Ich denke, auch gedankliche Konstrukte, Wahrheits-Übereinkünfte, philosophisch-weltanschauliche oder religiöse Ideen unterliegen den evolutionären Regeln: Was dazu beiträgt, sich einer spezifischen (räumlich-zeitlichen) Umwelt anzupassen, zu überleben und die Nachkommen am Leben zu erhalten, bleibt auch in der Gedächtsnisspur erhalten – so lange, bis das kein Vorteil mehr ist, sondern andere Erkenntnisse oder Ideen ihren Platz einnehmen.
Es geht im Bereich der Ideen also nicht darum, welche wahrer als andere ist, sondern welchen Einfluss eine Idee/Beschreibung der Welt auf diejenigen hat, die sie für wahr halten. Und für deren Umfeld, deren Nachbarn etc. ... wenn also eine bestimmte Vorstellung der Wirklichkeit dazu führt, dass jemand andere Lebewesen nach Belieben versklavt, ausbeutet, vertreibt, angreift, tötet – dann ist das keine, der ich gerne folgen möchte; so "wahr" sie auch klingen mag.
Hier hat Immanuel Kant durchaus einen wertvollen Punkt geliefert, von dem aus ich eine Idee und Vorstellung beurteilen kann: Was wäre, wenn sie zur Grundlage der allgemeinen Gesetzgebung und des alltäglichen Lebens aller Menschen würde?
Wären zum Beispiel Freundlichkeit, Güte, Liebe, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit die "höchsten Güter", ergäbe sich daraus ein anderes Gemeinwesen als wenn das Streben nach persönlichem Reichtum, nach Macht, nach möglichst kalorienreicher Nahrung und nach abwechslungsreicher Unterhaltung etc. die Leitideen darstellen.
Anderes Beispiel: Wenn ich denke, dass Menschen etwas ganz anderes/besseres/weiter entwickeltes sind als andere Lebewesen und ich daraus bestimmte Rechte ableite (z. B. dass ich sie einfach gefangennehmen und töten darf), dann ist das eine Idee, eine Vorstellung der Wirklichkeit mit gravierenden Folgen. Durchaus vergleichbar der Idee, dass bestimmte Menschen "höherstehend" wären und deshalb das Recht hätten, über andere und deren Freiheit/Leben zu verfügen. Vielen ist hier gar nicht bewusst, dass sie einer Idee nachhängen oder keiner "Wahrheit".