlungen in Frage stellen lassen. Man fragt sich, ob man das Richtige getan hat -> "Selbstzweifel", wie du auch geschrieben hast:
Ja, ähnlich haben sich die meisten vernünftigen Menschen auch mir gegenüber zu diesen Selbstzweifeln geäußert. Nicht aber meine besagte Cousine. Die meint wahrscheinlich, mein EQ läge bei 0.

Ja, ich hatte das auch mitbekommen. Es mag nicht selten so sein, dass Menschen ihren Erfolg auf einer bestimmten Linie (hier: Beruf) dann auch auf alle sämtlichen Linien "forden" und es ihnen schwer oder leider unmöglich ist, zu akzeptieren, dass man Erfolg leider vielleicht nicht unbedingt auf allen Spielwiesen des Lebens haben kann.
Ich weiß noch nicht mal, ob das für mich so schwer zu akzeptieren ist. Ich finde es einfach nur traurig. Aber dennoch finde ich es unverschämt von meiner Cousine, mich quasi als Versagerin im Privatleben darzustellen. Sie hat einfach nur mehr Glück und günstigere Rahmenbedingungen gehabt als ich. Ich glaube, mit meiner Situation käme sie noch viel schlechter zurecht als ich. Wer weiß, ob sie z.B. bei der Arbeit überhaupt noch klarkäme mit solchen Sorgen im Hintergrund und so wenig Positivem als Ausgleich.

Ich habe wirklich über Jahre in Sachen meiner Mutter und Schwester alles Menschenmögliche getan; das ist mir auch von einer Familienberatungsstelle so bestätigt worden, wo ich mich letztes Jahr nach den überwiegend ablehnenden und aggressiven Reaktionen hier im Forum habe beraten lassen. Dann noch als Außenstehender so zu tun, als ob es immer noch nicht genug bzw. nicht gut genug wäre, finde ich einfach nur unverschämt. :mad: Manche Leute wissen offenbar vor lauter Wohlsein nicht, was sie mit ihren Mitmenschen anstellen sollen, außer ihnen blöde Bemerkungen mitzugeben. Damit meine ich natürlich nicht dich!

Als du dich intensiv um deine Mutter gekümmert hast, hast du es doch einzig und ausschließlich für sie getan - und nicht, weil du eine Gegenleistung oder Wertschätzung erwartet hast, oder? Worauf ich hinaus will, ist, dass das eine (deine intensive Hilfe) mit dem anderen (deine Enttäuschung) nicht unbedingt etwas zu tun haben muss.

Vielleicht haben deine Enttäuschung und deine Frage, ob du verzeihen kannst, auch eine etwas andere Basis. Könnte es sein dass du auch ein klein wenig sauer auf dich selbst bist, weil letztendlich deine Schwester als "Siegerin" aus diesem "Machtkampf" hervorging und sie dir deine Mutter quasi "gestohlen" hat?

Wenn dem so wäre...wäre es möglich, dass du das "Verzeihen" erst mal in dir selbst suchst und erreichst, für dich alleine, denn du bist dir ja bewusst, dass du dein Bestes gegeben hast. Und da deine Schwester einen engeren und intensiveren Kontakt und damit auch mehr Einfluss auf deine Mutter hatte, hattest du eben leider die schlechteren Karten. Die Heimleiterin sprach ja clevererweise von einer "symbiotischen Bindung".
Die Haupttriebfeder, dass ich mich früher intensiver um meine Mutter gekümmert habe, war kein Machtkampf mit meiner Schwester, sondern schlichtweg Angst. Meine Mutter ist chronisch krank, seit ich acht bin (Diabetes Typ 1, bei ihr besonders schwer einstellbar mit häufigen Stoffwechselentgleisungen; später kam noch eine Herzerkrankung hinzu). Ihre Eltern sind gestorben, als sie noch ziemlich klein war; mit knapp zwölf war sie Vollwaise. Das wurde meiner Schwester und mir von kleinauf immer wieder erzählt. Ich hatte immer Angst, dass meine Mutter auch früh sterben könnte. Unbewusst hat sie diese Ängste wohl auch geschürt, um ihre Kinder an sich zu binden. Sie passte nicht richtig auf ihren Blutzuckerspiegel auf, merkte z.B. oft nicht, wenn sie unterzuckert war und Traubenzucker nehmen musste; man hatte immer das Gefühl (auch schon als Kind), man selber müsse mit auf sie aufpassen.

Wir sind auch unter Druck gesetzt worden, dass man sie nicht aufregen dürfe. Ich habe es daher nicht gewagt, groß Widerworte zu geben. Ich war immer viel zu brav. Ich hatte eigentlich keine Pubertät. Andere verachten einen dafür, dass man nie mal Mist gebaut oder was Ausgeflipptes gemacht hat. Aber die hatten auch gesunde, rüstige Eltern und standen nicht so unter Druck, pflegeleicht zu sein.

Natürlich habe ich später durchschaut, was das für Mechanismen waren. Eine Form von emotionalem Missbrauch. Aber da war es zu spät. Zwar habe ich sehr an mir gearbeitet und bin heute nicht mehr so extrem schüchtern wie als Kind und noch als Jugendliche/junge Frau, wenngleich ich nie eine vorpreschende Selbstdarstellerin sein werde. Aber gewisse Erfahrungen, ein gewisses Lebensgefühl kann man nie mehr nachholen. 🙁 Verantwortung für andere zu übernehmen, mich in andere einzufühlen, mich um andere zu kümmern und zu sorgen, das habe ich prima gelernt. Aber ich denke, andere wissen das nicht zu schätzen und wissen mit mir auf Dauer nichts anzufangen, weil ich zu wenig wirke wie jemand, mit dem man Spaß haben kann.

Vielleicht habe ich tatsächlich eine gewisse Wertschätzung und Anerkennung von meiner Mutter erwartet. Und wenn schon nicht das, dann zumindest nicht auch noch diese völlig grundlose Feindseligkeit, dieses Fallen-Gelassen- und Ignoriert-Werden und dass sie sich von meiner Schwester so unter Druck setzen lässt, dass sie im Zweifel sogar den Kontaktverlust zu mir in Kauf nimmt.

Ich weiß noch, wie vor einem Jahr ein mitfühlender Pfleger nach dem vorzeitigen Abbruch der Kurzzeitpflege durch meine Mutter zu mir sagte: "Jetzt haben Sie wochenlang alles gemacht und organisiert, sind bei Wind und Wetter, so oft Sie konnten, über eine Stunde mit dem Auto hin- und wieder zurück gefahren, um Ihre Mutter zu besuchen, und jetzt kriegen Sie zum Dank noch 'nen Arschtritt dafür." Der Mann hatte Recht. Genau so habe ich mich gefühlt.

Andere (damit meine ich jetzt nicht meine Schwester, sondern Bekannte, Kollegen etc.) waren viel weniger für ihre Eltern da als ich, haben sich normal abnabeln und auf ihr eigenes Lebensglück konzentrieren können und werden für jedes Bisschen von ihren Eltern in den Himmel gehoben. Und ich?! Und das Schlimmste: Meine Mutter hat durch ihr uneinsichtiges Verhalten obendrein einen ganz schlimmen, traurigen Lebensabend. Ihr ganzes Leben war im Grunde seit dem frühen Tod ihrer Eltern von vorn bis hinten beschissen. Und ich konnte nichts dagegen tun, sie hat es nicht zugelassen.

Immer wenn ich mich um einen Menschen bemühe, an dem mir besonders liegt, weiß ich schon, wie es ausgeht. 🙁 Egal, ob es meine Mutter, ein potentieller Partner oder auch nur ein platonischer Freund ist. Selbst bei Frauenfreundschaften habe ich schon so manche Enttäuschung erlebt.

Irgendwann kommt der Punkt, wo man einfach nicht mehr kann und dann auch lieber allein sein will. Weil man es einfach nicht mehr erträgt, dass alle Bemühungen umsonst sind und einem immer andere vorgezogen werden.

Hoffe du bekomst meine Deutung nicht in den falschen Hals oder so. 😱
Nein, nein, du machst dir ja wenigstens Gedanken darüber und meinst es ja wahrscheinlich auch nicht übel mit mir. Andere wollen von so unangenehmen Themen erst gar nichts hören. Sie gehen einfach darüber hinweg.
 
Zuletzt bearbeitet:
Weil das Thema in einem anderen Thread am Rande aufkam und auch aus persönlichen Gründen möchte ich gern einen Gedankenaustausch dazu ins Leben rufen, wie ihr Verzeihung für euch definiert. Was heißt Verzeihung/Vergebung, was heißt es nicht? Gibt es Dinge/Vorfälle, die ihr nicht verzeihen könnt, oder Menschen, denen ihr nicht verzeihen könnt? Ist Verzeihung für euch davon abhängig, dass der betreffende Mensch Reue empfindet, sich bei euch entschuldigt und um Verzeihung bittet? Oder ist Verzeihung auch einseitig möglich, wenn ein Kontakt für immer beendet ist und es dem anderen auch nicht Leid tut?

Und falls es euch gelungen ist, eine große Ungerechtigkeit zu verzeihen, die euch widerfahren ist, etwas, wo ihr von anderen Menschen oder vom Schicksal sehr unfair behandelt worden seid, dann würde mich noch interessieren, wie ihr das geschafft und wie lange ihr dazu gebraucht habt.

Danke.

hallo ^^

deine frage ist intressant..

verzeihen.. also ich sag jetzt mal grundsätzlich ist verzeihen nur dann verzeihen, wenn man es mit herz tut, und ehrlich meint. sprich es nützt nichts, wenn du jetzt sagst, ja ich verzeih dir, aber es nicht so meinst.. es nützt dir selbst nichts.. und eine bez in welchem grad auch immer, ob freundschaft oder liebe oder etwas anderes, dann noch weitergeführt werden kann, lass ich jetzt mal in den raum gestellt.. schein-liebe oder schein-freundschaft ist das dann meiner meinung nach, weil es ja nicht ehrlich gemeint war, genauso ist es ber auch umgekehrt, sprich, wenn du zwar wirklich verzeihst, aber der/die andere die entschuldigung nicht ernst meint.. (wegen schein-etwas jetzt, nicht das verzeihen betreffend)

ob verzeihen auch möglich ist, wenn die beziehung zu der person schon längst nicht mehr existiert.. ich schließe es nicht aus.. denn manchmal kann soetwas für das eigene seelen-wohl ganz gut sein.. in wie fern das dann aber mit verzeihen zu tun hat.. tja~ müsst ich jetzt selbst noch genauer drüber nachdenken..

lg, Dark~Angel
 
Ja, das ist so. Es macht mir auch heute noch zu schaffen. Die Sache ist auch noch nicht ausgestanden. Es hat letzten Sommer sogar zwei Polizeieinsätze gegeben, weil meine Mutter bei Streitigkeiten mit meiner Schwester um Hilfe gerufen hatte. Und ich habe schließlich auf Anraten sämtlicher Behörden bei Gericht angeregt, meiner Mutter einen gesetzlichen Betreuer zu bestellen. Das Verfahren läuft jetzt seit fünf Monaten und ist noch nicht entschieden. Wahrscheinlich wird aber nichts dabei herauskommen, weil meine Mutter das Verhalten meiner Schwester immer, wenn's zum Schwure kommt, beschönigt. Und meine Schwester ist trotz ihrer vermutlich schweren psychischen Erkrankung intelligent und konnte sich schon immer meisterhaft verstellen.

Wie hat es deine Mutter denn geschafft, um Hilfe zu rufen, wenn deine Schwester meist in ihrer Nähe ist und sie im Grunde genommen stets ein Auge auf sie hat? War das telefonisch? Oder hat es ein Nachbar mitbekommen?

Ich denke, da deine Mutter auf deine Schwester angewiesen ist (oder glaubt, angewiesen zu sein), wird sie ihr Verhalten auch weiterhin beschönigen. Und solange sie das tut, wird sich auch nichts zugunsten eines gesetzlichen Betreuers entscheiden, befürchte ich.

Gibt es nicht die Möglichkeit, einen unabhängigen Gutachter mit der Beurteilung der Situation Zuhause zu beauftragen? Jemand, der unvoreingenommen die Situation prüft und einen Bericht an die Behörden übermittelt? Und außerdem, was ich nicht ganz verstehen, wenn sogar die Behörden dir raten, einen gesetzlichen Betreuer zu bestellen, dann müssen die doch – zumal aufgrund der Polizeieinsätze – Wind davon bekommen haben, was dort tatsächlich abläuft. Und dennoch geschieht nichts?

Neben der Tatsache, dass ein Kontakt nicht bzw. nur zu unzumutbaren Konditionen möglich wäre, lebe ich auch in ständiger latenter Angst, dass meiner Mutter aufgrund eines Ausrasters meiner Schwester oder aufgrund der suboptimalen Pflege doch mal was passieren könnte.

Das macht dir doppelt zu schaffen und zehrt an deinen Kräften. Auf der einen Seite wird dir der Kontakt zu deiner Mutter verwehrt, auf der anderen Seite musst du auch noch Angst um sie haben. Da lasten gleich zwei schwere Pakete auf dir und ich kann nachempfinden, dass du dich ohnmächtig und fassungslos fühlst. Man tut, kämpft und läuft wie gegen eine Wand.

Irgendwie fühle ich mich psychisch auch chronisch ausgepowert. Früher hatte ich mehr Energie. Das Schlimmste ist, dass man dadurch nicht mehr wirklich unbeschwert sein kann. Selbst wenn man es versucht, kommt es nicht authentisch rüber. Ist man aber zu ernst und beschäftigt sich zur Ablenkung zu sehr mit anspruchsvolleren oder "intellektuelleren" Themen, wie ich es tue, nervt es auf Dauer jeden und man wird abgelehnt. Als potentielle Partnerin kommt man so erst recht für niemanden infrage. So wird man doppelt bestraft.

Du bewegst dich vielleicht sogar auf einen ordentlichen Burn-Out zu und solltest versuchen, Grenzen zu setzen. Für mich als Außenstehenden ist das nun natürlich leicht gesagt, ich weiß, aber du befindest dich quasi seit Jahren in einer „Kriegssituation“, könnte man umschreiben. Und wie lange denkst du, kannst du all dem noch standhalten?

Dein intensives Engagement geht ja letztendlich auf deine Kosten, denn als erschöpfter und ausgepowerter Mensch wirkst du, wie du selbst andeutest, wenig anziehend auf andere und schaust weiter in die Röhre. Letzten Endes zahlst du ununterbrochen drauf.

Sei ehrlich zu dir selbst – wie lange hältst du das noch durch?

Mittlerweile wünsche ich mir einfach nur noch, es würde mir nicht so viel ausmachen, dass mein Leben so ist, wie es ist. Richtige Hoffnung auf eine Wendung zum Besseren habe ich nicht mehr.

Du sprichst davon, dass du dich mit all dem damit abfinden willst, weil du an eine Besserung nicht glaubst. Anderseits weißt du aber auch, dass du dich damit in einer Art „Opferhaltung“ befindest!?

Eine konkrete, greifbare Wendung zum Besseren würde sich sicher erst dann ergeben, wenn deine Mutter das wahre Gesicht deiner Schwester erkennen und die Situation bei ihr Zuhause sich entsprechend ändern würde. Aber da das wohl ehr nicht danach aussieht...

...besteht eine andere, möglicherweise für dich naiv klingende Alternative darin, sich zurückzuziehen und loszulassen. Du hast jahrelang gegeben, was du geben konntest, hast dich aufgerieben und bist nun mehr oder weniger erschöpft, stehst alleine dar. Nicht nur, dass du viel Kraft investiert hast, du bekommst für dein Engagement weder Dank noch Anerkennung, im Gegenteil, musst dir auch noch sagen lassen, dass dein EQ bei 0 läge:

Nicht aber meine besagte Cousine. Die meint wahrscheinlich, mein EQ läge bei 0.

Ich würde mir wirklich überlegen wie viel ich noch zu ertragen in der Lage und bereit bin. Auch du hast nur dieses eine Leben und offenbar ist das irgendwie ein sinnloser Kampf, den du da führst. Denk an die Worte der Heimleiterin...

Ich weiß noch nicht mal, ob das für mich so schwer zu akzeptieren ist. Ich finde es einfach nur traurig. Aber dennoch finde ich es unverschämt von meiner Cousine, mich quasi als Versagerin im Privatleben darzustellen. Sie hat einfach nur mehr Glück und günstigere Rahmenbedingungen gehabt als ich. Ich glaube, mit meiner Situation käme sie noch viel schlechter zurecht als ich. Wer weiß, ob sie z.B. bei der Arbeit überhaupt noch klarkäme mit solchen Sorgen im Hintergrund und so wenig Positivem als Ausgleich.

Geht nicht eigentlich jeder Mensch meist von sich selbst aus? Ganz zu Beginn dieses Themas hattest du erwähnt, dass deine Kindheit & Jugend eben ziemlich vermurkst waren und du dennoch in der Lage warst, Kraft daraus zu ziehen und dein Leben nach Möglichkeiten zum Positiven zu formen. Und ich hatte kurz eingeworfen, dass eben nicht alle Menschen über diese Resilienz verfügen.

Und deine Cousine...nun sie macht eben auch nichts anderes, als von sich selbst auszugehen und sich selbst als Maßstab für ihre Beurteilung anzusetzen. Vielleicht ist das nur all zu menschlich...aber im Grunde genommen sollte dir die Einschätzung deiner Person durch deine Cousine egal sein, solange deine eigene Wertschätzung positiver ist.

Und einen positiven Ausgleich würdest du auch haben, wenn es dir gelingt, dich wohlwollender mit dir auseinanderzusetzen und einen gesunden Abstand zu den Dingen schaffst, die dir deine Kraft rauben.

Ich habe wirklich über Jahre in Sachen meiner Mutter und Schwester alles Menschenmögliche getan; das ist mir auch von einer Familienberatungsstelle so bestätigt worden, wo ich mich letztes Jahr nach den überwiegend ablehnenden und aggressiven Reaktionen hier im Forum habe beraten lassen. Dann noch als Außenstehender so zu tun, als ob es immer noch nicht genug bzw. nicht gut genug wäre, finde ich einfach nur unverschämt. Manche Leute wissen offenbar vor lauter Wohlsein nicht, was sie mit ihren Mitmenschen anstellen sollen, außer ihnen blöde Bemerkungen mitzugeben. Damit meine ich natürlich nicht dich!

Ich weiß das doch.

Einige Antworten die du bekommen hattest, hatte ich kurz überflogen und sie klangen mir in der Tat etwas „kritisch“. Das mag u. U. vielleicht auch daran liegen, dass der-/diejenige selbst einen ähnlichen Hintergrund hat und nicht in der Lage war, die eigene Geschichte von deiner zu trennen um eine sachliche Auskunft zu geben. Nicht wenige (vorbelastete) Menschen vermischen ihre eigenen Geschichten und damit ihre Gefühle mit denen von anderen Menschen, wenn sie sich zu etwas äußern.

Wir sind auch unter Druck gesetzt worden, dass man sie nicht aufregen dürfe. Ich habe es daher nicht gewagt, groß Widerworte zu geben. Ich war immer viel zu brav. Ich hatte eigentlich keine Pubertät. Andere verachten einen dafür, dass man nie mal Mist gebaut oder was Ausgeflipptes gemacht hat. Aber die hatten auch gesunde, rüstige Eltern und standen nicht so unter Druck, pflegeleicht zu sein.

Natürlich habe ich später durchschaut, was das für Mechanismen waren. Eine Form von emotionalem Missbrauch. Aber da war es zu spät. Zwar habe ich sehr an mir gearbeitet und bin heute nicht mehr so extrem schüchtern wie als Kind und noch als Jugendliche/junge Frau, wenngleich ich nie eine vorpreschende Selbstdarstellerin sein werde. Aber gewisse Erfahrungen, ein gewisses Lebensgefühl kann man nie mehr nachholen. Verantwortung für andere zu übernehmen, mich in andere einzufühlen, mich um andere zu kümmern und zu sorgen, das habe ich prima gelernt. Aber ich denke, andere wissen das nicht zu schätzen und wissen mit mir auf Dauer nichts anzufangen, weil ich zu wenig wirke wie jemand, mit dem man Spaß haben kann.


Weißt du, vor diesem Hintergrund, den du hier über deine Mutter erklärst, würde ich mir erst Recht überlegen, wie viel wertvolle Kraft und Lebensenergie ich noch zu investieren bereit bin. Damit will ich dir keinen Floh ins Ohr setzen, aber du hast schlichtweg einiges nachzuholen, was dir von deiner Mutter in deiner Kindheit / Jugend verwehrt wurde...auch wenn deine Mutter, wie du schreibst, selbst offenbar nur weitergegeben hat, was sie selbst erfahren hatte...was wieder einmal beweist, alles im Leben eines Menschen hat einen Grund.

Inwiefern man Versäumtes überhaupt noch nachholen kann...schwierig. Ich würde dir wirklich erst einmal ans Herz legen, dir zu überlegen, ob loslassen nicht die beste Wahl ist. Die Fronten bei euch sind so verhärtet und wenn sogar die Behörden nichts ausrichten können, weil deine Mutter deine Schwester in Schutz nimmt, stehst du leider auf verlorenem Posten. Und einen Kampf a lá Don Quichotte gegen Windmühlen würde ich nicht unbedingt kämpfen wollen.

Vielleicht habe ich tatsächlich eine gewisse Wertschätzung und Anerkennung von meiner Mutter erwartet. Und wenn schon nicht das, dann zumindest nicht auch noch diese völlig grundlose Feindseligkeit, dieses Fallen-Gelassen- und Ignoriert-Werden und dass sie sich von meiner Schwester so unter Druck setzen lässt, dass sie im Zweifel sogar den Kontaktverlust zu mir in Kauf nimmt.

Diese Wertschätzung und Anerkennung würdest du unter normalen Umständen sicher auch von deiner Mutter erhalten...leider hat deine Schwester ihr aber eine Gehirnwäsche verpasst. Und...genügt es dir nicht, für deinen inneren Frieden, dass du selbst für dich weißt, alles gegeben zu haben was dir möglich war?

Und auch hier...du befindest dich in einer Opferhaltung wenn du deine Stimmung bzw. dein Selbstempfinden von einer Erwartungshaltung bzw. einem Feedback abhängig machst.

Außerdem...zu unserem Eingangsthema „Der Mensch kann nicht anders, als er kann“...es gibt eben auch für das Verhalten deiner Mutter ihre Gründe. In ihrem Zustand kann sie nicht anders, als sie es tut. Sicher fragt sie sich, was aus ihr werden würde, würde sie gegen deine Schwester etwas sagen. Und du weißt ja, der Mensch ist ein Gewohnheitstier, er bleibt lieber in einer für ihn schlechten Situation, die er aber kennt und einschätzen kann, als sich einer neuen, unbekannten Situation auszusetzen.

Ich weiß noch, wie vor einem Jahr ein mitfühlender Pfleger nach dem vorzeitigen Abbruch der Kurzzeitpflege durch meine Mutter zu mir sagte: "Jetzt haben Sie wochenlang alles gemacht und organisiert, sind bei Wind und Wetter, so oft Sie konnten, über eine Stunde mit dem Auto hin- und wieder zurück gefahren, um Ihre Mutter zu besuchen, und jetzt kriegen Sie zum Dank noch 'nen Arschtritt dafür." Der Mann hatte Recht. Genau so habe ich mich gefühlt.

Diese Worte haben dir sicher gut getan, denk ich, denn sie waren, bis auf die Worte der Heimleiterin, leider die einzigen Worte der Anteilnahme und Anerkennung, die du bekommen hast. Und Empathie ist etwas, was uns Kraft gibt, wir wollen dass man uns zuhört und nicht, dass man uns ununterbrochen mit Tipps und Besserwisserei überschüttet.

Andere (damit meine ich jetzt nicht meine Schwester, sondern Bekannte, Kollegen etc.) waren viel weniger für ihre Eltern da als ich, haben sich normal abnabeln und auf ihr eigenes Lebensglück konzentrieren können und werden für jedes Bisschen von ihren Eltern in den Himmel gehoben. Und ich?! Und das Schlimmste: Meine Mutter hat durch ihr uneinsichtiges Verhalten obendrein einen ganz schlimmen, traurigen Lebensabend. Ihr ganzes Leben war im Grunde seit dem frühen Tod ihrer Eltern von vorn bis hinten beschissen. Und ich konnte nichts dagegen tun, sie hat es nicht zugelassen.

Du trägst aber keinerlei Verantwortung für das Leben und die Gefühle deiner Mutter. Die trägst du nur für dich selbst. Auf alles andere hast du absolut keinen Einfluss. Du hast ja versucht, Einfluss zu nehmen und siehst nun, was dabei herauskommt...

Was ich dir noch ans Herz legen möchte, ist, zu überlegen, ob sich ein Vergleich des eigenen Lebens mit denen anderer Leute, wirklich rentiert. Denn das bringt nichts, denke ich - jeder Mensch hat nun mal seine eigene Historie und seine daraus folgende Lernerfahrungen / Sozialisation. Überleg dir doch mal ob jemand, der eine fröhliche, glückliche Kindheit gehabt hat, mit den Widrigkeiten deines Lebens zurecht gekommen wäre. Jemand, der Kämpfen nicht gewohnt ist, wird vom erstbesten Kieselstein erschlagen.

Immer wenn ich mich um einen Menschen bemühe, an dem mir besonders liegt, weiß ich schon, wie es ausgeht. Egal, ob es meine Mutter, ein potentieller Partner oder auch nur ein platonischer Freund ist. Selbst bei Frauenfreundschaften habe ich schon so manche Enttäuschung erlebt.

Was denkst du, woran das genau liegt? Wie bemühst du dich um Menschen? Ist es möglich, dass auch bei dir gewisse „hindernde“ Mechanismen ablaufen, die zu durchschauen dir schwer fällt? Du hast sicher ununterbrochen deine Geschichte im Hinterkopf und wirkst daher auf die meisten Menschen sehr belastet (bzw. belastend) und nachdenklich (dabei die Kommentare deines EX im Hinterkopf). Daher könnte ich mir vorstellen, ist es für die Leute vielleicht nicht unbedingt leicht, mit dir umzugehen und sich angemessen mit dir zu beschäftigen. „Helfen“ und „Leid teilen“ sind keine Basis, eine Beziehung auf die Beine zu stellen, das hab ich kürzlich auch lernen und schlucken müssen.

Irgendwann kommt der Punkt, wo man einfach nicht mehr kann und dann auch lieber allein sein will. Weil man es einfach nicht mehr erträgt, dass alle Bemühungen umsonst sind und einem immer andere vorgezogen werden.

Vielleicht spüren die Leute ja gerade eben, dass du dich bemühst und du wirkst deswegen so wenig „authentisch“? Sich „bemühen“ wirkt auf andere, als ob man „verzweifelt“ wäre und ein Bild von sich verkaufen möchte, welches einem nicht wirklich entspricht.

Nein, nein, du machst dir ja wenigstens Gedanken darüber und meinst es ja wahrscheinlich auch nicht übel mit mir. Andere wollen von so unangenehmen Themen erst gar nichts hören. Sie gehen einfach darüber hinweg.


Natürlich mache ich mir Gedanken und meine es definitiv nur gut mit dir, sonst würde ich ja nicht schreiben.

Menschen wollen unangenehme Themen selten hören, weil sie sie an ihre eigenen Baustellen erinnern oder sie einfach nicht belastet werden wollen. Oder aber, sie haben schlichtweg von der Problematik keine Ahnung und sind überfordert. Wer, in seinem Alltag, setzt sich schon gerne mit schwierigen Themen auseinander? „Leid“ bespricht und teilt man eigentlich besser ausschließlich mit Menschen, die damit umzugehen wissen, alle anderen kehren einem meist nur den Rücken zu – auch aus Gründen des Selbstschutzes.
 
Wie hat es deine Mutter denn geschafft, um Hilfe zu rufen, wenn deine Schwester meist in ihrer Nähe ist und sie im Grunde genommen stets ein Auge auf sie hat? War das telefonisch? Oder hat es ein Nachbar mitbekommen?
Sie ist, so schwer es ihr fiel und so unsicher sie auf den Beinen ist, in den Garten bzw. einmal in die Einfahrt gegangen und hat Nachbarn um Hilfe gebeten bzw. um Hilfe gerufen. Die Nachbarn riefen dann die Polizei. Bei der gerichtlichen Anhörung soll meine Mutter dann allerdings gesagt haben, daran könne sie sich nicht mehr erinnern. Das wurde mir jedenfalls zugetragen. Obwohl sie mittlerweile leicht dement sein könnte, glaube ich, diese Aussage ist nur vorgeschoben, um meine Schwester zu schützen.

Gibt es nicht die Möglichkeit, einen unabhängigen Gutachter mit der Beurteilung der Situation Zuhause zu beauftragen? Jemand, der unvoreingenommen die Situation prüft und einen Bericht an die Behörden übermittelt? Und außerdem, was ich nicht ganz verstehen, wenn sogar die Behörden dir raten, einen gesetzlichen Betreuer zu bestellen, dann müssen die doch – zumal aufgrund der Polizeieinsätze – Wind davon bekommen haben, was dort tatsächlich abläuft. Und dennoch geschieht nichts?
Das Gericht hat ja bereits das zuständige Gesundheitsamt als Betreuungsstelle eingesetzt mit dem Auftrag, den Sachverhalt zu ermitteln. Laut Bekundungen der Nachbarin haben schon dreimal Hausbesuche stattgefunden. Beim dritten Mal sei der Dame aber nicht geöffnet worden. Unternehmen kann man nur was, wenn sich beweisen lässt, dass meine Schwester meine Mutter oder sich selbst akut gefährdet. Und das ist enorm schwierig. Ich bin seit 10 Jahren mit den unterschiedlichsten Stellen in Kontakt: Ärzten, dem Sozialpsychiatrischen Dienst, dem Ordnungsamt, einer Familienberatungsstelle; ein Nachbar ist außerdem selber Polizist. Wirklich helfen konnte mir niemand.

Meine Beziehung ist darüber zerbrochen, ich habe mitbedingt durch den Stress ordentlich zugenommen, und einen anspruchsvollen Beruf habe ich außerdem.

Dein intensives Engagement geht ja letztendlich auf deine Kosten, denn als erschöpfter und ausgepowerter Mensch wirkst du, wie du selbst andeutest, wenig anziehend auf andere und schaust weiter in die Röhre. Letzten Endes zahlst du ununterbrochen drauf.

Sei ehrlich zu dir selbst – wie lange hältst du das noch durch?
Ich weiß, dass das auf Dauer nicht durchzuhalten ist. Habe ja auch keinen Kontakt mehr zu den beiden. Aber da dort jederzeit etwas passieren könnte, kann ich mein Leben trotzdem nicht genießen. Wäre ich 20 Jahre jünger oder insgesamt im landläufigen Sinne attraktiver, hätte ich mir wenigstens noch ein gescheites eigenes Privatleben aufbauen können. Kann ich aber auch vergessen. Ich stehe privat vor dem Nichts und kann noch dankbar sein, dass ich wenigstens beruflich gut abgesichert bin und mein Beruf mir einigermaßen Spaß macht.

Du sprichst davon, dass du dich mit all dem damit abfinden willst, weil du an eine Besserung nicht glaubst. Anderseits weißt du aber auch, dass du dich damit in einer Art „Opferhaltung“ befindest!?
Ich sehe nicht, dass ich alleine irgendetwas an der Situation ändern könnte. Zu allem, sowohl zu einer Änderung meiner familiären als auch zu meiner eigenen privaten Situation, gehören mindestens zwei.

Und einen positiven Ausgleich würdest du auch haben, wenn es dir gelingt, dich wohlwollender mit dir auseinanderzusetzen und einen gesunden Abstand zu den Dingen schaffst, die dir deine Kraft rauben.
Es ist so, wie es ist. Da gibt es nichts Wohlwollendes mehr zu deuteln.

Nicht wenige (vorbelastete) Menschen vermischen ihre eigenen Geschichten und damit ihre Gefühle mit denen von anderen Menschen, wenn sie sich zu etwas äußern.
Allerdings. Kommt auch noch ein gesichertes Einkommen hinzu, dann weckt das bei vielen Neid. Jemand mit guter Ausbildung und gesichertem Einkommen kann ja gar keine Probleme haben; der ist ja völlig weltfremd und weiß gar nicht, was im Leben los ist. Im Gegensatz zu den ach so sehr im wahren Leben stehenden Leuten mit chaotischem Lebenslauf. 🙄 Auf solche unqualifizierten Kommentare kann ich verzichten.

...leider hat deine Schwester ihr aber eine Gehirnwäsche verpasst.
Das meinen auch Nachbarn und Verwandte. Als ich das hier in meinem allerersten Thread erwähnte, wurde ich dafür angefeindet.

Und...genügt es dir nicht, für deinen inneren Frieden, dass du selbst für dich weißt, alles gegeben zu haben was dir möglich war?
Doch. Eigentlich schon. Aber wenn ich vor 20 Jahren schon gewusst hätte, dass es mal so weit kommt, dann hätte ich andere Prioritäten im Leben gesetzt. Jetzt ist es zu spät. Manche Dinge kann man nie mehr nachholen.

du weißt ja, der Mensch ist ein Gewohnheitstier, er bleibt lieber in einer für ihn schlechten Situation, die er aber kennt und einschätzen kann, als sich einer neuen, unbekannten Situation auszusetzen.
Ja. "Lieber das bekannte Unglück als das unbekannte Glück" lautet der Titel eines Buches, das ich habe.

Diese Worte haben dir sicher gut getan, denk ich, denn sie waren, bis auf die Worte der Heimleiterin, leider die einzigen Worte der Anteilnahme und Anerkennung, die du bekommen hast. Und Empathie ist etwas, was uns Kraft gibt, wir wollen dass man uns zuhört und nicht, dass man uns ununterbrochen mit Tipps und Besserwisserei überschüttet.
Genau so ist es. Im Grunde ist es erschütternd, dass Außenstehende die guten Absichten und das Engagement eher erkennen und zu würdigen wissen als die Menschen, die einem am nächsten stehen sollten. Auch gewisse Verwandte (nicht alle!) beweihräuchern sogar in dieser Situation lieber sich selber.

Du trägst aber keinerlei Verantwortung für das Leben und die Gefühle deiner Mutter. Die trägst du nur für dich selbst. Auf alles andere hast du absolut keinen Einfluss. Du hast ja versucht, Einfluss zu nehmen und siehst nun, was dabei herauskommt...
Allerdings. 😎

Was ich dir noch ans Herz legen möchte, ist, zu überlegen, ob sich ein Vergleich des eigenen Lebens mit denen anderer Leute, wirklich rentiert. Denn das bringt nichts, denke ich - jeder Mensch hat nun mal seine eigene Historie und seine daraus folgende Lernerfahrungen / Sozialisation. Überleg dir doch mal ob jemand, der eine fröhliche, glückliche Kindheit gehabt hat, mit den Widrigkeiten deines Lebens zurecht gekommen wäre. Jemand, der Kämpfen nicht gewohnt ist, wird vom erstbesten Kieselstein erschlagen.
Ich denke, mein Leben wird für die nächsten Jahrzehnte (falls diese mir überhaupt vergönnt sind) in ähnlichem Stil wie heute vor sich hindümpeln. Es ist atypisch und wird auch atypisch bleiben.

Vielleicht spüren die Leute ja gerade eben, dass du dich bemühst und du wirkst deswegen so wenig „authentisch“? Sich „bemühen“ wirkt auf andere, als ob man „verzweifelt“ wäre und ein Bild von sich verkaufen möchte, welches einem nicht wirklich entspricht.
Kann sein. Wenn man eher so auftritt, als ob man "auch anders könnte", wird man eher respektiert.

Eine neue Partnerschaft kann ich erst recht vergessen. Ich weiß,wie aussehensfixiert Männer ausnahmslos aller Bildungsschichten sind und wie sehr man dem gängigen Schönheitsideal entsprechen muss, um insoweit eine Chance zu haben. Charakterliche Qualitäten spielen bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Ich habe keine Lust mehr, mich in dieser Hinsicht zu verausgaben, nur um hinterher bestätigt zu bekommen, dass ich bestenfalls als Vertraute in schwierigen Lebenslagen gut genug war und dann für die erstbeste blonde Susi Sorglos mit Größe 36/38 fallen gelassen werde. Ich habe das alles einfach nur noch satt. 😎

Menschen wollen unangenehme Themen selten hören, weil sie sie an ihre eigenen Baustellen erinnern oder sie einfach nicht belastet werden wollen. Oder aber, sie haben schlichtweg von der Problematik keine Ahnung und sind überfordert. Wer, in seinem Alltag, setzt sich schon gerne mit schwierigen Themen auseinander? „Leid“ bespricht und teilt man eigentlich besser ausschließlich mit Menschen, die damit umzugehen wissen, alle anderen kehren einem meist nur den Rücken zu – auch aus Gründen des Selbstschutzes.
Ja, ich weiß. Was aber auch nicht gerade dazu führt, dass ich mir von Kontakten mit anderen Leuten noch allzu viel verspreche.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mir jetzt nur die erste Seite komplett und zwischendrin ein paar Zeilen hier und da durchgelesen (ist einfach extrem viel Text), aber dennoch wollte ich kurz was dazu schreiben.

Zum einen sehe ich das wie Dr. Rock auf der ersten Seite beschrieben hat. Menschen können größtenteils nichts für Ihr Verhalten, sie sind das Resultat ihrer Erziehung und ihres sozialen Umganges, sowie den individuellen Erlebnissen.

Meine Mitbewohnerin zB hatte keine einfache Kindheit (standard Ausrede hin oder her) und ist entsprechend Verhaltensauffällig. Sie bezieht alles negativ auf sich, da sie Zeit Ihres Lebens stets zu hören bekam "Du bist nichts wert" "Was hast Du nur wieder getan?" usw. Sie hielt sich anderweitig über Wasser, indem Sie sich extrem an andere Menschen hängt. Hat Sie jemanden neues gefunden, lässt Sie den Menschen an dem Sie zuvor hing sofort fallen. Ich wurde in diesem Jahr von Ihr fallen gelassen. Zu einer Zeit wo ich eine Freundin nötig hatte. Natürlich war ich sauer, depremiert, wollte es nicht wahrhaben etc. - aber im Grunde habe ich Ihr schon längst verziehen, weil Sie so ist wie Sie ist. Jetzt wo ich einmal "auf die Schnauze" gefallen bin damit, kann ich besser damit umgehen. Ich bin heute noch eine "gute" Freundin von Ihr, auch wenn der Kontakt gleich null ist (obwohl sie eine Tür weiter wohnt).. sollte irgendwann etwas mit Ihr sein, dass Sie wieder eine Freundin braucht, dann werde ich da sein. Dann aber nicht vollkommen und ganz, sondern meine eigenen Grenzen wahrend.

Und dann gibt es noch eine größere Sache die ich Verzeihen konnte, jetzt wo ich Jahre Abstand davon habe und mit erwachsenen Augen nochmal alles durchleben konnte. Da muss ich aber gestehen, dass ich professionelle Hilfe dafür hatte, die mir eintrichtern wollte "das dürfen sie nicht verzeihen!!" hmmh.. meine Stimme in mir wurde aber umso lauter, dass ich es verzeihen will. Nicht um Frieden einkehren zu lassen, sondern weil andere Menschen daran Schuld tragen und diese Personen mir nicht mehr greifbar sind, um Ihnen diese Schuld aufzubahren [längere und komplizierte Geschichte..].

Hoffe das hat etwas weitergeholfen.
 

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