Ich musste diese Entscheidung heute treffen. Einer meiner Wellis war sehr krank. Schon letztes Jahr war er wegen diverser Probleme (Leber, Niere) in Behandlung. Es ging im daraufhin besser. Wie es mit unheilbaren Krankheiten aber leider nun mal so ist, werden diese tendenziell nicht besser...
Seit einiger Zeit schon hat Freddy mehr geschlafen und sich kaum mehr am Sozialleben beteiligt. Sein "Partner" fing an, ihn zu ignorieren, der dritte im Bunde teilweise damit, ihn zu belästigen/mobben - um ihn dann wieder zu kraulen. Er hat wenig gepiepst. Er hat zwar gefressen/getrunken und man merkte ihm an, wie sehr er mitmachen wollte... Aber es ging halt immer weniger. Letzte Woche dachte ich schon, der Tag wäre gekommen. Dann hat er sich etwas berappelt. Abends wurde er etwas munterer, hat dann auch etwas gepiepst. Er konnte nicht mehr fliegen, hat es aber versucht, wenn er auf der Erde war, und auch höhere Punkte gesucht, um besser abspringen zu können. Durch klettern, z.B. an meiner Bettdecke hoch. Gestern kletterte er sogar noch (vom Boden aus) auf meine Hand. Und wollte sich auch an meinem Gesicht hochziehen, das hat gekitzelt...
Heute konnte er kaum mehr den Käfig hochklettern. Als ich heute die über anderthalbstündige Fahrt mit Bus und Bahn zum Tierarzt auf mich genommen hatte, war mir klar, dass ich Freddy möglicherweise nicht mehr mit nach Hause nehmen würde. Ein Kumpel kam noch dazu, hat mich begleitet.
Die Tierärztin sagte, er hätte Wasser im Bauch, einen Tumor. Sein Herz mache Probleme. Und an seinem Fuß entwickle sich Gicht. Es gäbe schon die Möglichkeit, ihn zu behandeln. Mit etlichen Medikamenten. Herzmedikament, Schmerzmittel, Entwässerungsmittel. Der Ausgang wäre nicht klar, was und inwieweit es anschlgen würde. Es könnte auch akut schlechter werden.
Klar war, dass er nie mehr gesund werden würde. Die Behandlung würde höchstens palliativ unterstützend wirken, meinte sie.
Die Prognose war echt zu düster. Ich wollte ihn nicht leiden sehen. Die Spritze hatte sie schon geholt. Dann hat er sich umgedreht, angefangen die Hirse zu knabbern, die ich ihm ins Transportkörbchen gepackt hatte... Ich musst erst noch mal, unter Tränen, rausgehen, überlegen. Da habe ich meine Mutter angerufen. Und sie meinte auch, dass es, und ich wisse es auch tief in mir, besser wäre, ihn gehen zu lassen. Und ja - Die Alternative wäre höchstens für mich eine genehmere, aber nicht für das Tier gewesen.
Bin dann wieder rein mit meinem Kumpel, wir mussten erstmal nochmal warten. In der Zeit habe ich ihn gekrault, mich verabschiedet. Ihm gesagt, wie lieb ich ihn habe. Und mich für die Jahre, die er bei mir verbracht hat, bedankt. Auch im Therapieraum habe ich ihm das gesagt, sein Köpchen ein letztes Mal gekrault. Ich glaub, da schlief er schon. Er bekam zunächst eine Spritze, damit er einschläft. Die richtige Euthanasie wollte ich nicht sehen, da bin ich rausgegangen...
Ja, es tut wahnsinnig weh. Umso verblüffter war ich über die Reaktion anderer, die da waren. Eine Frau kam, als ich draußen noch am Überlegen war, zu mir, mit Papiertüchern. Hat gesagt, sie versteht meinen Schmerz, vor einer Woche hatte man ihr eine ähnliche Prognose gestellt. Ein älteres Ehepaar hatte ebenfalls eine ähnliche Diagnose erhalten, deren Vogel hatte fast dieselben Krankheiten wie Freddy. Die Frau hat auch geweint. Sie haben sich aber noch einmal umentschieden und für die Medis entschieden. So, wie ich das verstanden habe, hat der Vogel mit Therapie eine weitere Lebenserwartung von 2-4 Wochen. Schätze, bei Freddy wäre es ähnlich gewesen...
Eine weitere Frau hat, als sie mich sah, auch angefangen zu weinen. Ob als Reaktion auf mich oder einer eigenen Tragödie (oder beides) weiß ich nicht.
Die Arzthelferin kam am Ende, als wir gingen, zu mir raus, und hat mir selbstgemachte Mandelkekse einer Patientin angeboten, als kleinen Trost. Sehr nett 🙂
Auch mein Kumpel hat mit den Tränen gekämpft. Selbst mein Vater kam mich ohne Murren abholen, weil ich nicht mit den Öffis zurückkehren wollte. Das ist tatsächlich nicht so selbstverständlich.
Jetzt sitze ich hier und muss mit dieser Entscheidung leben. Es tut weh. Verdammt sogar. Ich sehe den Käfig und er ist nicht mehr da.
Aber diesmal denke ich, dass ich damit, auf Dauer, besser meinen Frieden finden könnte. Warum? Weil ich nicht tatenlos dagesessen bin, weil ich Freddy begleitet habe, mich verabschieden konnte. Dem Tier zuliebe eine erwachsene Entscheidung getroffen habe.
Ach ja, für eine Sekunde, als ich in die Eingangshallte zurücktrat, hatte ich so ein seltsames Empfinden. Als ob etwas von mir abgefallen wäre. Sich gelöst hat. Nicht mein Schmerz oder Erleichterung. Eher (und das möchte ich halt einfach glauben) habe ich gespürt, wie er gegangen ist...
Er ist jetzt an einem guten Ort. Er hatte keine Angst vor menschlicher Nähe, hat sich auch mal an der Hand vorbeigedrückt oder ist drüber weggeklettert 🙂 Er war ruhig, selbstbewusst und durchsetzungsfähig gegenüber seinen Artgenossen. Ich hoffe, er wacht über sie 💛💚