In der aufgeheizten politischen Lage gerade würde ich sowieso kein Kind mit zur Demonstration schleppen.
Auf einer Demo ist ja irgendwo eh schon eine belastete Grundstimmung. Da gehst du ja nicht hin, wenn du mit der Welt im reinen bist, sondern wenn dir irgendwas nicht passt.
Ich weiß nicht, auf welche Demos du so gehst, aber ich finde das (und einige andere deiner Aussagen) tatsächlich sehr verallgemeinernd.
Es gibt durchaus Demos, bei denen eine positive Grundstimmung herrscht und die ruhig und friedlich ablaufen.
Davon abgesehen entscheidet man selbst, wie intensiv man teilnimmt. Läuft man ganz vorne oder mitten drin mit oder hält man sich eher am Ende und Rand des Zugs, wo sich die Masse bereits ausdünnt und man entspannt mitlaufen/mitfahren (--> Fahrrad-Demo) kann.
Wenn ich merke, dass die Stimmung und/oder das Verhalten anderer Menschen nicht gut für meine Familie ist, gehe ich wieder. Man kann eine Demo innerhalb von wenigen Sekunden durch ein paar Schritte zur Seite verlassen - wenn man nicht mittendrin steckt, aber davon würde ich, wie gesagt, jedenfalls absehen.
Zumal ein Kind von 4,5 oder 6 Jahren letztendlich ja gar nicht absehen kann warum es mit läuft und welche Meinung es vertritt. Ein kritisches Auseinandersetzen ist in dem Alter gar nicht möglich, daher liegt ja eine Instrumentalisierung durch die Eltern nahe.
Was genau verstehst du eigentlich unter "Instrumentalisierung"? Mich würde das ehrlich interessieren, denn du schriebst es bereits mehrfach, aber nach meiner Definition kann ich mit diesem Aspekt nicht ganz und vor allem ohne Differenzierung mitgehen.
Davon ab: auch junge Kinder haben ihre Ansichten zu gesellschaftlichen Themen, wenn natürlich altersentsprechend.
Beispiel: vor ein paar Jahren sollte eine Mitschülerin und Freundin meiner Tochter abgeschoben werden (- zu Unrecht, wie später vom Gericht festgestellt wurde). Unser Kind, damals acht Jahre alt, konnte das nicht verstehen (klar, ist auch ein komplexes Thema, das viele Erwachsene trotz sehr eindeutiger Positionierung nicht allumfassend verstehen). Sie hatte tausende Fragen und wollte sehr genau wissen, was da passieren soll und warum. Wir sprachen viel mit ihr darüber und beantworteten ihre vielen Fragen altersentsprechend so gut wir konnten und so detailliert wir möglich. (Tatsächlich gibt es auch einige Kindermedien, die schwierige, komplexe Themen sehr gut für Kinder aufbereiten, nur so als Hinweis).
Die Position unserer Tochter war jedenfalls klar und eindeutig. Unsere auch. Dass wir in dieser Sache der gleichen Ansicht waren, hat nichts mit "Instrumentalisierung" zu tun, sondern damit, dass es unmöglich ist, ein Kind wertneutral zu erziehen und sie natürlich durch unsere Weltsicht und Werte geprägt ist. Bei ihr rückte sehr schnell eine Frage ins Zentrum unserer Gespräche: "Können wir etwas tun? Und was?"
In der Schulgemeinschaft entwickelte sich eine Solidaritätsbewegung für die betroffene Familie. Damals demonstrierten Lehrer*innen, Eltern, Schüler*innen gegen die drohende Abschiebung. Meiner Tochter war es unglaublich wichtig, da mitzumachen. In meinen Augen war das eine sehr wichtige Aktion, um einer Familie Rückhalt und Unterstützung zu signalisieren und um ein Zeichen an Entscheidungsträger zu senden. Mein Kind hat darüber hinaus noch viel über demokratische Teilhabe, Menschlichkeit und Zivilcourage gelernt.
Und natürlich konnte sie in ihrem Alter nicht alle Hintergründe und Zusammenhänge vollständig verstehen, aber meiner Meinung nach, musste sie das nicht, weil sie das Wichtigste ohnehin kapiert hatte. Sie hat trotzdem ein Recht auf eine eigene Meinung und auch, diese auszudrücken.