Kollateralschaden,
deine Schreibe liest sich sehr bemüht, und mir scheint da war viel Herzblut und Empathie im Spiel, als Du sie auf den Bildschirm gebracht hast.
Dennoch glaube ich, und ich sage das nicht als Kritik, dass eine solche Heftigkeit einen potentiellen Selbstmörder gar nicht mehr erreicht. Hat ein Mensch nämlich erst einmal gedanklich und vor allem gefühlsmäßig diesen Beschluss gefasst, erreichst Du ihn auf diese Weise nicht mehr.
Ich kenne die Gefühlslage, in der man sich dann befindet. Da gibt es die Phase der inneren Befreiung: Ich muss nicht mehr kämpfen, habe ich doch eine Lösung gefunden. Aus meinen eigenen Situationen weiß ich noch sehr genau, wie ich mich gefühlt habe. Das hatte was von einem großen Ge-Löst-Sein.
Den ersten Suizid im Freundeskreis erlebte ich bei einer Mitschülerin vor fast 50 Jahren. Sie hatte eine Klassenarbeit nicht so geschrieben, wie sie es gebraucht hätte, um die Note in dem Fach zu halten, um schließlich das zu studieren, was sie sich vorgenommen hatte.
Auf dem Nachhauseweg fragten wir sie, was sie nun mache. Sie erschien überaus locker, witzelte noch, dass sie ohnehin nicht unbedingt in die Richtung denke.
Am nächsten Morgen erschien sie nicht am Zug. Wenige Stunden später fand man sie erhängt in einem Waldstück.
Hat ein Mensch diese letzte Entscheidung getroffen, diese innere Grenze überschritten, fühlt er sich befreit, und Du erreichst ihn gar nicht mehr.
Ich habe das mal meinen "Point of No-Return" genannt. Da war ich quasi mit mir und meiner Entscheidung im Reinen, und sie hätten mich nicht mehr erreicht, wenn nicht andere Menschen gehandelt hätten.
Aus Berichten über die letzte Phase im Leben von Selbstmördern wissen wir, dass die Umgebung gerade in diesen Momenten oft überhaupt nicht mehr damit gerechnet hat.
Deshalb bleibe ich bei meiner Empfehlung, in solchen Situationen zu handeln, strikt und konsequent, was nichts Anderes heißt, als die 110 zu wählen.
Und das nicht zuletzt deshalb, um sich selbst eventuelle Selbstvorwürfe und die zermürbenden Fragen im Nachhinein zu ersparen, ob man nicht vielleicht hätte verhindern können, was geschehen ist.
Ich wäre da- und gerade auch in meinem eigenen wohlverstandenen Interesse- sehr wachsam und entschieden.
Burbacher