Muss ich das so verstehen, dass Du unsere rechtsstaatliche Ordnung dann über Bord wirfst?
Wenn eine demokratisch gewählte Mehrheit etwas beschließt, ist es undemokratisch und gesetzwidrig, den Beschluss zu sabotieren.
Ich denke, was Hempel meint, bezieht sich auf "Notstandslagen": natürlich ist ein absoluter Notstand denkbar, wo auch sonst demokratische Entschlüsse zugunsten der absoluten Schadensabwehr in den Hintergrund treten dürfen.
Nicht alles was demokratisch beschlossen wurde steht über allem.
Es gibt Notfälle, Notstandsregelungen, Eilverfahren...da geht es nicht darum, einen Beschluss zu sabotieren, sondern um zB größeren Schaden abzuweden.
Während Corona haben wir das ja zB erlebt: Also demokratische Gesetze, die hinter Notfallverordnungne getreten sind. Sowas ist eben in unserer Verfassung (die ja ihrerseits die Demokratie schützen muss) vorgesehen, weil die Väter unseres Rechtsstaates eben ganz genau wussten, dass der Rechtsstaat per se nicht nur durch sich selbst geschützt werden kann: Es gibt auch Notfälle, wo der Rechtsstaat "vor sich selbst" geschützt werden muss.
Also wenn geltende Gesetze im Notfall eher schaden würden, darf und muss auch über diese Gesetze hinweg Handlungsspielraum sein.
Natürlich mit allen Kontrollen und Kriterien, die erfüllt sein müssen.
Aber ja: Diesen Fall gibt es und der ist vorgesehen und wichtig!
Und eben nicht per se eine "Sabotage" oder undemokratisch.
Ich denke, DAS hat Hempel auch gemeint. Es gibt nunmal immer die Möglichkeiten von Bedrohungen (von innen und außen), die ein Handeln erfordern.
Wir leben in einer Demokratie, hier darf jeder tun und lassen, was er möchte, solange er nicht gegen Gesetzte und Verordnungen verstößt.
Aber was ist, wenn die Demokratie ihrerseits den Rechtsbruch "beschließt"? Wie schützt sich die Demokratie dagegen?
Oder anders gesagt: ist es automatisch demokratisch und rechtsstaatlich, nur weil es "gewählt" wurde....
In Russland wird der Präsident auch immer "demokratisch" gewählt und in der DDR ...naja, da ist das demokratisch ja schon im Namen....
Also unsere Verfassungsväter haben schon durchaus auf dem Schrim gehabt, dass die Demokratie auch vor sich selber mitunter geschützt werden muss. Und denen war ja mehr als bewusst, dass es immer wieder Situationen geben wird, in denen Feinde der Demokratie versuchen werden, ihr demokratiefeindliches Handeln demokratisch zu legitimieren und damit "reinzuwaschen". Das war denen nicht nur bewusst, das saß denen noch in den Knochen.
Ich empfehle hierzu nur immer wieder, sich mal den alten Fritz Bauer anzuhören: Einer der Väter unseres Rechtsstaates. (unbedingt anhören: DA lernt man, was Rechtsstaat ist bzw sein soll!)
von ihm stammt der bekannte Satz:
"ich glaube, es ist eine traurige Wahrheit, dass wir unserem Affenzustand noch sehr nahe sind und dass die Zivilisation nur eine sehr dünne Decke ist, die allezu leicht abblättert"
Wenn man ihm zuhört, weiß man eigentlich, worum es geht.
Es geht eben nicht um einen starren "Demokratiebegriff" der mehr oder weniger nach Schema F alles tut, was das Volk nun angeblich oder tatsächlich will (oder was man ihm vielleicht nur in den Mund legt...wäre ja nicht das erste mal in unserer Geschichte) sonder auch um ein klares Bekenntnis zum Humanismus und den Menschenrechten. Demokratie bedeutet eben auch nicht "Selbstbedienungsladen" oder Beliebigkeit (alles ist gut, wenn es nur gewählt wurde) sondern auch Opfer des Einzelnen für das Gemeinwohl und es bedeutet, die Demokratie auch immer wieder neu zu verteidigen: Gegen Angriffe von außen aber auch von innen!
Das ist der Geist, in dem unsere Demokratie steht. Und ich finde, darauf sollten wir auch stolz sein!
Und das ist eben was anderes, als zu sagen: Wenn es gewählt wurde ist es demokratisch und dewegen ist es gut. Punkt! (egal ob es uns letztlich sogar schadet oder unsere Moralischen Werte unterwandert oder unsere Demokratie im Endeffekt zerstört)
Beispiel: Demokratie bedeutet ja auch nicht, dass alles stumpf vom Volk entschieden wird. Dann wäre das Land, das über ALLES Volksentscheide abhält, das demokratischste: Wir alle können uns leicht vorstellen, dass es das nicht ist. Also genau deswegen wählen wir Volksvertreter! Also Menschen, von denen wir erwarten, dass sie sich auskennen bzw informieren um das umzusetzen, was in unserem Interesse ist. (und das muss nicht unbedingt das sein, was man im Akuten Fall tatsächlich WILL oder überhaupt überblicken kann)
Brauchen wir als Deutsche neue C423b? Woher soll der Bürger das wissen? ER KANN es nicht wissen und deswegen wählt er leute, die er als Souverän dafür beauftragt in seinem Interesse dies zu entscheiden.
Ist das ein Flugzeug?
Eine neue Waffe?
Ein Medikament?
oder doch nur eine Erfindung von Vio?
Anders gesagt: in den 30er jahren hieß es auch, das eine Mehrheit für die NSDAP war... vielleicht war das so, aber es wäre demokratischer gewesen, rechtzeitig einzuschreiten, als das Volk in die Katastrophe ziehen zu lassen (falls ein Einschreiten überhaupt jemals möglich gewesen wäre)
Aber das ist leider ein Demokratieverständnis, das gerade nicht besonders populär ist....zu oft wird die Zustimmung zur eigenen Haltung als Demokratischer Wille übersetzt.