Ich denke ebenfalls nicht, dass der Zölibat alleine das Problem ist. Also teils schon, ich denke, vergewaltigte Nonnen könnte man mit dessen Aufhebung vielleicht schon vermeiden. Aber Priester mit einer ansonsten gesunden Sexualität werden wohl eher versuchen, sich ne heimliche Geliebte oder so zu halten. Die Kirche zahlt nicht umsonst haufenweise Unterhalt an heimliche Priesterkinder.
Das Problem ist mehr, dass es nun mal eine gewissse Anzahl an Personen (meist Männer, aber nicht nur) gibt, die eben keine gesunde Sexualität haben. Die sich also zu Kindern hingezogen fühlen und//oder zu sexuellen Machtspielen. Und die suchen sich (teils unbewusst) Orte, wo sie möglichst viel Zugriff auf potenzielle Opfer haben und wo möglichst wenig Fragen gestellt werden.
Und wo hat man Zugriff auf Opfer? Nun historisch gesehen hauptsächlich in der Kirche. Viel Missbrauch lief dort übrigens gar nicht so versteckt ab wie heute oft gedacht. Meine Mutter meinte, jeder hätte in den 60ern gewusst, dass der Dorfpfarrer gerne junge Mädchen antatscht. Aber wenn ein Mädchen darüber gesprochen hatte, wurde nicht der Pfarrer vom Vater verdroschen, sondern das Mädchen. Weil "sowas sagt man nicht über einen Pfarrer!". Priester hatten einfach zu lange einen Freifahrtsschein für alles, gesellschaftlich völlig akzeptiert. Viele Skandale waren durchaus sichtbar, aber keiner wollte was beizeiten dagegen machen. Das war die damalige Gesellschaft.
Heute sind es übrigens vorwiegend Sportvereine, in welchen Missbrauch stattfindet. Die Eltern würden sich zwar durchaus dafür interessieren, allerdings reden Trainer den Opfern erfolgreich ein, dass sie sie nicht zu Wettbewerben anmelden würden, wenn sie was sagen. Aus Angst vor einem Ende der eigenen Sportkarriere sagen viele Kinder nichts.
Und: der meiste Missbrauch findet immer noch im privaten Umfeld statt. Man muss dem eigenen Bruder nicht unterstellen, dass er dein Kind missbrauchen will, wenn er es üppig beschenkt und viel mit ihm macht. Vielleicht liebt er die Kinder tatsächlich einfach nur auf eine Weise, die sich gehört. Wenn dein Kind aber plötzlich nur noch ungern zum Onkel (oder auch zum eigenen Vater) geht, sollte man hellhörig werden und vorsichtig nachfragen, was los ist. Dasselbe gilt für jegliche andere Person, bei der das Kind den Kontakt urplötzlich zu meiden versucht.
Wir müssen Kinder und Jugendliche besser darin schulen, was okay ist und was nicht. Dass es etwa grundsätzlich nicht okay ist, wenn der Trainer oder sonst wer einen zwischen die Beine fasst. Sagt jemand was, muss man das ernst nehmen und darf nicht herkommen von wegen "der/die will doch nur Aufmerksamkeit und lügt".
Was wir ebenfalls brauchen: bessere Anlaufstellen für Personen, die merken, dass mit ihrer Sexualität was nichts stimmt. Dass sie sich z.B. zu Kindern hingezogen fühlen. Die brauchen die Möglichkeit, z.B. unter Vorwand einer Depression eine Therapie zu machen und bei Bedarf auch Zugang zu lustsenkenden Medikamenten.
Auch wir als Gesellschaft müssen uns ändern. Indem wir genauer hinschauen. Und es Personen nicht übel nehmen, wenn sie zugeben, dass sie mit ihren Fantasien so ihre Probleme haben, solange sie noch keine Tat begingen und sich stattdessen Hilfe suchen. Denn nur, wenn man nicht gleich völlig abgestempelt wird, findet man die Offenheit, sein Umfeld zu warnen, sodass es zum Wohle aller besser aufpasst.