Nachdem hier dem Schubladendenken par excellence sehr viel Raum eingeräumt worden ist, möchte ich diese ganzen Thesen doch deutlich in Frage stellen.
Linke und Rechte als politisches Gegensatzpaar? 60 Prozent der AfD-Wähler konnten sich laut einer Umfrage vom März 2023 vorstellen, eine von Sahra Wagenknecht angeführte Partei zu wählen. Es zeigen sich erstaunliche Gemeinsamkeiten bei den Unterstützern der Linkspartei und der AfD. Etliche Umfragen kamen zu dem Ergebnis, dass es zahlreiche Ansichten gibt, die Wähler im linken und im rechten Spektrum teilen .Was die Wähler von Links und Rechts vor allem eint: Die Gegnerschaft zur Globalisierung.
Absolut ja, es gibt Gemeinsamkeiten im linken und rechten Lager und es ist generell unglücklich eine Partei eindimensional als links oder rechts zu beurteilen.
Deswegen finde ich die generelle Diskussion
"Ist ein AfD Wähler rechts?" insbesondere im Sinne von "rechtsradikal" sehr unglücklich. Es reduziert den Wähler auf eine eindimensionale Ebene und spricht ihm alle Gemeinsamkeiten aber auch Vorurteile zu, die man einem rechten Wähler gegenüber hat.
Gerade die von dir genannte Tatsache, dass viele AfD Wähler auch die Wagenknecht Partei wählen würden, legt z.B. nahe, dass die meisten AfD Wähler keineswegs so marktliberal sind wie man ihnen gerne verächtlich vorwirfst.
Überhaupt ist es stets befremdlich man Wählern sagt warum sie eine Partei wählen. Das sollte man die Wähler schon selber sagen lassen.
Es gibt Menschen, die sich als links bezeichnen, weil sie darunter verstehen, dass der Staat in die Wirtschaft intervenieren müsse. Gleichzeitig wollen sie keine Ausländer im Land haben – was gerade bei ostdeutschen Linke-Wähler sehr stark verbreitet ist. Und Wagenknechts geplante Partei positioniert sich wirtschaftspolitisch links, gesellschaftspolitisch aber rechts und das ist tatsächlich etwas Neues in Deutschland.
Die Wagenknecht Parte ist in gewisser Weise neu aber keine neue politische Ebene. Betrachtet man Politik eben nicht nur als links und rechts sondern mehrdimensional in konservativ und progressiv, dann kann man Wagenknecht als
linkskonservativ einordnen. Den Begriff linkskonservativ benutzt Wagenknecht ja auch selber. Wobei Politik noch viele weitere Ebenen hat.
Dies ist von dem klassisch linkprogressivem Gedanken abzugrenzen, der von einem egalitären Menschenbild und einer eher revolutionären Idee (
liberté, égalité, fraternité ) beseelt ist.
Entsprechend lehnt Wagenknecht Einflüsse von außen, grüne Ideen und gesellschaftlichen Fortschritt eher ab und trifft sich politisch da mit Parteien wie der AfD, teilweise aber auch der CSU.
Indess sagst du völlig richtig...
Während Wagenknechts Bündnis in Sachen Gesellschaftspolitik der AfD ähnelt, liegt der Hauptunterschied in der Wirtschaftspolitik. Die AfD steht von ihrem Ursprung her für eine nationalliberale Wirtschaftspolitik. Mit sozialer Gerechtigkeit hat sie wohl wenig am Hut.
... dass der Hauptunterschied in der Wirtschaftspolitik liegt. Wobei ich dies anders bezeichnen würde. Es geht weniger um soziale Fragen als um die Grundordnung und Freiheit der Wirtschaft. Also Wagenknecht will eine staatliche gesteuerte Wirtschaft - was zum Glück(!) die Mehrheit der Deutschen ablehnt.
Die Ausrichtung der Wirtschaft dürfte aber der Mehrheit der AfD- oder Wagenknecht-Wähler egal sein. Gemein haben sie eher, dass sie unzufrieden sind und innerhalb der großen Parteien keine Alternativen sehen. Der vielleicht größte Unzufriedenheitsherd ist die Migration aber auch die Rolle Deutschlands in der Welt, der demografische Wandel und die Lebenshaltungskosten tun ihr übriges.
Für diese Menschen entsteht der Eindruck, dass sie auf ihre Kosten alles tun sollen, was der Rest der Welt und alle Generationen vorher nicht getan haben.
Und dieser Eindruck ist nicht falsch. 80% der Weltbevölkerung lebt in aufstrebenden Staaten, die ihre eigene Entwicklung im Fokus haben. Länder, in denen es Menschen Morgen vermutlich besser haben werden als heute.
In Deutschland ist das unwahrscheinlich. Die Grünen sprechen auch ganz offen von einer Schrumpfwirtschaft.
Sprich: Es gibt inzwischen links
und rechts ein konservatives Lager, welches Angst um die Zukunft Deutschlands hat. Aus meiner Sicht ist diese Angst mehr als gerechtfertigt.