Die „Freunde“ entscheiden sich zu gehen weil sie uninformiert sind und es ihnen zu anstrengend ist. Das sind aber keine Freunde.
Ich frage mich, wie hier "Freund" definiert wird. Erste Regel der Freundschaft: Freunde belästigt man nicht unnötig. Man klammert sich nicht an ihnen fest wie ein Klotz am Bein und erwartet auch nicht, daß sie einen auf Psychiater, Lebenspartner oder 24-Stunden-Pfleger machen.
Wenn sie das ganz von sich aus machen, ist das schön, aber keine Selbstverständlichkeit und schon gar keine Voraussetzung.
Denn: Freundschaft ist eine freiwillige Sache auf Gegenseitigkeit. Wer nehmen will, sollte auch geben (können und wollen). Aber ohne Zwang oder Erpressung oder ständige Inanspruchnahme, die dem anderen gar keine Zeit mehr für sich selber läßt.
Alles was ein Freund für mich tut, tut er freiwillig und von sich aus, aber hoffentlich nicht, weil er sich irgendwie dazu gedrängt oder verpflichtet fühlt. Denn das wäre dann falsch. Jemanden hemmungslos ausnutzen oder unter Druck zu setzen oder ihm ständig seine Zeit zu rauben, ist keine Freundschaft, weder physisch noch finanziell noch psychisch.
Wenn Depressive als anstrengend wahrgenommen werden, ist das verständlich. Aus unterschiedlichen Wahrnehmungen heraus, denn andere Leute können nicht riechen daß jemand depressiv ist und wie es ihm gerade geht. Nicht wenige Depressive tragen eine Maske, täuschen nach außen Normalität vor, und die Umwelt ist dann jedesmal verblüfft bis entsetzt, wenn der Depressive z. B. Selbstmord begeht - "Wie konnten wir wissen, daß er/sie depressiv ist? Ihm/ihr war doch nie was anzusehen?" heißt es dann jedesmal.
Aber selbst wenn andere Leute von der Depression wissen, wissen sie deswegen nicht, wie der tägliche Stand ist. Depressive kommunizieren das selten, und Gedanken lesen kann nun mal niemand. Und andere Leute haben auch ein eigenes Leben und mehr zu tun, als sich ständig um diese eine Person Gedanken zu machen oder auf jede ihrer Launen zu reagieren. Sie sind weder Mami noch Psychiater noch Kindermädchen. Und auch ein Freund ist kein Sklave, der sich auf täglicher Basis anketten und auf sein eigenes Leben verzichten muß.