Liebe Forumsmitglieder,
ich wende mich an euch, da ich schon lange in einer für mich misslichen Lage in meiner Partnerschaft stecke und allein keinen Ausweg finde. Es ist eine lange Geschichte, die ich deshalb in verschiedene Teile geteilt habe und bin dankbar für jede Einschätzung von außen.
Ich bin w, 32 Jahre alt, mein Partner ist m, 36 Jahre alt. Wir haben beide feste, gute Jobs und leben schon immer in getrennten Wohnungen (früher während des Studiums in Wohnheimen/WGs). Zusammengekommen sind wir vor 11 Jahren, wir haben uns damals während des Studiums in einer anderen Stadt kennengelernt und uns auf Anhieb toll verstanden. Es hat uns all die Jahre ausgezeichnet, dass wir uns immer und stundenlang über Gott und die Welt unterhalten konnten und uns nie auch nur eine Sekunde langweilig zusammen war - das war und ist bist heute etwas Besonderes für mich.
Jedoch war es mit der körperlichen Anziehung und damit auch Zärtlichkeiten und Sex ziemlich schnell vorbei - von meiner Seite aus. Damals konnte ich das noch nicht richtig einordnen, mittlerweile denke ich aber, dass ich unter einer ausgeprägten Beziehungsangst leide. Es ist typisch für meine Beziehungen, dass ich nach einigen Monaten ganz plötzlich Beklemmungen bekomme, die Gefühle für meinen Partner verliere und dann auch keine Körperlichkeit mehr zu ihm zulasse bzw. mich regelrecht davor grusle. Da ich meinen Partner aber unglaublich für seinen Charakter schätze, wir uns unfassbar gut verstehen und ich weiß, dass er mich nach wie vor sehr liebt, habe ich seitdem versucht, an der Beziehung festzuhalten. In den ersten zwei Jahren konnte ich Sex noch sporadisch zulassen, ehrlicherweise war es nach einer anfänglichen Hochphase von ein paar Monaten jedoch sehr selten und wir hatten oft monatelang keinen Sex. Das letzte mal Sex hatten wir dann an Silvester 2015/2016 und ich erinnere mich noch, dass es sich damals wie eine Pflichtübung für mich anfühlte. Danach haben wir bis Ende 2019 so gut wie ohne Körperlichkeit gelebt. Geredet haben wir darüber nie. Ich habe das Thema nie angesprochen, da ich mich geschämt habe und ihn nicht verletzen wollte und auch er hat das Thema nie angesprochen. Heute fällt mir auf, dass wir generell nie wirklich über uns als Paar geredet haben. Wir konnten uns immer unfassbar gut unterhalten, aber emotional intime Kommunikation über uns als Paar hat nie stattgefunden.
An dieser Stelle muss ich schmerzlich zugeben, dass ich mich in der Zeit immer mal wieder für andere Männer interessiert, mich sozusagen immer mal wieder fremdverknallt habe. Ich habe also kein generelles Problem mit Sexualität, aber es erscheint mir so als könnte ich Anziehung und Begehren immer nur für kurze Zeit für eine Person empfinden, bis Anziehung und Begehren ganz plötzlich verschwinden und ich beginne, mich für andere Männer zu interessieren. Ich schäme mich sehr dafür und leide dann immer unter starken Schuldgefühlen, die mich sehr belasten, da ich meinen Partner weder emotional noch körperlich betrügen möchte, aber meine Gefühle nicht im Griff habe. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als nur meinen Partner zu wollen, nur ihn zu sehen und nur ihm alles geben zu können, was er sich wünscht. Er ist der wundervollste Mensch den ich kenne und ich möchte ihn so gerne glücklich sehen…
Wir sind dann beide für das Studium in eine Großstadt gezogen, in der wir heute noch leben. Rückblickend bin ich mir nicht sicher, ob wir damals bereits eher freundschaftlich nebeneinander her gelebt haben. Generell bin ich mir unsicher, inwiefern sich eine gute Freundschaft von einer Beziehung ohne Körperlichkeit unterscheidet. Bis 2019 haben wir noch regelmäßig beieinander geschlafen, jedoch ohne groß zu kuscheln oder ähnliches und das Küssen hat sich auf einen Kuss zur Begrüßung und zum Abschied beschränkt. Aber wir haben viel Zeit zusammen verbracht, haben viel zusammen unternommen, die neue Stadt kennengelernt, aber auch viele gemütliche Abende auf dem Sofa verbracht. Ich habe die Zeit mit ihm immer genossen, aber mich nie wieder nach mehr Körperlichkeit, Sex oder Küssen mit ihm gesehnt. Anziehung und Begehren kamen meinerseits leider nie zurück. Soweit ich mittlerweile weiß empfindet er diese dagegen auch heute noch für mich und leidet sehr darunter, dass wir diese Art von Nähe nicht teilen.
Seit wir uns vor 11 Jahren kennengelernt haben hat mein Partner schleichend bis zu 30 kg zugenommen, was dazu geführt hat, dass er nachts stark schnarcht. So stark, dass ich oft kaum neben ihm schlafen konnte. Viele Nächte waren für mich unerträglich, ich musste immer auf Sofa ausweichen und selbst dort habe ich ihn manchmal noch gehört. Leider hat er mich früher nie wirklich ernst genommen, wenn ich versucht habe ihm klar zu machen, dass ich nachts nicht schlafen kann und wenn er mehrere Nächte hintereinander bei mir schläft total gerädert bin. Rückblickend kann ich sagen, dass es ihm peinlich war, genauso wie seine Zunahme - ein weiteres Thema, das wir jahrelang neben der fehlenden Körperlichkeit einfach ausgeklammert und nie angesprochen haben. Ich habe mich dafür geschämt, dass mich seine Zunahme stört, denn ich möchte meinen Partner so lieben wie er ist und ihm nicht das Gefühl geben, er sei nicht gut genug, so wie er ist. Und er hat sich für seinen Körper geschämt…
Ich denke, ich war dann bereits eine ganze Weile nicht mehr glücklich in der Beziehung, als ich mich Ende 2019 in einem Streit von ihm getrennt habe. Im Wesentlichen waren meine Gründe die fehlende körperliche Anziehung, dass ich sein Übergewicht als sehr unattraktiv empfand und nicht das Gefühl hatte, dass er dagegen angehen möchte und dass er einfach generell weniger Drive hat, als ich bzw. wir auf dieser Ebene sehr unterschiedlich sind. Die Trennung war damals sehr schmerzhaft, aber es hat sich auch irgendwie wie ein Befreiungsschlag für mich angefühlt. Ihm so das Herz zu brechen und ihn leiden zu sehen hat mir jedoch extrem zugesetzt, es war unglaublich schwer auszuhalten für mich. Ich konnte dann jedoch relativ schnell nach vorne schauen, habe mich auf Tinder angemeldet, wollte mich ausprobieren, habe generell wieder mehr unternommen und habe mir die Beziehung eigentlich nicht zurück gewünscht. Während der Corona-Zeit haben wir uns dann jedoch schleichend wieder angenähert, da er nach einer OP für mich da war und ich einige Tage bei ihm verbracht habe. Über den Zeitraum von ca. einem Jahr haben wir dann einfach wieder immer mehr miteinander unternommen, jetzt allerdings ohne beieinander zu übernachten und auch Küsse zur Begrüßung bzw. zum Abschied gab es nicht mehr, denn wir haben nie darüber gesprochen, ob wir wieder zusammen sein wollen. In diesem Jahr waren wir außerdem beide auf Tinder unterwegs und haben uns gegenseitig von Dates erzählt. Ich habe die Trennung damals gleich meinem Umfeld gegenüber kommuniziert, er nicht. Rückblickend weiß ich, dass er wohl gehofft hatte, dass wir wieder zusammenkommen. Und nach gut einem Jahr hat er mich das erste mal wieder gefragt, ob ich übers Wochenende mit zu seiner Familie fahren möchte und ich habe zugestimmt, da ich seine Familie sehr gern habe. Und so sind wir schleichend wieder in eine Art Beziehung gerutscht, in der wir gemeinsam unsere Familien besucht und viel unternommen haben und irgendwann auch wieder täglich ganz normal Kontakt hatten, wie vor der Trennung. Auch Urlaub haben wir zusammen gemacht, teilweise sogar gemeinsam mit unseren Familien.