Das Thema ist sehr vielschichtig und einfach nicht unemotional zu führen, weil das persönliche, individuelle Sicherheitsbedürfnis genauso wie Ängste eben etwas durch und durch Emotionales sind und sich das nur begrenzt rationalisieren lässt.
Ich persönlich bin ein sehr freiheitsliebender, tendenziell auch unbekümmerter Mensch, der sich ungern von Eventualitäten und Risiken einschränken lässt. Vielleicht liegt es daran, dass ich in Marxloh aufgewachsen bin und eine gewisses Ausmaß an Krawall als normal empfinde, aber Angst auf der Straße egal zu welcher Uhrzeit oder auch auf abgelegenen Feldwegen kannte ich mein Leben lang nicht. Außerdem mag ich rationale, sachliche Betrachtungsweisen und wenn man sich statistische Berichte (!) anschaut, ist sehr klar zu erkennen, dass Deutschland immer sicherer und sicherer wird. Das ist ein Fakt. Dafür kann man sich zum Beispiel die Kriminalstatistik des BKA ansehen.
Journalistische, mediale Berichterstattung gibt selten ein ähnlich objektives Bild ab, vor allem, wenn über einzelne Vorfälle informiert wird. Je nachdem welchem Narrativ sich bedient wird, kann es die subjektiven Gefühle und Perspektiven der Konsument*innen stark beeinflussen und den Eindruck erwecken, als würde man heutzutage an jeder Straßenecke bedroht, belästigt, überfallen, verprügelt oder noch schlimmer werden.
Diese flächendeckende, extrem schnelllebige Art der Berichterstattung gibt es in der Form noch nicht so viele Jahre, vor allem auch nicht das Phänomen des "Weiterverbreitens" und "Viralgehens", das Nachrichten oft noch mal größer macht als sie sind, sie manchmal auch noch verzerren, aufbauschen, dramatisieren, verfälschen, etc. Das ist ein Effekt, der oft noch oben drauf kommt und eben auch Einfluss auf Menschen haben kann.
Das Wissen darum kann hilfreich sein und eigene Ängste und Bedürfnisse in einen rationalen, realistischen Kontext setzen.
Aber oft funktioniert das auch nicht. Das macht es auch so schwierig, über dieses Thema zu diskutieren. Wenn man nachts Angst hat und sich viel zu unwohl fühlt, um alleine draußen unterwegs zu sein, werden Statistiken das nicht ändern.
Auch den Hinweis, dass vor allem Gewalttaten überwiegend im persönlichen Umfeld stattfinden, sehe ich mittlerweile kritisch, auch wenn das für mich immer Teil meiner persönlichen Argumentation und Denkweise war, was meinen Umgang mit Risiken anging. Übergriffe und Gewaltdelikte finden auch außerhalb der eigenen vier Wände und auch auf offener Straße statt, das ist so.
Letztendlich ist es eine superpersönliche Angelegenheit, wie man selbst mit dem Thema umgeht. Ich finde, jeder muss für sich selbst entscheiden und seine Prioritäten setzen. Mir persönlich ist die unbesorgte, freiheitsliebende Denkweise deutlich näher, aber ich kann auch nachvollziehen, wenn das individuelle Sicherheitsbedürfnis größer ist als das Bedürfnis nach der Autonomie und Freiheit, sich unabhängig von möglichen Gefahren zu bewegen wo und wann man will. Mittlerweile kenne ich auch die Ambivalenz zwischen Ratio und Emotionen und weiß, dass man Angst haben und sich unwohl fühlen kann, obwohl der Verstand sich über die sehr, sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, absolut im Klaren ist. Wenn es mir in einer Situation so geht, dann gebe ich dem Gefühl nach. Ich muss niemandem etwas beweisen, auch mir selbst nicht, indem ich Ängste ignoriere und etwas mache, womit ich mich nicht wohl fühle.
Insofern denke ich, dass die Frage nach Leichtsinnigkeit und angemessener Vorsicht schlicht nicht allgemein zu beantworten ist. Es ist eine höchst persönliche Entscheidung, wie man sich verhält und die lässt sich eben nicht nur sachlich und objektiv treffen. Deswegen sollte auch niemand für seinen persönlichen Zugang zu dieser Thematik verurteilt werden. Finde ich.