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Mein Problem mit "Sei doch einfach wie du bist"

Carpenter

Mitglied
Ja, der Spruch ist Quatsch. Jedenfalls für Leute ohne ein stabiles Selbstbild.

Man kann nicht man selbst sein, ohne zu wissen, wer man eigentlich ist. Genauso besteht man nicht nur aus einem Anteil, sondern aus vielen verschiedenen. Es ist ein Unterschied, ob man sich selbst weiterentwickelt, weil man sich selbst hasst oder, weil man sich selbst liebt und sich gerne etwas Gutes tut.

Ein einfaches Modell ist die Spaltung in ein inneres Kind (Herz) und einen inneren Erwachsenen (Verstand).

Dein inneres Kind bestimmt dein Fühlen und Handeln. Es sucht evtl. die fehlende Aufmerksamkeit und Liebe, die es von seinen Bezugspersonen nicht bekommen hat. Im Prinzip ist es relativ hilflos in der Welt. Es ist oft unsicher, überfordert und hat Angst vor den Aufgaben, die das Leben zwangsweise stellt.

Was macht man mit einem weinenden Kind? Man tröstet, ermuntert und beruhigt es.
Was sagen sich die Leute stattdessen? Dass sie Versager sind. Klar, hat man dann keinen Bock überhaupt noch irgendwas zu machen. Man tritt und vergewaltigt ein Kind und erwartet, dass es dann noch produktiv ist. What the Fu**, man.

Also gibt es noch einen inneren Erwachsenen, also eher der rationale Anteil. Er kann das innere Kind trösten, ermuntern, beruhigen und die Aufgaben übernehmen.

"Sei du selbst" ist also nur förderlich, wenn es heißt, dass man seine Schwächen, Stärken und Erfahrungen akzeptiert. Man begegnet den Herausforderungen des Lebens trotz bzw. mit seinen eigenen Schwächen und Verfehlungen. Glücklicherweise hat jede Person auch Stärken.

Beispiel zum besseren Verständnis:
A weiß, dass er in dem jetzigen Job nicht vorankommt. Also ist die Lebensaufgabe den Job zu wechseln.
Sein inneres Kind ist sich unsicher und hat Angst, dass A versagen könnte.
Der innere Erwachsene sagt dem inneren Kind, dass der derzeitige Beruf einfach nicht erfüllend ist und nicht mehr den aktuellen Fähigkeiten entspricht. Er verspricht sich nach einer besseren Alternative umzuschauen.
A ist also bekräftigt, dass er sein Leben in eine neue positive Richtung lenken kann. Sein inneres Kind ist beruhigt, denn der Erwachsene konnte glaubhaft vermitteln, dass es im Bereich des Möglichen liegt.
Somit ist es A möglich, sich persönlich weiterzuentwickeln.

Ich denke, es wurde ersichtlich, was ich meine.
Wer sich ausführlicher damit beschäftigen möchte: "So stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl" - Stefanie Stahl
 

unschubladisierbar

Sehr aktives Mitglied
Mit der Motivation "Du willst was ändern, dann änder dich selbst" hab ich mich gerade viel weiter gebracht.
Den Spruch finde ich nun wieder nicht so gut. Ich würde ihn ergänzen. Willst du etwas ändern, dann ändere deine Sichtweise/ Einstellung oder akzeptiere die Dinge die du nicht ändern kannst und löse dich von den Dingen die die dir im Weg stehen. Es kommt halt immer auch darauf an in welchem Kontext man diese Sprüche sagt oder aus welcher Sichtweise man sie interpretiert.

Bestes Beispiel:
Ich bin nicht auf der Welt um so zu sein wie die Anderen es wollen.
Sichtweise 1: Ich muss es nicht jedem Recht machen und lass mich nicht verbiegen. Ich muss nicht jeden gefallen.
Sichtweise 2: Ich mache was ich will und scheiß drauf ob ich anecke oder jemanden damit verletzte. Ich nehme keine Rücksicht wenn ich mein Ziel erreichen will.

Letztendlich finde ich die meisten Sinnsprüche daneben. Es sind hohle Phrasen die man, je nach Situation von sich geben kann. Nicht jeder Sinnspruch ergibt in jeder Lebenslage Sinn oder kann sogar kontraproduktiv sein.
Und zu vielen Sprüchen gibt es einen Spruch, der genau das Gegenteil sagt. Aber genausoviel Zustimmung findet.

Bsp.:
Jeder bekommt seine gerechte Strafe : Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen
Jeder ist seines Glückes Schmied : Der Mensch plant, und das Schicksal lacht darüber.

Aber ich finde es gut wenn dir dieser Spruch, in deinem Kontext weiterhilft und genau der Spruch ist bei dem es bei dir klick macht.
 

GrayBear

Aktives Mitglied
Einen Plan und ein Ziel zu haben bedeutet noch lange nicht, dass dieser Plan funktioniert und man das Ziel erreicht. Was für eine platte Erkenntnis. Aber mit einem Plan und einem Ziel kann etwas beginnen. Wenn ich keinen eigenen Plan und kein eigenes Ziel habe, dann muss ich mir eben Menschen suchen, die einen Plan haben und Menschen brauchen, um ihr Ziel zu erreichen und ich muss "nützlich" sein. Aber "Wer wartet, wo kein Bus hält ...".

Jeden Spruch kann man als hohle Phrase abtun, bis er genau das trifft, was gerade fehlt. Wenn ich nicht habe, WAS gerade gebraucht wird, wenn ich nicht da bin, WO es gerade gebraucht wird und wenn ich nicht liefern kann WANN es gebraucht wird und wenn niemand von mir weiß, DASS ich es liefern kann, dann habe ich einige Dinge übersehen und muss aus meinen Fehlern lernen. Ich muss Ursache und Wirkung erkennen können und ich muss mich damit abfinden, dass es nicht andauernd um mich gehen kann.

Zu erkennen, dass ich gerade in einer besch...n Situation bin ist eines. Aber ich sollte mit meinem Verstand auch erkennen, ob ich mir gerade meine Tränen und meine Schwäche leisten kann. "Alles hat seine Zeit". Dieser Spruch aus der Bibel erschien mir immer brutal und egoistisch, gefühllos und wie ein Fluch. Bis ich angefangen habe zu begreifen, wie sinnlos viele meiner inneren Widerstände waren und sind. Wenn ich mir meine Wertlosigkeit und die Sinnlosigkeit meines Daseins wie ein Mantra ständig vorbete, dann fehlt mir genau diese Zeit und diese Kraft, um daran etwas zu ändern.

Ich bin ganz bestimmt keine dieser Jubeltröten, die alles fantastisch und unglaublich finden und meinen, dass sie damit die Welt retten. Manches im meinem Leben bekomme ich einfach nicht hin. Also muss ich lernen, dass das, was ich nicht hinbekomme nicht mein ganzes Leben steuert. Ich muss nicht die ultimative und alles überstrahlende Lösung finden, die noch Generationen inspiriert! Ich muss nur eine Lösung finden, damit meine Jolle nicht absäuft und ich mich weiter um den richtigen Kurs kümmern kann.

Wer sich selbst für einen Versager hält, bitteschön. Kann jeder halten, wie er will. Schließlich kann es dafür genug Beweise geben. Aber was einen Versager erst in der Wolle färbt ist die Bereitschaft, es dabei zu belassen oder von dieser Welt zu erwarten, dass doch bitte jede Anstrengung belohnt gehört. Ja, es gibt viel zu bedauern auf dieser Welt, ganz ohne Zweifel und es gibt Zeiten, in denen man genau das tun muss, denn Tränen können helfen, den eigenen Blick zu klären . Aber Tränen sind auch wie die Wasserspritzer auf der Windschutzscheibe: in diesem Moment ihres Auftreffens sieht man noch weniger.

Wer gerade keinen Plan und kein Ziel hat, die/der sollte sich selbst zwei Fragen stellen: 1. Was fehlt? und 2. Was wird gebraucht? Beides kann identisch sein, muss es aber nicht. Aus den Antworten entsteht ein Ziel und auch ein Plan. Wer ein "Sauertopf" ist, muss seine Röcke raffen und das immer und immer wieder ein wenig überwinden. Wer einsam ist, muss lernen Kontakte zu knüpfen. Wem das Geld fehlt, muss den Umgang damit erlernen und wer auf den Mond will, muss sich etwas länger vorbereiten vermute ich mal.

"Sei wie Du bist" soll einem nach meinem Kenntnisstand nur sagen: "Nimm den Kopf aus dem Allerwertesten und kümmere Dich nicht nur um die eigene Sch...e!" Das verkrümmt nur die Wirbelsäule und Du siehst nicht, was um Dich herum vorgeht. Schau wer Du bist, was Du hast und was Du kannst und dann finde heraus, was fehlt und was gebraucht wird. Und schon kannst Du etwas bewegen und bewirken und aus Deinen und den Fehlern anderer etwas lernen. Es gibt die Zeit für die Trauer und das Erkennen des eigenen Versagens und das ist sinnvoll oder vielleicht auch nur notwendig. Aber dann ...
 
G

Gelöscht 79650

Gast
Für mich bedeutet es genau das. Wenn ich charakterlich schüchtern oder ängstlich oder wütend bin oder ich eben dazu neige eher meine Zeit mit Isolation zu verbringen oder mit Selbstmitleid, dann ist das meine (Momentane) Art wie ich bin. Das mag ich aber nicht also so lange ändern bis ich es mag.
Ich verstehe das gut. Solche Sprüche sagen wenig bis nichts und ich finde es immer gut, wenn man aus einer alten Haut hinausschlüpft und sich entwickelt.
 
G

Gelöscht 123484

Gast
Jedenfalls kannst Du Dir schon so manches Etikett selber anhängen.
Du hättest es anders machen können und wolltest es aus Sturheit oder Überzeugung nicht.
Das ist nun der Preis dafür.
Mehr oder weniger hast Du Dich selber ins Abseits geschossen.
Ich sehe es eigentlich ein bisschen so, wie Yara hier:

Ich denke nicht, dass du dich ausgegrenzt fühlen musst.
Wenn man ein ruhiger Mensch ist, dann wird man in den Köpfen der Mitmenschen als ruhig und unauffällig abgespeichert.
Du stehst zwar nicht im Mittelpunkt, fällst nicht auf, gibst nicht den Ton an, aber du tust etwas ganz wichtiges, du bist da! Oft merken die anderen erst, dass da jemand fehlt, wenn der Unsichtbare aus ihrem Kreis mal wegfällt. Und dann kommen sie von selbst.
Vielleicht solltest du anfangen deinen Bekanntenkreis auszusortieren. Ich denke du bist so wie du bist super. Und du solltest gar nicht darüber nachdenken was du tun könntest um wahrgenommen zu werden.
Wir stark ist die Verbindung zu deinen Freunde, oder sind es nur solche, mit denen du ab und zu etwas unternimmst? Gibt es dort unter ihnen jemanden, bei denen du dich sicher fühlst und bei ihm mal deine Sorge ansprechen kannst? Eigentlich sollte ein guter Freund dabei zuhören können und sich in deine Lage versetzen können und ebenfalls ernsthaft darauf antworten.
Denn Menschen, denen du wichtig bist nehmen dich wahr!
Wenn ich den Personen und meiner Verwandtschaft wichtig gewesen wäre, hätten sie mehr auf meine SMS reagiert und mich mit eingebunden.
 
X

XXXXXGuest

Gast
'Sei wie du bist', bedeutet für mich nicht, dass ich mich nicht zu ändern brauche.

Der Wunsch nach Entwicklung gehört zu mir.

Wenn ein Keimling aus einem Samenkorn wächst und zu einer Pflanze wird, dann wächst er, dann ist er, wie er ist.

Man muss erst anerkennen, was da ist, dann erst kann man etwas verändern, glaube ich.
 

_vogelfrei

Sehr aktives Mitglied
Dieser Spruch wurde mir schon so oft erzählt und es ist in meinen Augen einfach falsch und demotivierend.
Für mich gibt es so etwas wie einen "gefestigten" Charakter schlicht und ergreifend nicht. Jeder Mensch lernt immer dazu und jeder Mensch entwickelt sich, egal ob er lernt, dass man mit bestimmten Personen einfühlsamer reden muss oder in bestimmten Situationen anders handeln muss. Das Leben ist voller Möglichkeiten zu lernen und wer mir da erzählt, er würde sich charakterlich nicht mehr entwickeln hat scheinbar kein Verständnis wie das Leben eigentlich funktioniert.

Für mich klingt ein "Sei doch einfach wie du bist" ähnlich wie ein "Entwickle dich nicht weiter". Ich bin 26 Jahre alt, bin bald Arbeitslos, übergewichtig und Jungfrau und sitze den ganzen Tag vorm Computer. Mich jetzt einfach nur selbst zu akzeptieren und zu sagen "Das ist in Ordnung so, sei einfach wie du bist" bringt mich überhaupt nicht weiter. Ein "Du musst jetzt was ändern" hingegen wäre motivierend.

Das Gleiche gilt für Sätze wie "Auf jeden Topf passt ein Deckel, die Richtige wird schon kommen". Netter Hintergedanke aber wenn ich hier weiter auf meinem dicken Popo sitze wird mein "Deckel" (Ich bin eindeutig der Topf) mit Sicherheit nicht an meine Tür klingeln. Wenn man nicht aktiv wird kann auch nix passieren.

Seit einem Jahr gehe ich jede Woche einmal zur Psychotherapeutin und arbeite wie verrückt daran mich selbst zu akzeptieren so wie ich bin. Aktuell hat sie angesprochen, dass es doch Ok wäre, wenn ich von Arbeitslosengeld leben würde. Ich bin also wirklich dabei zu akzeptieren, dass berufliches vollversagen "ok" ist? Ernsthaft? Wer bin ich? Arno Dübel?

Mit der Motivation "Du willst was ändern, dann änder dich selbst" hab ich mich gerade viel weiter gebracht. letzte Woche war ich noch tief in meiner Depression und bin Abends um 5 Uhr schlafen gegangen um dann morgens um 11 Uhr total kapput aufzustehen, an den Computer zu gehen und den ganzen Tag Videos zu schauen und nach dem ich diesen Gedanken hatte, dass Selbstakzeptanz alleine nicht der Richtige Weg ist und es lediglich einen ersten Schritt in Richtung Ziele darstellt war ich viel Aktiver. Ich hab heute sogar eine Liste mit Zielen, die ich in Zukunft erreichen will erstellt. Ich bin stolz darauf kleine Schritte gemeistert zu haben. Ich bleibe garantiert nicht so wie ich bin. Wie ich bin nervt, es macht mich depressiv und ich habe genug Zeit mit Akzeptanz verschwendet.

Und bevor das falsch rüber kommt. Es ist nicht mein Ziel hier die Leute zu ärgern, die solche Sprüche immer wieder schreiben, sondern eher mir selbst online einen Text zu schreiben, den ich immer wieder nachlesen kann um mich daran zu erinnern.

Liebe Grüße
Euer Altpapier
Ich finde Selbstakzeptanz hat eine ziemlich große Bandbreite. Ich bin Freundin radikaler Akzeptanz, was für mich aber überhaupt nicht bedeutet, dass ich für immer bleibe wie ich bin. Im Gegenteil, Wandel ist Teil des Lebens und wird somit natürlich auch akzeptiert.
Ich selbst kann mit vielen psychologischen Techniken wenig anfangen, genau wie dich zu viel Akzeptanz stresst/ nervt, ist es bei mir die Aufforderung sich ständig zu optimieren. Mit diesem Gedanken stand ich mir selbst sehr lange im Weg und ich kam nicht richtig weiter, war unglücklich, weil ich zu wenig getan habe, um mich zu verändern, etc. pp.
Mich nervt übrigens auch, wenn Leute so seichte Lebensweisheiten raushauen. Akzeptanz ist für mich gar nicht seicht, sondern mitunter ganz schön hart. Aber dadurch auch irgendwie spannend. Ich habe eine neugierige Haltung entwickelt: "Ach interessant, was ist da alles in mir? Und wieso ist das da? Und wie kann ich damit umgehen? Aha - aha, so ist das also :) "

Inzwischen denke ich, dass es da einfach unterschiedliche Typen Menschen gibt. Diejenigen, die sehr gut und straight kontinuierlich an sich arbeiten können und andere, denen das eher schadet. Und natürlich sehr viel dazwischen.

Ein Aha Moment war für mich als mal jemand zu mir sagte, ich könne nur verändern, was ich akzeptiert habe. Denn vor der Akzeptanz steht das "nicht annehmen", das dagegen vorgehen, der Kampf gegen sich selbst, der sehr viel Kraft kostet. Schlussendlich ist das auch einfach nur ein inneres Bild, das für mich passt. Viele Dinge, die ich angenommen habe, sind jetzt gar nicht mehr so wichtig, während sie früher ein Riesending waren, gegen das ich irgendwie angehen wollte.

Bei Therapie geht`s zu großen Teilen darum, Ideen, Gedanken, Interpretationen von dir selbst zu finden, die für dich passen. Und das ist doch super, wenns für dich passt, manchmal merkt man erst durch den inneren Widerspruch/ Widerstand, was man will.

Und noch ein letzter Gedanken: Akzeptanz ist nicht gleich mögen. Sondern eben erstmal betrachten, hinschauen, es da sein lassen. zB die Lethargie und die Angst. Oder auch große Sehnsüchte. Akzeptanz heißt für mich nicht zB die Arbeitslosigkeit einfach hinzunehmen, sondern eher die Gefühle, die dahinter stehen nicht "weghaben zu wollen", sondern dasein zu lassen.
 
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