Ich denke im Großen und Ganzen meinen Menschen das Gleiche, wenn sie in unserem Kulturkreis von (romantischer) Liebe sprechen. Es existieren doch recht klare gegenseitige Erwartungen an sich und den anderen, Vorstellungen darüber was gar nicht vereinbar ist mit Liebe und auch darüber, was unabdingbar ist. Findet ihr nicht?
Ich hab da lange drüber nachgehirnt, was Liebe für mich ist. Entsprechend lang der Post 🙃
Wen es interessiert, für mich beinhaltet romantische Liebe folgende Punkte, die auf Gegenseitigkeit beruhen:
- ich habe aufrichtige, positive, tiefe und andauernde Gefühle für diese Person, diese sind in deren Persönlichkeit begründet
- ich bin langfristig am Wohlergehen dieser Person interessiert
- ich bin bereit zu vertrauen und erweise mich selbst als vertrauenswürdig und zuverlässig, kontinuierlich über die Zeit hinweg
- ich räume uns eine Exklusivität ein was die Intimität (nicht nur die sexuelle ist gemeint) zwischen uns angeht
- die Bedürfnisse und Gefühle dieser Person besitzen einen hohen Stellenwert für mich und finden in meinem Alltag Beachtung, ich räume diesen einen gleichrespektierten Platz neben meinen eigenen ein
- ich bemühe mich um das Gelingen der Beziehung
- es ist grundsätzlich reziprok (Geben und Nehmen in möglichst fairer bzw. beide zufriedenmachder Verteilung)
- ich bin mit dem anderen auf Augenhöhe und respektiere, dass wir beide Individuen, nicht nur Partner sind
- unsere Beziehung beruht auf Freiwilligkeit, wir wollen Zusammensein, sollte sich einer von uns trennen wollen ist das zu respektieren
- keiner entmündigt den anderen indem Wichtiges vorenthalten wird, weil etwa Konsequenzen gescheut werden
Das ist eine ziemliche Liste und es benötigt eine Reihe von Fähigkeiten um sie (gut) erfüllen zu können.
Der Wille und das Vermögen zu
- affektiver Empathie und
- Selbst-Reflektion und Kritikfähigkeit.
- Urvertrauen ist vorhanden
- die Fähigkeit tiefe und langlebige Gefühle für andere zu entwickeln
- die Fähigkeit sich und andere realistisch zu sehen
- die Fähigkeit emotionale, stabile Bindungen aufzubauen
- Nähe zuzulassen
- die Fähigkeit gut für sein eigenes Wohlergehen sorgen zu können
- die Fähigkeit Grenzen zu setzen und zu respektieren
Ich kann manches davon gut, manches so mittel und auch etwas eher schlecht. Dazu kommt das Leben um einen herum. Entsprechend gestalten sich meine Beziehungen.
Tiefe, zeitüberdauernde Freundschaften sind wesentlich weniger auf den anderen im Alltag ausgerichtet und lange nicht so exklusiv und intim und in meinem Fall immer platonisch. Aber im Grunde basieren sie auch auf diesen Bedingungen und fallen für mich dann unter Liebe.
Die Liebe zu eigenen Kindern zuletzt ist nicht reziprok sondern bedingungslos, im Gefälle vom Versorgenden zum Abhängigen, Versorgten, daher per se ungleich und zielt auch nicht auf zusammenbleiben sondern auf loslassen, auf Eigenständigkeit eines Tages, sie ist unendlich, bis dass der Tod uns scheidet (für eine romantische Liebe kann ich das nicht so selbstverständlich von mir sagen). Und auf ihre eigene Art tiefer als jede andere Form der Liebe für mich.
Davon abgesehen existieren für mich noch jede Menge Schattierungen wie Sympathie, Zugeneigtheit, Wohlwollen etc. oder auch Begehren, Verliebtsein. Das grenze ich persönlich von Liebe ab. Ich verwende das Wort nur selten und nicht leichthin. Aber das ist individuelle Geschmacks- und Auslegungssache.