Liebe Frau Holle,
Warum reißt Du Dich denn seit 4 Wochen zusammen und unterdrückst Deine Gefühle? Versuchst stark zu sein und etwas auszuhalten? Was sagt Dir denn, daß es verboten ist, einen Welpen nicht zu mögen?
Und wieso zwingst Du Dich, mit ihm zu spielen? Oder ihm etwas beizubringen?
Wo steht geschrieben, daß Du alles richtig machen mußt und nicht versagen darfst?
Hast Du das in anderen Lebensbereichen auch, daß Du Dich so unter Druck setzt und alles 100% und mehr richtig machen und es allen recht machen möchtest?
Das ist sehr sehr anstrengend und wird dich auf Dauer in einen Zusammenbruch führen, wenn Du so hohe Ansprüche an Dich hast.
Und warum unterdrückt Du Deine Gefühle, um Deinen Freund nicht zu enttäuschen? Kann so eine liebevolle authentische Partnerschaft funktionieren?
Vielleicht ist der kleine Welpe in Dein Leben gekommen, damit Du genau das mal spürst?
Ein erster Schritt wäre zuzugeben, daß Du den Hund nicht magst, dich in seiner Gegenwart unwohl fühlst und Du traurig und überfordert bist.
Der zweite Schritt wäre zu schauen, was genau der Auslöser ist.
Mir kommen da einige Ideen:
Schmutz, Haare, Geruch, Unordnung...
Ist Dir Sauberkeit und Ordnung sehr wichtig oder kannst du gut 5e gerade sein lassen?
Zeit, Mühe, Aufwand der Betreuung
Ist es anstrengend? Braucht es zu viel Zeit, die für anderes fehlt?
Das typische muntere und unbekümmerte Verhalten eines Welpen
Wie findest Du das? Du schreibst, Du bist sehr verkopft. Wie empfindest Du das, daß Du den Welpen auf der rationalen Ebene nicht erreichen kannst, sondern er vorrangig auf der Gefühlsebene agiert?
Wie ist das sonst bei Dir im Leben? Magst Du das, wenn der Kopf keine große Rolle spielt und es vorwiegend ums gefühlsmäßige Miteinander geht?
Kannst Du Dich gut auf diese Ebene einlassen?
Wie ist das für Dich, daß der Welpe eben so gar keinen Anspruch an sich hat und einfach nur da ist?
Eure Partnerschaft: wie ist das für Dich, zu erleben daß Dein Freund den Welpen so liebt und mit ihm Freude auslebt und kuschelt? Ist das die Art, wie Ihr Eure Partnerschaft auch lebt. Fröhlich, unbekümmert, zärtlich, voller Hingabe?
Möglich ist auch, daß ein Babytier ähnlich wie ein Menschenbaby die eigenen Kindheitsgefühle und alten Kinderschmerz triggert. Wie war denn deine kindliche Bindung? Kennst Du das, so voll Vertrauen und Unbekümmertheit zu sein und so liebevoll umsorgt zu werden?
Das sind jetzt alles nur so meine spontanen Ideen und Assoziationen. Spür mal rein, vielleicht löst irgendeiner der Gedanken was aus bei Dir. Und wenn nicht, dann schau weiter und spür nach. Es ist doch ganz interessant herauszufinden, warum man genau so tickt und reagiert und fühlt, wie man es nun mal tut. Ganz ohne Bewertung.
Wenn Du Dich erstmal frei machst von dem Druck, der aktuell alles blockiert,, funktionieren und den kleinen Welpen lieben zu müssen, kannst Du bewertungsfrei und interessiert nachspüren, was los ist, was getriggert wird und wo deine Reaktion herkommt. Ich finde Deine Reaktion nämlich schon heftig, immer weinen zu wollen, zumal Du das ja sonst nicht von Dir kennst. Daher denke ich schon, daß es Gründe für die Reaktion gibt.
Der dritte Schritt wäre dann zu schauen, wie gehst Du und wie geht Ihr als Partner jetzt und zukünftig mit der Situation um.
Ich finde, es wäre durchaus eine legitime Möglichkeit, den Hund nicht mehr als Euren Hund anzusehen, sondern in erster Linie als den Hund Deines Freundes, der bei Euch wohnt. Und um den Du Dich in dem Rahmen mitkümmerst, wenn Dein Freund mal nicht da ist. Das würde Dir jetzt erstmal den Druck nehmen, den Hund bekuscheln, bespielen, erziehen und liebhaben zu müssen. Wenn Dein Freund eine gute Bindung zu dem Hund aufbaut und den Hauptpart übernimmt und sich konsequent und ausreichend kümmert, dann ist das aus Sicht des Hundes ok. Meist reicht es für einen Hund im Rudel einfach dabei zu sein. Da muß nicht so viel Brimboroum gemacht werden. Hunde müssen auch nicht ständig von allen Familienmitgliedern bespaßt und gekuschelt werden. Aus Hundesicht ist es völlig ok, wenn er von jemandem in Ruhe gelassen wird, der nicht seine vorrangige Bezugsperson ist, solange es eben eine andere vorrangige Bezugsperson gibt, die sich liebevoll kümmert.
Wäre das ein Weg für Dich und Euch als Paar?
Ansonsten wird es echt schwierig für Euch als Paar. Der Hund ist da und er gehört jetzt dazu. Ihn nach 4 Wochen wieder abzugeben ist nicht schön und offenbar ja auch keine Option für Deinen Freund.
Liebe Frau Holle, ich hoffe sehr und wünsche Dir sehr, daß das Zusammenleben zukünftig gut funktioniert und sogar Freude macht und sich vielleicht zukünftig irgendwann eine harmonische Akzeptanz oder sogar Bindung zu dem Hund entsteht, wenn Du jetzt liebevoller mit Dir selbst bist, Dir Deine Gefühle bewertungsfrei zugestehst, Dir Deinen Freiraum nimmst und Dich nicht weiter unter Druck setzt, funktionieren zu wollen, unbedingt positive Gefühle haben zu wollen. Laß Deinen Anspruch wie Du Deiner Meinung nach zu sein und zu fühlen hättest, los. Es macht doch keinen Sinn, was vorzuspielen. Das ist doch erst recht eine Belastung. Und blockiert innerlich alles.
Der Welpe spürt sowieso wie du fühlst, eben weil er auf der Gefühlsebene lebt. Und er ist übrigens der letzte, der Dich bewerten und deswegen verurteilen würde. Er nimmt dich so wie Du bist. Er kennt dich ja nicht anders. Solange Dein Freund das ausgleicht, wird er es gut verkraften, wenn Du Dich zurückhälst.
Aber erstmal ist doch wichtig, daß es Dir besser geht und Du den Druck losläßt und Dich nicht mehr so verurteilst. Ich wünsche Dir sehr, daß Entspannung und Leichtigkeit Raum findet und es dadurch für Euch 3 weniger belastend wird.
Und wenn Du ihn nicht zur Arbeit mitnehmen kannst oder möchtest, dann gibt es Hundebetreuungen. Lange alleinbleiben kann und sollte der kleine Hund nicht.