Hallo,
danke für die vielen Antworten.
Heute komme ich endlich dazu, euch zu antworten. Ich habe einen grippalen Infekt und hatte daher in den letzten Tagen nur Kraft für meinen Job. Wobei ich den inzwischen nicht mehr besonders mag, aber das ist ein anderes Thema.
Es ist definitiv so, dass ich die Welt seit meiner Kindheit als einen unsicheren Ort wahrgenommen habe. Wie bei vielen Menschen liegt die Ursache im Elternhaus. Liebe, Geborgenheit und Zuneigung habe ich dort nie erfahren, sondern nur Leistungsdruck, emotionale Kälte und Manipulation. Wenn mich meine Eltern runtermachten und ich fing an zu weinen, fing meine Mutter erst recht an loszuschreien. Wenn mir beim Spülen und Abtrocknen das Geschirrtuch runterfiel, schlug sie mir ins Gesicht. Genauso, wenn ich meine Hausaufgaben nicht schnell genug erledigte. Einmal hatte ich einer Klassenkameradin etwas Blödes ins Poesiealbum geschrieben und sie drohte mir mit "Erziehungsanstalt".
Mein Vater war nur nett, wenn ich gute Noten mit nach Hause brachte.
Es gab auch Situationen, wo meine Eltern handgreiflich gegeneinander wurden und ich vor lauter Anspannung nicht einschlafen konnte.
Vielleicht war ich deswegen auch eine Tagträumerin und lief mit geschlossenen Augen durch die Gegend, wie mir mein Vater oft vorwarf. Vielleicht träumte ich einfach von einem besseren Leben und blendete so die Realität aus.
Mich würde interessieren, wie ehemalige Schulkameraden die Marika von früher beschreiben würden. Ich war still und verschlossen, doch wenn ich mit Spaß bei einer Sache war, konnte ich regelrecht aufblühen. Ich glaube, ohne mein geliebtes Hobby Ballett wäre ich in meiner Kindheit und Jugend zugrunde gegangen. Meine Leistungen im Ballett verhalfen mir zu ein wenig Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Es gab aber niemanden, der an mich glaubte. Nur wenige Menschen mochten mich. Rückblickend erinnere ich mich, dass nicht nur Schulkameraden und Lehrer mich ablehnten, sondern auch Freunde meiner Eltern manchmal abschätzige Kommentare von sich gaben.
Ich weiß, dass ich mich manchmal sehr unreif und kindisch verhielt, das war aber nur Fassade. Dahinter aber war ich ernsthaft und grübelte viel über meine Mitmenschen, ihr Verhalten und die Welt im Allgemeinen nach. Ich habe auch viel gelesen und flüchtete damit ganz oft aus der Realität, die ich als sehr belastend erlebt habe.
Leider kann ich nicht auf alle Beiträge eingehen. Ich fand vor allem die Fragen von
@Knirsch sehr interessant und versuche mal sie zu beantworten.
Ja, als weltfremd konnte man mich wohl bezeichnen, denn mir fehlte in gewisser Weise schon der Bezug zur Realität. Ich wollte z.B. nach dem Abitur studieren, sah eine große Karriere vor mir. Ich nahm es meinen Eltern und Lehrern übel, dass sie mir davon abrieten. Heute weiß ich, dass ich niemals das Zeug für dieses Studium gehabt hätte.
Weltfremd war ich auch in Bezug auf Männer. Jedes Mal, wenn ich eine Männerbekanntschaft machte, stürzte ich mich gleich in eine "Beziehung" (für die Männer war es oft nur eine Bettgeschichte), immer mit dem festen Glauben an die große Liebe. Leider hatte keiner von ihnen Respekt vor mir und so behandelten sie mich auch. Einer hätte mich sogar fast in Drogengeschäfte reingezogen.
Mit 26 lernte ich meinen Ex-Mann kennen. Zuerst schwebte ich im siebten Himmel und da ich ziemlich schnell schwanger wurde, heirateten wir schon ein Jahr später. Ein paar Jahre wurde unsere zweite Tochter geboren und danach ging es abwärts. Ich weiß, dass es auch an mir lag. Unsere zweite Tochter hatte von Anfang an jede Menge Probleme und ich war oft überfordert. Mein Ex arbeitete viel und traf sich häufig mit seinen Freunden vom Tennis. Ich machte ihm Vorwürfe, weil er sich nicht genug um uns kümmerte. Mir wurde auch gesteckt, dass er Affairen hätte, was ich nicht glauben wollte und konnte! Doch eines Tages durchsuchte ich sein Handy und fand entsprechende Nachrichten. Ich tobte und er sagte mir eiskalt, dass er mich schon lange verar...t hätte! Trotzdem wollte ich an der Beziehung festhalten, doch er zog wenig später aus.
Das ist jetzt 8 Jahre her und ich war jahrelang wieder auf der Suche nach der großen Liebe, erlebte aber nur Pleiten.
Ja, und leider bin ich wohl auch nicht weltgewandt, wie mir ein Mann, den ich gedatet habe, sagte.
Mir ist schon oft gesagt worden, dass ich unsicher rüberkomme und nicht schlagfertig/clever bin. Ich gebe auch zu, dass ich bei manchen Themen überhaupt nicht mitreden kann. Ich interessiere mich für Medizin, fremde Kulturen und Literatur. Wenig Ahnung habe ich von Politik, Technik und Filmen/Schauspielern. Mir wurde auch mal gesagt, dass ich eine rhetorische Niete bin.
Vermutlich komme ich auch eigen rüber. Es ist schon häufig passiert, dass Menschen mit mir ins Gespräch kommen wollten, sich aber nach kurzer Zeit zurückzogen. Keine Ahnung, ob ihnen mein Auftreten nicht gefallen hat oder das, was ich von mir gegeben habe.
Ich selbst finde, dass ich Humor habe. Wenn ich aber etwas - in meinen Augen - lustiges sage, werde ich teilweise befremdlich gemustert. Ein Beispiel: Ich erzählte Bekannten von einem Termin bei einem Neurologen vor Jahren. Ich musste diesen Test machen, wo man auf einer geraden Linie laufen muss mit dem Zeigefinger vor der Nase und beweisen soll, dass man in der Lage ist, nicht von der Linie abzuweichen. Dafür musste ich meine Schuhe ausziehen und stellte sie genau in den Weg. Kopfschüttelnd räumte der Neurologe meine Schuhe zur Seite. Ich fand das urkomisch und erzählte, dass ich dem Arzt doch nur beweisen wollte, dass ich tatsächlich unter Fallsucht leide. Leider fand das sonst niemand zum Lachen.
Der Psychiater, der ADS ausschloss meinte, dass ich wohl unter einer selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung leide. Dass ich auch Anteile einer zwanghaften PS habe, da sich meine Gedanken oft in Endlosschleife um ein Thema drehen.
Ich möchte auch gern noch die Frage
@Rikachan beantworten.
Viele Jahre meines Lebens habe ich mich abgelehnt, habe mich immer nur von der Meinung anderer abhängig gemacht.
Mittlerweise weiß ich aber auch meine guten Seiten zu schätzen. Obwohl ich selbst im Elternhaus nie Liebe und Geborgenheit erfahren habe, habe ich mein Bestes gegeben, meinen Töchtern eine liebevolle Mutter zu sein. Auch bin ich sensibel und kann mit Anderen mitleiden.
Was ich auch an mir mag, ist meine große Liebe zu Tieren. Wobei es da wieder etwas gibt, was mich beschäftigt. Ich habe ausfindig gemacht, dass es in unserer Nähe einen Gnadenhof gibt. Ich würde mich gern dort einbringen, zumindest mit Arbeit, finanzielle Hilfe wäre schwierig. Doch ich kann mich einfach nicht dazu aufraffen, mich dort mal zu melden. Zu groß ist die Angst, dass man mich wieder nicht mag und ich seltsam erscheine.
Eigentlich wünsche ich mir am meisten, mir nicht immer wieder selbst im Weg zu stehen.