Es fällt mir schwer, aber bin ich herzlos, wenn ich obwohl er in der Klinik ist, den Kontakt abbreche? Ich möchte es eigentlich nicht, aber es reicht mir so langsam. Alles dreht sich seit Monaten nur noch um Ihn. Kaum ein nettes Wort, statt dessen fast nur noch Stress oder die Ruhe vor dem Sturm. Ich bin es einfach leid... Ich erwarte nicht, dass es immer nur glücklich zu gehet aber so auch nicht, Krankheit hin oder her..
Ich verstehe, dass du dir diese Gedanken machst; denn du bist offenbar genau wie ich darauf gedrillt worden, ständig ein schlechtes Gewissen zu haben und die Bedürfnisse anderer eher zu erfüllen als deine eigenen (die du vielleicht schon gar nicht mehr kennst?). Aber kasiopaja und Biddi haben recht. Auch du hast nur dieses eine Leben. Du bist nicht moralisch verpflichtet, dich für deinen Bruder regelrecht aufzuopfern, sodass du am Ende genauso krank bist wie er. Damit hilfst du ihm ja auch nicht einmal. Es führt nur dazu, dass es noch einen psychisch Kranken mehr gibt. Welchen Sinn macht das?
Auch ich habe in dem dir per PN geschilderten Fall für diese Erkenntnis sehr lange gebraucht. Habe auch das Gefühl, dass ich mich von der jahrelangen Belastung zwar zu einem gewissen Teil, aber nicht 100 %ig erholt habe. Noch bis vor ca. zwei Jahren habe ich über Nacht den Klingelton bei meinem Festnetztelefon abgestellt, teils sogar tagsüber, weil ich mich jedes Mal erschreckt habe. Anrufe mit unterdrückter Rufnummer werden nicht mehr zu mir durchgestellt. Ich habe mir ein anderes Mobiltelefon zugelegt, damit ich über die alte Nummer nicht mehr erreichbar bin. Anrufe unter meiner dienstlichen Nummer habe ich durch einen Anwalt verbieten lassen; zum Glück wurde dieses Verbot seither beachtet. Bin schneller nervös und ausgepowert als früher; wahrscheinlich liegt das zumindest nicht ausschließlich am fortgeschrittenen Alter. Im Beruf muss ich bei hohen Anforderungen trotzdem funktionieren. Hat bisher auch geklappt, aber ob es das in zwei, fünf oder zehn Jahren immer noch tut? Andere, die solche Belastungen in ihrer Herkunftsfamilie nicht über so viele Jahre hatten wie ich, konnten sich jedenfalls mehr auf ihre Selbstdarstellung und ihr berufliches Fortkommen, vor allem aber auch auf ihr eigenes privates Glück konzentrieren und sich in ihrer Freizeit besser erholen. Ist doch klar, dass man dann viel unbeschwerter ist. Und unter einem glücklichen Leben stelle ich mir auch was anderes vor, als sich jahrzehntelang für kranke Verwandte aufzureiben, die das nicht zu schätzen wissen. Ich bekam zum Dank für meine Bemühungen auch nur einen A...tritt und wurde sogar in einem Gerichtsverfahren verleumdet (allerdings erkannte auch der Richter schnell, was Sache war).
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