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Kann keinem mehr was beibringen

G

Gast

Gast
Ich unterrichte Mathematik.

Einst durchaus erfolgreich, stehe ich nun am Scheidewege: Die Kenntnisse, die die Schüler aus der Sekundarstufe I mitbringen, werden immer geringer, und ich schaffe es nicht mehr, da noch was dran zu reparieren.

Der oberste Jahrgang geht noch, ist inzwischen sogar ganz gut geworden, aber der Jahrgang darunter, in dem geht gar nichts mehr. Und darunter sieht es auch zappenduster aus.

Meinem Eindruck nach ist der derzeit oberste Jahrgang, also die Abiturienten, der letzte, dem ich noch was beibringen konnte.

Der Jahrgang darunter, da kann man wochenlang was machen, eine Woche später ist alles wieder vergessen. Die nächste Klausur dürfte einen Schnitt um 5,0 haben. Es sei denn, ich überrede meine Kollegin, den Schülern die Klausur zu schenken, aber das werd ich nicht tun.

Einen Test in meinem anderen Fach in dem Jahrgang habe ich grade korrigiert, der fiel sonst eigentlich immer recht gut aus, bei denen aber ist die Hälfte 5 und 6. Noch ein Jahrgang tiefer, auch mein Zweitfach: An Dämlichkeit kaum zu überbieten. Wenn man die Fläche eines Raumes haben will, addiert man Länge und Breite, oder man multipliziert die Länge mit der Raumnummer, so ein Mist ist inzwischen Standard. Aber Abitur will man dafür haben.

Was 10% von 250 sind oder die Hälfte von 4/7: Kollektiv keine Ahnung, aus ganzen Klassen schafft das keiner mehr. Geschweige denn, dass jemand mal eine Binomische Formel anwenden könnte.

Wir haben auch noch einen Bildungsgang, der nur zur Fachhochschulreife führt, da krieg ich regelmäßig Antworten, die ich mir nur noch dadurch erklären kann, dass die Schüler bekifft sind. Vielleicht sind sie es tatsächlich, ich frag mich manchmal, wie ich das herausfinden könnte.

Was mach ich bloß die nächsten Jahre?

Meine Kollegen zu fragen hat keinen Zweck, die haben eh alle aufgegeben, meist seit Jahren schon.

Ob ich mich vor die Klasse stelle und versuche, denen Mathematik beizubringen, oder ob ich gleich weg bleibe, macht im Ergebnis keinen Unterschied mehr.

Vielleicht frag ich demnächst in der Klausur

"Was ist die Ableitung von f(x)=exp(-x²) ?
a) 42 Quadratmeter
b) -2x*exp(-x²)
c) Angela Merkel"

und wer das dann richtig rauskriegt, kriegt eine 4?

Ich weiß einfach nicht, wie das noch gehen soll.

Die Schüler aus dem Bildungsgang, der zur Fachhochschulreife führt, würden nicht einmal eine so dämlich einfach gestellte Aufgabe hinkriegen. Da läuft das so:

"Du hast zwei rote und eine grüne Kugel in einem Beutel und holst ohne zu gucken eine Kugel davon heraus. Mit Welcher Wahrscheinlichkeit ist die gezogene Kugel rot?"

Schüler meldet sich: "1/3"

"Nein, nicht ganz. Überlegt noch mal: Da sind ZWEI rote und EINE grüne Kugel drin. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für eine ROTE Kugel?"

Anderer Schüler meldet sich: "1/4?"

"Nein, wo soll denn da eine 4 herkommen? Da sind DREI Kugeln in dem Beutel, davon ZWEI rote."

Der nächste versucht es: "1/6?"

Anderer Schüler: "3/4?"

Nächster Versuch: "3/2" (interessante Wahrscheinlichkeit...)

Und das nachdem man schon wochenlang Wahrscheinlichkeitsrechnung gemacht hat, bei 16 Jahre alten Schülern, die einen Realschulabschluss haben.

Ist das ohne ausgiebigen Drogenkonsum überhaupt noch zu erklären? Aber wie soll ich sowas dann unterrichten? Wie soll man die zu einer Fachhochschulreife führen?
 
G

Gast147893325

Gast
So scheint´s heute eben zu laufen. Ich hatte früher ja immer noch daran geglaubt, dass da - vor allem bei den Abschlußprüfungen - eine natürliche Auslese stattfindet. Falsch gedacht - ich bekomme in der Firma Bachelorabsolventen vor die Nase gesetzt, die weder richtig lesen noch schreiben können, deren kognitive Fähigkeiten enorm beschränkt sind und die bzgl. dem studierten Fachbereich nicht den geringsten Schimmer haben.

Aber Hauptsache, das Smartphone kann man bedienen...
 
C

chrismas

Gast
Warum fragst du die Schüler nicht einfach mal, warum sie auf die jeweilige Schule gegangen sind?

Ich denke, die meisten werden antworten, weil ich dieses und jenes werden möchte und haste nicht gesehen, denn die meisten Ausbildungsbetriebe verlangen selbst für solche Berufe, wo es total unsinnig ist, einen Realschulabschluss usw usw usw. Dies kommt aber nicht von ungefähr, sondern zieht sich durch alles mögliche.

Leistungsgesellschaft heißt hier das Zauberwort und den meisten Kindern kann man nicht einmal mehr direkt sagen, dass sie scheitern werden, sondern muss sie schlicht und ergreifend scheitern lassen.
 
A

Archeo

Gast
Der Fehler, den viele Lehrer machen, ist die Schuld ausnahmslos bei den Schülern zu suchen. Dabe liegt es meistens daran wie etwas vermittelt wird und nicht was bzw. wem.

Jeder von uns war schließlich mal Schüler. Wenn ich mich an meine Zeit zurückerinnere, dann hatte ich den besten Zugang immer zu dem Stoff, der auf interessante Weise mit der nötigen Abwechslung präsentiert wird. Eine große Rolle spielte dabei auch die Sympathie zum Lehrer. Es fällt einem nunmal leichter, einem Menschen zuzuhören, der eine positive Ausstrahlung hat und mit echter Freude am besten noch humorvoll sein Fach vermittelt. Sowas kann sehr ansteckend wirken!

Leider machen es viel zu viele Lehrer so, wie Weidebirke es vorschlägt. Sich auf die zwei bis drei "Streber", die vorne sitzen konzentrieren, die restlichen 20 ignorieren und sich hinterher wundern, warum der Klassenschnitt so schlecht ist.

Darüber hinaus zeichnen sich m. E. die wirklich guten Lehrer durch eine ausgeprägte Empathie und Gespür für ihre Schüler aus. Wenn zum Beispiel ein Schüler oder eine Schülerin sehr passiv im Unterricht ist, bedeutet das nicht immer Desinteresse. Es können auch tiefergehende Probleme dahinterstehen. Vielleicht wird das Kind gemobbt und traut sich deswegen nicht? Vielleicht ist es noch schlimmer und es befindet sich in einem dissoziativem Zustand?

Das und vieles mehr kommt vor. Manche Lehrer sehen das und unternehmen etwas, manche sehen und ignorieren es, die meisten sehen gar nichts außer ihren Studienstoff und erhobene Meldefinger. Es muss jeder selbst wissen, zu welcher Sorte man gehören möchte.
 
G

Gast (TE)

Gast
So scheint´s heute eben zu laufen. Ich hatte früher ja immer noch daran geglaubt, dass da - vor allem bei den Abschlußprüfungen - eine natürliche Auslese stattfindet. Falsch gedacht - ich bekomme in der Firma Bachelorabsolventen vor die Nase gesetzt, die weder richtig lesen noch schreiben können, deren kognitive Fähigkeiten enorm beschränkt sind und die bzgl. dem studierten Fachbereich nicht den geringsten Schimmer haben.

Aber Hauptsache, das Smartphone kann man bedienen...
Oh je, kriegt man mit solchen Fähigkeiten heute nicht mehr nur Abitur, sondern auch einen Bachelor?

Noch hoffte ich, dass wenigstens die Universitäten da irgendwann einen Schlussstrich ziehen und die Leute nicht weiterkommen lassen.

Ich habe allerdings nun einen Referendar, der schon mehrfach Probleme mit simpler Mathematik hatte. Gut, er will keine Mathematik-Lehrer werden, hat aber ein MINT-Fach... Noch hoffe ich, dass jeder einfach mal ein Brett vorm Kopf haben kann und dass ich aus Einzelfällen nichts schließen kann, aber ich habe schon Sorge, dass es keine Einzelfälle bleiben.

Aber ist es meine Aufgabe, dem fachliche Unfähigkeit zu attestieren, wenn die Uni ihn für fachlich geeignet erklärt hat?

Warum fragst du die Schüler nicht einfach mal, warum sie auf die jeweilige Schule gegangen sind?

Ich denke, die meisten werden antworten, weil ich dieses und jenes werden möchte und haste nicht gesehen, denn die meisten Ausbildungsbetriebe verlangen selbst für solche Berufe, wo es total unsinnig ist, einen Realschulabschluss usw usw usw. Dies kommt aber nicht von ungefähr, sondern zieht sich durch alles mögliche.
Ja, das zieht sich durch alles. Für einfache Berufe, für die früher ein Hautschulabschluss gereicht hätte, wird heute Abitur verlangt.

Hat aber auch insofern einen Sinn, als die, die nur Realschulabschluss haben, ja heute gar nichts mehr können. Nach dem Abitur kann man eher hoffen, dass die wenigstens lesen und schreiben können. Aber das hat dann idiotischerweise zur Konsequenz, dass Leute, die nie studieren wollen, differenzieren und integrieren lernen müssen.

Aber es ist nicht so, dass meine Schüler alle in eine Ausbildung wollen, ein guter Teil bildet sich tatsächlich ein, hinterher studieren zu können. Da rauf ich mir die Haare.

Leistungsgesellschaft heißt hier das Zauberwort und den meisten Kindern kann man nicht einmal mehr direkt sagen, dass sie scheitern werden, sondern muss sie schlicht und ergreifend scheitern lassen.
Also schlicht und ergreifend scheitern lassen?

Das krieg ich nicht durch, drei Viertel scheitern zu lassen. Ich werde also über kurz oder lang Klausuren stellen müssen, die man auch bekifft noch problemlos hinkriegt. Multiple Choice mit nur einer halbwegs denkbaren Antwort, oder die Antwort in die Aufgabenstellung reinschreiben und nur raussuchen lassen oder Aufgaben so stellen, dass man sie nur noch in den CAS-Rechner eintippen und das Ergebnis ablesen muss.

Hallo,

ich verstehe deinen Frust. Da du augenscheinlich an einer Gesamtschule unterrichtest, empfehle ich dir den Wechsel an ein Gymnasium. Dort findest du mehr Schüler, die mit dem Oberstufenstoff (noch) zurechtkommen.

Verliere nicht den Mut!
Berufskolleg, nicht Gesamtschule. Wechsel ans Gymnasium ist mir leider nicht möglich, hab ich versucht, vor langer Zeit schon.

Und doch, den Mut verliere ich. Es hat einfach keinen Zweck mehr. Ich kann machen, was ich will, die lernen nichts mehr. Geht einfach nicht.

Die Einführung des CAS-Rechners hat der Sache den Todesstoß versetzt, aber der CAS-Rechner ist nicht die Ursache des Problems. Er vernichtet nur den kümmerlichen Rest, der noch verblieben ist und ohne CAS auch nicht mehr lang geblieben wäre.

In meinem anderen Fach hat auch eine schwachsinnige Lehrplanänderung dafür gesorgt, dass die Schüler nun restlos überfordert sind. Aber auch da gilt: Man könnte ja mit vielem leben, nur wenn die Schüler nicht einmal mehr die Grundrechenarten sinnvoll anwenden können, dann ist es einfach irgendwann vorbei. Egal ob mit neuem Lehrplan oder mit altem.

Man sollte sich an denen festhalten, die engagiert und interessiert sind. Und davon gibt es immer zwei oder drei.
Gibt es die noch?

Du hast ja recht, und ich habe mir immer wieder vorgenommen, solange noch ein einziger Schüler in der Klasse etwas versteht, will ich wenigstens ihn unterrichten und die anderen notfalls links liegen lassen.

Solang ein Drittel der Klasse noch was taugt, geht das ja auch noch. Aber jetzt im zweithöchsten Jahrgang, da habe ich vielleicht noch eine. Und die eine ist still, einfach von ihrer Art her. Sie versteht, aber redet nicht. Das würde echt schwer, den Unterricht nach ihr auszurichten.

Und ich werde nicht damit durchkommen, drei Vierteln Fünfen und Sechsen zu geben. Das gibt fürchterliches Theater.

Oder muss man das Theater mal durchfechten, in dieser extremen Form?

Dafür würde sich der Bildungsgang anbieten, der zur Fachhochschulreife führt. Eine rechtliche Änderung hat den schwächeren Schülern die Alternative zu diesem Bildungsgang genommen, so dass in diesem Bildungsgang nun alles zusammengebrochen ist. Mir scheint aber, dass meine Mathematik-Kollegen (und ein Teil der anderen) nicht Willens sind, das Niveau nun weiter ins völlig Bodenlose zu senken. Es könnte also sein, dass die Karre mit vereinten Kräften mit Vollgas gegen die Wand gefahren wird und dann drei Viertel eine 5 in Mathematik auf dem Versetzungszeugnis haben.

Vielleicht sollte ich das mal abwarten, vielleicht kommt ja dann mal eine sinnvolle Diskussion darüber zustande, wie das noch weitergehen soll.

Der Fehler, den viele Lehrer machen, ist die Schuld ausnahmslos bei den Schülern zu suchen.
Nein, daran liegt es nicht. Es ist nicht alleinige Schuld der Schüler, ganz und gar nicht.

Ein großes Problem ist, dass zumindest in der Sekundarstufe I nichts mehr verlangt wird. Oberstes Prinzip scheint, dass man doch einem armen, armen leistungsschwachen Schüler niemals weh tun darf. Er wird immer weiter geschleppt, auch wenn er gar nichts tut und nichts lernt.

Und dann lernt er natürlich genau das: Dass er nichts tun und nichts lernen braucht. Und das tut er dann eben auch nicht, zumindest nicht in Fächern wie Mathematik, wo das anstrengend würde.

Und dann kommt er mit Kenntnissen vom absoluten Nullpunkt in der Sekundarstufe II an, ist doch klar.

Man kann dem Schüler nicht wirklich vorwerfen, dass er so völlig falsch erzogen wurde.

Nur gegen die Auswirkungen davon kann ich in der Sekundarstufe II nicht mehr ankämpfen. Vor ein paar Jahren ging es noch, aber jetzt geht gar nichts mehr.

Ein anderes Problem, was möglicherweise immer mehr auftritt, könnte Cannabis sein. Eigentlich bräuchte ich eine Schulung dafür, den Cannabiskonsumenten zu erkennen. Gibt es sowas?

Ich erkenne nicht einmal den Geruch. Mir hat das zwar schon mal jemand gezeigt, also mir gesagt, dass ein bestimmter Geruch Cannabis ist, ich habe es dann auch gerochen, aber ich würde mich nicht daran erinnern. Dafür müsste ich es mal öfter riechen. Und ich müsste vielleicht auch mal Bekiffte sehen, um zu lernen, wie ich die erkennen kann.

Sollte ich vielleicht mal Coffeeshops in den Niederlanden besuchen? Kann man da rein ohne zu kiffen? Normal würde ich so einen Laden nie betreten.

Es fällt einem nunmal leichter, einem Menschen zuzuhören, der eine positive Ausstrahlung hat und mit echter Freude am besten noch humorvoll sein Fach vermittelt. Sowas kann sehr ansteckend wirken!
Wo gar keine Vorkenntnisse mehr da sind und auch keine Bereitschaft mehr, daran etwas zu ändern, da kriegt man auch mit noch so viel Humor nichts mehr hin. Abgesehen davon, dass eine solche Veranstaltung zu Produkt- und Kettenregel auch alles andere als spaßig wird, wenn das Publikum nicht einmal mehr weiß, was ein Produkt ist.

Leider machen es viel zu viele Lehrer so, wie Weidebirke es vorschlägt. Sich auf die zwei bis drei "Streber", die vorne sitzen konzentrieren, die restlichen 20 ignorieren und sich hinterher wundern, warum der Klassenschnitt so schlecht ist.
Doch, doch, weidebirke hat durchaus recht. Wenn man noch irgendwas erreichen will, muss man sich auf die wenigen guten konzentrieren (wenn man das Glück hat, dass es die noch gibt). Dann müssen die anderen eben merken, dass sie da hinterherkommen müssen, oder alternativ eben die 5 kassieren.

Wenn zum Beispiel ein Schüler oder eine Schülerin sehr passiv im Unterricht ist, bedeutet das nicht immer Desinteresse. Es können auch tiefergehende Probleme dahinterstehen. Vielleicht wird das Kind gemobbt und traut sich deswegen nicht? Vielleicht ist es noch schlimmer und es befindet sich in einem dissoziativem Zustand?
Es gibt sicher viele solche Probleme. Aber in einer Klasse mit 20 solchen Problemfällen kann ich nicht den Sozialarbeiter spielen, der versucht, das alles wieder in Ordnung zu bringen.

Es gibt ganz schlimme Schülerschicksale, ja. Aber was kann ich daran tun?

Wenn sich jemand hilfesuchend an mich wendet, werde ich natürlich versuchen, ihm zu helfen.

Aber solang er selbst nichts sagt und auch nicht bereit ist, über sein Problem zu sprechen, wenn man ihn nach seinen Problemen fragt, solange kann ich echt nichts machen.

xxxxxxxxxxxxxxxxxxx

Nun ja, das waren meine Antworten zu dem, was ihr gesagt habt.

Aber eigentlich finde ich erschreckender, was ihr nicht gesagt habt.

Es hat sich eigentlich keiner ernsthaft über meine Schilderung aufgeregt. Es scheint einfach völlig normal, was ich erlebe :-(

Ist das echt normal?

Völlig normal, dass hier eine ganze Generation heranwächst, die mathematisch absolut nichts mehr auf die Kette kriegt. Von denen eigentlich kaum noch irgendjemand ein MINT-Fach studieren kann. Von seinen gut ausgebildeten Arbeitnehmern hat Deutschland einst gelebt - wovon wollen wir in Zukunft leben?

Aber gut, wir einzelnen werden es nicht ändern können.

Ich kann nichts daran machen.

Aber wie geh ich damit um? Was soll ich tun? Das Niveau weiter ins Bodenlose sinken lassen? Den großen Krach heraufbeschwören? Mit den Kollegen die Karre mit Vollgas gegen die Wand setzen? Aber was wird dann passieren?
 

Baffy

Aktives Mitglied
Gedanken:

Mein Sohn, 12. Klasse kam mal mit einer mathematischen Formel nach Hause, die kaum auf ein Dina 4 Blatt passte und sagte zu mir: "guck mal Papa, das haben wir heute gerechnet". ICH: "cool, und für was ist das gut?" Großes Schweigen. Nach einer Weile: "wenn du mich das so fragst, weis ich das garnicht". ICH: "dann schmeiß es weg".
Ich sagte immer zu ihm: "Lernen tut man im Job und 80% was du dir jetzt in die Birne prügelst, kannst du sowieso wegschmeißen". Später gab er mir dann Recht.

Ich hatte als Abschluß vor mehr als 40 Jahren in der 10. eine Eins und habe heute den Eindruck, das es wohl dem heutigen Stand eines Abiturs entspricht. Dabei war ich nichtmal so der Auswendig-Lerner, sondern habe mich, auch im späteren Leben, immer auf meinen sehr guten logischen Verstand verlassen. Damit bin ich im Leben bombig "gefahren" und konnte Neues, was zu meinem Job gehörte sehr schnell begreifen.
Etwas, was den jungen Menschen von heute einfach nicht beigebracht wird und für mich ist es da kein Wunder, das Deutschland im direkten Vergleich zu anderen Ländern sehr schlecht dasteht.
Es fehlt einfach der praktische Bezug, das Umsetzen in reale Gegebenheiten und "Bilder" kann das Hirn eines Menschen nunmal besser verstehen (auch speichern) als irgendwelche Zahlen und Buchstaben.
In meiner Zeit als Ausbilder habe ich immer wieder erlebt, das die "Delinquenten" ein gutes theoretisches Wissen hatten aber Null logisches Denken, wie dieses Wissen z.B. in die Praxis umzusetzen ist. Selbst bei billigsten Sachen, gab es da einen "Hirnchrash".
Kein Wunder, das Firmen auf Berufserfahrung (auch bei Masterabschlüssen) sehr viel Wert legen.

Mir fällt ein Beitrag in einem Forum ein, wo eine Einser-Abiturientin sich selbst Eingestand, das sie eigentlich garnichts wußte über das Leben. Sie wußte Formeln, Berechnungen, physikalische Gesetze, Fremdsprachen ecc-pp. aus dem "FF" aber niemand hatte ihr erklärt was eine Steuererklärung oder welche Behörde für was zuständig ist usw. Sie dachte immer, lernen ist fürs Leben........................
Ich fand ihre Post sehr Aufschlussreich, weil sie genau das ausdrückte, was ich auch dachte.

Und ja, es liegt viel am Lehrer, wie er den Stoff "rüberbringt". Diese Erfahrung habe ich auch machen müssen. Allerdings, nachdem was du berichtest, ist bei Vielen "Hopfen und Malz" verloren. Die Ursache sind nicht selten die Eltern. Ich habe oft erlebt, das den Kids alles von "oben und unten" in jede Körperöffnung geschoben wird, Kinderzimmer bis zur Decke mit Spielzeug (Ablenkung) vollgestopft sind. Natürlich erwarten die dann auch, das der Lehrer ihnen die guten Noten auch schenkt und wenn das nicht kommt, dann ist der Lehrer Schuld (nach Meinung der Eltern).
Meiner Meinung nach ist es auch viel die Ablenkung durch die heutige Medienlandschaft, wie Handys, Playstation und PC, die nunmal für Teenies viel interessanter sind, als deine Formeln.

Deinen Frust kann ich sehr gut nachvollziehen und dir wird wohl nichts Anderes übrig bleiben, als auf eine andere Schule zu gehen, wo es wenigstens Schüler gibt, die dir noch zuhören, die begriffen haben was wichtig im Leben ist.

Wie gesagt, nur meine Gedanken..........................LG
 
C

chrismas

Gast
@Gast TE

Wenn ich so meinen kleinen Bruder (der ist 10 Jahre jünger als ich) und andere in der gleichen Altergruppe anschaue, dann muss ich dir sagen:

Ja, lass sie scheitern.

Mein kleiner Bruder dachte zum Anfang, dass er das Studium schaffen würde, welches er begonnen hatte, aber das Gegenteil war der Fall. Die sollten dort in einer Gruppe eine Aufgabe machen und weil sich 2 darüber beschwert hatten, dass es keine Gruppenarbeit geben würde, wurde seine Gruppe aufgelöst und er hat dann das komplette Studium geschmissen und die Schuld den anderen gegeben. Fragte man dann aber, ob er nicht mal zu denen gegangen ist und nach einem Treffen gefragt hätte, kam das große Schweigen und dieses sprach in diesem Falle Bände.

Aber mein Bruder will es allen "zeigen" und hat sich ausschreiben lassen und für einen neuen Studiengang neu eingeschrieben. Man muss hierbei kein wirklicher Hellseher sein, dass dieses ebenfalls scheitern wird, denn, so ist allgemein sein Grundtenor, er macht alles richtig und schuld sind immer die anderen.

Ich hätte zum Beispiel damals die Möglichkeit gehabt zum Gymnasium zu gehen, aber ich bin es nicht, weil es mir damals schon zu langweilig hier im Bundesland gewesen ist, denn hier war man sich darüber im klaren, dass das Abi von hier nichts Wert ist und dennoch wurde ich sehr oft gefragt, warum ich nicht aufs Gymnasium gegangen bin und meine Antwort lautete da immer:

Im Kindergarten war ich schon!

Egal wie du es auch drehst und auch wendest, du solltest tatsächlich einmal die Schüler fragen, warum sie auf den jeweiligem Schulzweig sind, denn nur so hast du einen Anfang und kannst da ansetzen. Sagen die, dass es auf Wunsch der Eltern sei, dann gebe denen eine stumpfe Hausaufgabe nach dem Schema:

Was willst du eigentlich später werden?

Ist es, weil sie es für einen Beruf, den Sie erlernen wollen, notwendig ist, wäre die Frage analog dazu:

Warum bekommst du dein Hinterteil dann nicht in Wallung und machst auch etwas dafür, dass du das auch erfolgreich schaffst?

Ich gebe dir Brief und Siegel drauf, die Mehrheit wird dir nicht gleich sofort sagen können, warum Sie auf dem entsprechenden Schulzweig sind, denn während man damals schon in der 8. Klasse damit anfing zu schauen, was man später machen würde, wissen die meisten es Heute selbst nach bestandenem Abitur nicht!
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Und ich werde nicht damit durchkommen, drei Vierteln Fünfen und Sechsen zu geben. Das gibt fürchterliches Theater.

Oder muss man das Theater mal durchfechten, in dieser extremen Form?
Hallo, Gast,
aus meiner Sicht spürst Du als Lehrer die negativen Folgen einer Wohlstandsgesellschaft. Wir befinden uns gerade in der Weihnachtszeit. Weiß noch jemand, was das ursprünglich bedeutet? Ist für die meisten auch nicht wichtig, Hauptsache es gibt etwas Gutes zu essen und zumindest Kinder werden mit Geschenken überhäuft. Irgendwie kommt es mir so vor, als ob die Einstellung zu Weihnachten die Grundeinstellung zum Leben widerspiegeln würde.

Die meisten Kinder, die in einem solchen Wohlstandsklima aufwachsen, sehen einfach keinen Grund, sich Wissen und Können anzueignen. Es fehlt ihnen der Bezug zum Leben. Jetzt können alle lachen - aber ich bin in einer Familie mit zwei Geschwistern aufgewachsen, in welcher der Onkel zu Besuch kam und die Tafel Schokolade in 3 Teile geteilt wurde. Die schönsten Geschenke waren nur im Schaufenster zu bewundern. Ich habe sie mir alle gekauft, nachdem ich gelernt und gearbeitet hatte.

Gleichzeitig, was ich sehr sehr wichtig finde, war (Fort-) Bildung ein wichtiges Thema in unserer Familie. Meine Mutter pflegte zu sagen: Bücher sind Deine Freunde.

Durch den Krieg uns seine Folgen war es meinen Eltern nicht möglich gewesen, direkt nach dem Abitur zu studieren. Mein Vater war ohne Schulabschluß in Kriegsgefangenschaft geraten. Nach dem Krieg hatte er keinerlei Zeugnisse und Referenzen. Er arbeitete 1 Jahr lang für ein Butterbrot mit dem Ziel, am Ende dieses Jahres ein gutes Arbeitszeugnis zu erhalten, mit dem es ihm gelingen könnte, eine wenigstens ausreichend bezahlte Stellung zu erhalten.

Was ich sagen will: Ohne trifftigen Grund ist Lernen uninteressant. Lernen als Hobby ist eh ein Relikt der Vergangenheit. Nach meiner Kenntnis tun ca. 80% aller Menschen das, was sie tun, lediglich um Nachteile zu vermeiden. Was aber, wenn es keine wirklichen Nachteile gibt? Und ca. 20% der Menschen lernen, weil sie ein erstrebenswertes Ziel vor Augen haben. Was aber, wenn es solche Ziele nicht gibt? Ich meine, wenn es dem Menschen letztendlich nicht wirklich wichtig ist, ob er Ziel X erreicht, dann ist es ihm auch egal, ob er es erreicht. Alles Wichtige, was er zum Leben benötigt, hat er (durch seine Eltern) auch ohne eigenes Bemühen.

Und Eltern, die selbst das Problem "Not" nicht kennenlernten bzw. die das Lernen als Lösungsmethode nicht erfahren haben, können diese Erfahrung - weil nicht existent - auch nicht weitergeben.

Für mich, lieber Gast-Lehrer, liegt das Problem in der gesellschaftlich geförderten mangelnden Lern- und Schulreife der Schüler. Vielleicht wäre es realistisch gewesen, wenn viele Deiner Schüler nach der 4. Klasse die Schule verlassen hätten. Sie hätten bis z.B. dem 25. Lebensjahr ihre Erfahrungen mit dem Leben gemacht und einige von ihnen wären dann lern- und schulreif geworden.

Der Lehrerberuf muss heutzutage in vielen Schulen frustrierend sein. Nach der Wende habe ich mal zwischendurch Erwachsene (der ehemaligen DDR) unterrichtet. Die wollten was von mir. Ich mußte mich gut vorbereiten, weil sie was von mir wollten. Es war für mich Arbeit - aber Arbeit die Spass machte, weil jemand was von mir wollte und meine Leistung anerkannte. Die Erwachsenen begannen zu verstehen.... und das Verstehen war ihnen sehr wichtig, weil sie dadurch ihren Zielen näher kamen. Gute Noten, die ich verteilte, waren für sie Ausdruck "ich bin auf dem richtigen Weg zu meinem Ziel". Wenn die heutigen Schulnoten nur noch Gefälligkeitsnoten sind, dann ist das Irreführung der Menschheit.

Ich denke, die Wahrheit muß gesagt werden! Alles andere ist Betrug.

LG, Nordrheiner
 
A

annakarina

Gast
Das macht mich traurig. Traurig für dich, die du da stehst und resigniert hast. Traurig aber vor allem für die Kinder, die durch deine Resignation null Chancen haben.
Ich bin auch Lehrerin. Und ich versuchte immer, die Schüler da abzuholen, wo sie stehen. Und genau dort anzusetzen.
Ich trennte zu große Klassen in Einzelgruppen, widmete mich dann Vierstelstundenweise jeder einzelnen. Und blieb auch mal länger, wenn da noch zu große Defizite waren.
Bitte - such nach einer Lösung. Es kann und darf nicht sein, dass man unsere Kinder heute aufgibt, obwohls enorm schwierig (das verkenne ich nicht!) geworden ist! Aber es gibt immer einen Weg, wenigstens einen Schritt....:eek:
 

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