Und das ist eben nicht so. Manche Trinker hören einfach so auf, weil die praktischen Probleme ihnen über den Kopf wachsen. Und nicht jeder Trinker hatte eine schlechte Kindheit oder verdrängt irgendwas. Manche werden abhängig weil der Stoff eben verfügbar ist, sie das gut vertragen und sie vorübergehend auch leistungsfähiger sind.
Sorry, aber das ist hochgradig naiv. Du meinst genau zu wissen, warum jemand aufhört. Dabei funktioniert so ein Mensch eben nicht wie eine Maschine, mit einer plumpen eindimensionalen Kausalität, die man von außen mit Sicherheit verifizieren kann. Es kann schon sein, daß Leute auch ohne Konfrontation mit ihrer traumatischen Kindheit es schaffen aufzuhören. Das leugne ich nicht. Aber wenn du behauptest, nicht jeder Alkoholiker habe eine schlechte Kindheit gehabt, dann ist das wirklich der Gipfel des Nichtwissenwollens. Da solltest du als Berufshelfer mal deinen Horizont erweitern. Es steht natürlich jedem frei zu glauben, daß Leute einfach so trinken oder zwanghaft lügen, weil sie die Möglichkeit dazu hatten oder sich angeblich besser fühlten. Aber ich finde es schon bedenklich, wenn jemand aus der "Praxis" solche Scheinerklärungen für glaubwürdig hält.
Ein Damatiner-Institut gründe ich nicht. Ich bin Berufs-Helfer und weiss genug von der Sache, und zwar aus der Praxis.
Das ist halt die Frage, ob du deshalb wirklich genug weißt. Deine Haltung ist ja auch keineswegs selten. Man trifft sie wohl häufiger bei Männern, die eher technisch, zweckorientiert, scheinrational da rangehen. Aber ich finde es halt trotzdem befremdlich, wie man gerade als Helfer behaupten kann, die Frage nach dem Warum bringe nichts, weil man die Vergangenheit ja nicht ändern könne. Das ist so, als ob man jemanden dazu auffordert, einen veritablen Teil seines Selbsts weiterhin zu leugnen.
Das ist eine typische Abwehrhaltung, die ich an deiner Stelle hinterfragen würde. Niemand wird einfach so aus Jux Alkoholiker oder zum Münchhausen-Lügner. Wir müssen ja hier auch keinen künstlichen Streit vom Zaun brechen. Mich hat nur dieser weltfremde Blick auf das Psychische verwundert, der meiner Meinung nach die natürlichen emotionalen Dynamiken leugnet und unterschätzt. Als ob man ein Roboter sei, der funktionieren müsse. Aber deine Sicht ist relativ weit verbreitet. Viele Leute tun sich schwer damit, die traumatischen Hintergründe von allerlei Phänomenen zu realisieren. Leider auch in der akademischen Psychologie oder Psychiatrie.
Wäre ja schön, wenn Lassy sich hier noch mal zu Wort melden würde.