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Informatiker sein 2024: Fünf E's für ein Halleluja – Ein Essay zum Wochenstart

skippers

Neues Mitglied
Hallo zusammen. Dies ist mein erster Eintrag in dieser Gruppe auf Reddit.

Das Internet ist nicht nur Neuland, es ist auch kleiner, als man vielleicht denkt. Deshalb möchte ich im Sinne der Anonymität nicht zu viel über mich persönlich preisgeben. Vielmehr geht es mir darum, wie es euch aktuell in eurem Beruf geht, und ich möchte meine Eindrücke mit euch teilen. Ich hoffe, so ein besseres Verständnis für die aktuelle Arbeitssituation in unserer Branche zu gewinnen und auch neue Denkansätze für mich zu entwickeln – vielleicht sogar für alle, die dieser „Diskussion“ folgen. Ich freue mich auf Austausch und Beteiligung in einer neutralen, sachlichen Atmosphäre, fern von Politik und Hass. Schade, dass man das heutzutage betonen muss.



Entscheidung

In meiner Jugend habe ich viel Zeit vor dem PC verbracht und gezockt. Die Bedienung, Pflege und das Aufrüsten meines PCs war damals das Einzige, was ich der Gesellschaft zu bieten hatte. Nach meinem Realschulabschluss musste ich vor allem eines: eine Entscheidung treffen. Ich entschied mich für ein Fachabitur, eine Ausbildung und bin heute Fachinformatiker für Systemintegration. 15 Jahre später genieße ich meinen Job jedoch nicht so sehr, wie ich mir das ursprünglich vorgestellt hatte. Aber warum?



Entwicklung

Rückblickend würde ich mich nie als Nerd bezeichnen. Für mich ist ein Nerd einfach jemand, der sich intensiv und gerne mit einem Thema beschäftigt – egal, welches Thema das ist. Der Begriff wird oft mit der IT in Verbindung gebracht, aber für mich bedeutet er mehr als das. Auch wenn ich als Jugendlicher viel Zeit vor dem PC verbracht habe, waren meine Gedanken nie ausschließlich dort. Ich hatte damals schon viele Interessen und verbrachte meine Zeit vor dem PC einfach gern, je nach Laune. Mit den Jahren ist das Zocken dann in den Hintergrund gerückt, viel mehr, als ich es damals für möglich gehalten hätte. Ich interessiere mich weiterhin für neue Technik, probiere gern Dinge aus und bastle auch, wie ich es damals an meinem Gaming-PC getan habe. Gleichzeitig würde ich manchmal mein Smartphone gern aus dem Fenster werfen und könnte gut auf soziale Netzwerke verzichten – denn ich liebe es, mit Menschen persönlich zu sprechen. Puh...



Erwartung

In meiner Jugend hatte ich keine großen Erwartungen. Ich fühlte mich unter Druck – das möchte ich mal klarstellen. Dieser Druck nach der Schule oder in den letzten Jahren der Schulzeit dürfte vielen bekannt vorkommen. Meine Idee war es, in der IT zu arbeiten, in einem modernen Arbeitsumfeld, mit Kollegen auf Augenhöhe. Ich wollte ein Ziel anstreben, Zusammenhalt erleben und egoistisches Einzelkämpfertum überwinden. Jeden Tag neue Herausforderungen meistern und abends nach Hause kommen, um weiter zu zocken. Heute habe ich keine Lust mehr auf ständiges Zocken und noch mehr Bildschirmzeit.



Enttäuschung

Nach fast 10 Jahren im Beruf muss ich sagen: Hilfe! Alles, was ich jetzt schreibe, sind Gedanken und Überlegungen. Vielleicht liegt es an meinen frühen 30ern, vielleicht an der Besinnungslosigkeit der aktuellen Zeit, an der internationalen Hoffnungslosigkeit oder vielleicht an meiner eigenen Perspektive – aber ich bin sehr unglücklich, wo ich beruflich stehe. Und nach meinen Erfahrungen liegt das nicht direkt an meinem Arbeitgeber, sondern eher an der Branche selbst. Mein Vater war Schlosser und arbeitete monatelang an denselben Bauteilen für ein größeres Produkt. Er meinte einmal, ich wüsste gar nicht, wie sich das anfühlt. Ich würde sagen: Doch! Informatiker sein fühlt sich heute für mich wie Fließbandarbeit an. Auch wenn der Beruf unter dem Deckmantel von Innovation und Technik daherkommt, mache ich oft immer wieder die gleichen Dinge. Manche nennen es Routine, ich nenne es eintönige Arbeit und das „Verheizen“ von Mitarbeitern. Vielleicht liegt es gar nicht am Job selbst, sondern am Mangel an Wertschätzung und Individualität? Ich werde nicht schlecht behandelt, aber auch selten besonders gut – ich werde irgendwie gar nicht behandelt. Und irgendwann in den letzten Jahren bin ich eins geworden mit der grauen Wand in meinem Büro. Warum ist die IT so grau und schnörkellos wie eine alte Win98-Version? Warum ist das Bunteste in meinem Beruf der Windows-Hintergrund, der mir eine schöne, neue Welt vorgaukelt?

Mit der Zeit habe ich die IT in eine Ecke geschoben, wie ein Kind, das in der Schule mit Kreide geworfen hat. Ich gab meiner Berufswahl die Schuld. Ich gab mir selbst die Schuld für Leistungen, die nicht auf dem geforderten Niveau lagen.



Ehrlichkeit

Du liest es heraus: Vom anfänglichen Hobby in den Beruf geschlittert, die Realität mit dem morgendlichen Kaffee ins Bewusstsein gespült – und heute in den 30ern realisiert: Mist... Und jetzt? Jetzt möchte ich alles anders machen und versuche, den Tunnel, der über mir eingestürzt ist, freizuschaufeln. Ich habe ein Fernstudium begonnen und abgebrochen, weil mir, wie in einer schlechten Vampir-Oper, Zeit und Geld ausgesaugt wurden. Ich habe mich kreuz und quer beworben und bin auf der Stelle getreten. Ich habe nachgedacht und wollte alles hinschmeißen, um einfach auszubrechen. Am Ende und aktuell glaube ich, es liegt nicht an mir. Es wird einen Grund geben, den ich vielleicht noch herausfinden werde. Aktuell weiß ich, dass ich damit nicht allein bin und dass es vielen anderen in der Branche und in anderen Berufen ähnlich geht.
 

Selbst-Bewusst77

Aktives Mitglied
Ich kann die Gefühle erahnen.

Ich koche beispielsweise gerne, aber würde niemals als Koch arbeiten wollen.
Es ist ein Unterschied, ob ich mich mit Leidenschaft einem Gericht für vier Personen zuwende, oder unter ökonomischen Gesichtspunkten mit Convenience Produkten jeden Mittag und Abend kostendeckend ein Restaurant zu füllen habe, von Kantine oder Seniorenheim mit einem Essensbudget von vier Euro pro Person etc ganz zu schweigen.

Zumal in der IT in den nächsten Jahren der Leistungsdruck bestimmt rasant zunehmen wird,
weil immer mehr Routineaufgaben von DeepLearning Algorithmen übernommen werden, und die wenigen Spezialaufgaben an einen Spezialisten in Bangalore outgesourct werden können.
 

juka

Aktives Mitglied
Ich schließe mich an.. Früher fand ich alles im Zusammemhang mit IT total faszinierend. Konnte ich doch mein Hobby zum Beruf machen und dort meine Nerd-Attitüde ausleben. Heute denke ich mir: Klasse, manche Menschen tun wirklich was für die Gesellschaft oder sind in authentischem Kontakt, während ich so "entkoppelt" vor dieser anonymen Kiste hänge. Wie ein Geist.
 
ITler hier. Kann ich so unterschreiben und kenne zahlreiche Beispiele von Personen aus meinem Umfeld, die erfolgreich in der IT sind und denen es ähnlich geht. Es ist halt nicht erfüllend, beliebige Tickets/Arbeitspakete für einen Product Owner abzuarbeiten, der ständig neue Features verlangt und wobei es sowieso egal ist, ob nun Entwickler A, B oder C dieses Feature entwickelt, solange es fertig wird.
Immerhin wird (noch) gut gezahlt.
Ich habe dieses Problem auch noch nicht gelöst.
Ich glaube auch, es liegt nicht an mir. Oder doch?
 

skippers

Neues Mitglied
ITler hier. Kann ich so unterschreiben und kenne zahlreiche Beispiele von Personen aus meinem Umfeld, die erfolgreich in der IT sind und denen es ähnlich geht. Es ist halt nicht erfüllend, beliebige Tickets/Arbeitspakete für einen Product Owner abzuarbeiten, der ständig neue Features verlangt und wobei es sowieso egal ist, ob nun Entwickler A, B oder C dieses Feature entwickelt, solange es fertig wird.
Immerhin wird (noch) gut gezahlt.
Ich habe dieses Problem auch noch nicht gelöst.
Ich glaube auch, es liegt nicht an mir. Oder doch?
Hast du ganz allemein mal den Gedanken gehabt, ob du die IT mit etwas anderem verbinden kannst um eine Schnittstelle zu schaffen? Der Gedanke kam mir mal.
 

juka

Aktives Mitglied
Also ich fand es immer dann angenehm, wenn ich in den gesamten Entwicklungszyklus eingebunden war und mitgewirkt habe an Konzeption, Projektplanung, Implementation und Betrieb. Dadurch übernahm ich automatisch mehr Verantwortung und baute eine Beziehung zu dem Projekt auf, statt nur blöde Tasks am Fließband abzuarbeiten.
 

skippers

Neues Mitglied
Also ich fand es immer dann angenehm, wenn ich in den gesamten Entwicklungszyklus eingebunden war und mitgewirkt habe an Konzeption, Projektplanung, Implementation und Betrieb. Dadurch übernahm ich automatisch mehr Verantwortung und baute eine Beziehung zu dem Projekt auf, statt nur blöde Tasks am Fließband abzuarbeiten.
So geht es mir auch. Wenn ich von Anfang bis Ende in den Prozessverwickelt bin, habe ich einen ganz anderen Bezug zur Arbeit. Ich fühle mich viel verantwortlicher im positiven sinne. Ein wichtiger Punkt den man auf die "Change" Liste setzen kann! Danke! :)
 

LFM

Aktives Mitglied
SW-Tester hier.
Ich kann mich sehr gut in deine Lage versetzen, denn mir geht's nicht anders.

Alles wiederholt sich. Hamsterrad. Aber: noch gut bezahlt und sicher.

Ich hab auch keine Lösung.
 

LFM

Aktives Mitglied
Wenn ich dann noch regelmäßig mitbekomme, welche lächerlich unnötigen, gesetzliche Anforderungen bei uns im regulatorischen Umfeld umgesetzt werden müssen, weil wir sonst unsere Kunden verlieren, die diese Anforderungen aus Politik und Gesetztgebung allerdings genauso wenig gutheißen wie wir, sie aber umgesetzt haben müssen, könnte ich jedes mal alles hinschmeißen.

Tja. Und dann kommt die Werbung der IT Industrie wie fancy und up to date alles doch ist und was nicht schon alles geht mit dem neuesten Trends wie KI usw.

Da könnte ich regelmäßig kotz...

Wenn man mal genau sieht, welche Scheinheiligkeit da auch nach außen hin vermittelt wird.
Ich denke: Das ist in der ganzen IT-Branche so - nicht nur in unserer Firma.
Da führt dann leider auch Wegbewerben zu ner anderen IT-Firma nicht zum Ziel, beruflich wieder "Land zu sehen", wieder dafür brennen zu können meiner Meinung nach.
 
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