Hallo Sahin,
ich glaube Dir die Geschichte. Ich arbeite auch als Mediengestalter in der Branche und weiß, wie es da manchmal abgehen kann.
Habe mich ebenfalls über die Behörde auf meinen Wunschberuf umgeschult. Ich mag ebenfalls wie Du die kreative Arbeit seit Kindertagen und habe auch das "Händchen" dafür, also mit sehr ähnlichen Voraussetzungen wie Du eingestiegen.
Mein leitender Kollege meinte, dass meine Vorgehensweise bei einigen Prozessen nicht gut funktioniere. Da es aber auf dem Höhepunkt der Pandemie in Deutschland war, konnte ich es schon ein bissel verstehen, warum er jemanden wollte, der sich schneller einarbeitet.
Kommt mir bekannt vor. Das ist aber kein branchenspezifisches Problem, sondern bei sehr vielen Berufen der Fall. Ich vermute, das es Dich auch belastet, weil Du deinen eigenen Arbeitsrhythmus hast, der zu den Ansprüchen der Firmen nicht passt. Man soll immer schön und hochqualitativ, aber am besten vorgestern abliefern, was bei manchen Kreativen eben nicht funktioniert. Das macht Dich nicht per se zu einem schlechten Designer.
Außer vielleicht, dass ich bei Anstellungen wo ich in einem Team gearbeitet habe, oft Probleme hatte mich darin einzufinden. Bei Pausen z.B. wo wir zusammengesessen haben, war ich meistens der ruhige, der kaum was zu sagen hatte, da die meisten meiner Kollegen zumeist über Themen redeten wo ich nicht mitreden oder einklinken konnte. Ich fühlte ich oft als Aussenseiter. Ich gebe auch zu, dass ich etwas introvertiert bin. Aber nicht, wenn es um meine Leistungen geht. Ich habe immer versucht ein guter Arbeitnehmer zu sein. Immer pünktlich, praktisch nie krank und kein Problem damit, länger zu bleiben wenn es nötig ist.
Und auch hierbei können wir uns die Hand geben.
Ich bin auch eher zurückhaltend und werfe Extrovertierten ihre Art nicht vor. Ich akzeptiere sie, auch wenn ich es nicht verstehe. Andersrum müssen Introvertierte sich aber fast immer (durch die Blume) anhören, das mit ihnen "etwas nicht stimmt", was an Dummheit grenzt, denn das Thema ist wissenschaftlich ausreichend analysiert.
In der Gesellschaft ist es uncool, wenn man wirklich individuell ist. Man darf nur so individuell sein, wie es die Grenzen der Gesellschaft erlauben. Und ausgerechnet die ach so hippe, individuelle Werbebranche hat ein Problem mit ruhigen, individuellen Mitarbeitern, die nicht fließend ins Team übergehen. Alles muss euphorisch und nach Außen gerichtet sein, egal wie viel Dünnpfiff dabei rumkommt.
Ich habe in einigen Betrieben gearbeitet, Praktika gemacht etc. und die subtile Botschaft lautete am Ende: Es ist schön, wenn Du deine Arbeit gut machst und nett zu allen bist. Aber wenn Du nicht am laufenden Band mit uns quasselst und feierst, passt Du leider nicht rein.
Wenn Du dich verbiegst, hast Du neben dem Druck, alles richtig zu machen bald noch Depressionen. Drum lass es bringt nichts.
Trotzdem kann ich nicht erfassen was das Problem ist. Liegt es an mir? Habe ich vielleicht falsche Vorstellungen vom Job? Oder hatte ich vielleicht einfach nur eine Pechsträhne und bin ständig bei den falschen Arbeitgebern gelandet? Oder ist die Berufsrichtung trotz meines Talentes vielleicht doch nichts für mich? Oder ist es vielleicht neurologisch bzw. medizinisch bedingt ergo habe ich vielleicht ADHS oder so und weiss es nur nicht? Ich weiss nicht wie ich aus diesem Teufelskreis rauskomme.
Ich denke, dass Du ein Kreativer bist, der nicht in das Korsett der Branche passt.
Und Deine Vorstellungen entsprachen vielleicht nicht der Realität vom Berufsleben.
Dein Wesen "kollidiert" damit. Etwas das man vorher nicht wissen kann.
Und selbstständig hält man sich nur mal eben so über Wasser.
Stimmt zum Teil. Ich kenne 2 Designer, bei denen Selbstständigkeit die richtige Entscheidung war. Sonst hätten die auch hingeschmissen. Keine Lust aufs Büro und alles was damit kommt.
Es ist auch voller Risiken und nicht einfach. Aber Deine Kunden sind im Normalfall mit einer soliden, sauberen Arbeit zufriedener als eine Agentur, Chef o.ä wo Ansprüche an hohe Kosten und sehr hohen Termindruck gebunden sind.
Du würdest erst mal Kunden ziehen müssen (was sich irgendwann einpendeln sollte wenn Du was drauf hast und nach und nach Referenzen vorweisen kannst) und hättest vielleicht etwas mehr Frieden weil nicht jeden Tag ein Interessent anruft der ein Logo oder eine Website möchte.
Vielleicht erledigt sich der Verdacht auf ADHS usw. wenn Du dir deine Zeit selbst einteilen kannst.
Da müsstest du einen Chef suchen, der sowas trotzdem sieht und schätzt. Die gibt es auch, es dauert nur manchmal sie zu finden.
Ich glaube, dazu ist ihm die Luft ausgegangen. In der Branche ist das die Nadel im Heuhaufen finden.