Hier widerspreche ich. Ich glaube (mit Ausnahme der Umbruchgeneration dann), dass wir schulische Bildung auf lange Sicht betrachten, immer noch welche haben werden. Man muss wahrscheinlich überdenken, was wir nun zur Allgemeinbildung zählen. Mit BGE wird diese definitiv runterreduziert werden. Aber es ist das Fundament aller Pädagogik und Bildung, dass Kinder eine natürliche Neugier haben (Schlagwort: Piaget). Ich glaube unser aktuelles Schulsystem tötet diese aber mit zunehmendem Alter ab. Schulbildung wird wahrscheinlich nicht mehr so breit gefächert sein wie heute. Die Kinder vertiefen sich in Grundlagen und dann eben in das was sie interessiert. Dadurch, dass Schule vielleicht zwangloser wird, wird auch mit Lernen möglicherweise nicht mehr so viel Negatives verbunden. Im Gegenteil, die Kinder ziehen durch anwendbares Wissen vielleicht sehr viel direkte Freude daraus. Denn auch Lernen kann Glücksgefühle hervorbringen und süchtig machen. Kinder, wenn sie in die Grundschule kommen, sind häufig zu Beginn auch sehr motiviert, Lesen zu lernen, Zählen zu können oder einfach die soziale Interaktion außerhalb der Familie. Und diese Kinder mit 6/7 sind sich über die Systeme unserer Gesellschaft noch nicht so sehr bewusst. Wenige Kinder wissen nämlich jetzt schon was sie werden wollen und wie sie das erreichen. Die Aussage "Wenn ich groß bin, will ich mal Tierärzt*in werden" impliziert ja sehr stark den Zusammenhang von Alter und Profession, nicht unbedingt von Profession und Bildungsweg. Kinder sind in diesem Alter noch nicht so elastisch in ihrem Denken. Ich verweise gerne erneut auf Piaget und seine Stufen der kognitiven Entwicklung, wobei hier Stufe 3: Konkret-operationale Phase (ab dem 8. Lebensjahr bis zum 11.) relevant ist.
Wie auch gesagt, der Wissensradius wird angewandter und kleiner sein. Aber ich sehe das auch nicht als ganz dramatisch, sofern Grundlagen (Mathe, Rechtschreibung, Lesen, etc.) vorhanden sind. Ein/e Tierärzt*in muss nicht Faust gelesen haben, um gut zu sein. Ein/e Ingenieur*in muss nicht ein Instrument gelernt haben. Ein/e Verwaltungsfachangestellte*r (mittlere Reife i.d.R.) muss nicht wissen, wie elektrischer Strom auf Teilchenebene läuft. Vielleicht legen wir auch in Deutschland unser noch recht scheinfokussierendes System ab. Vielleicht gibt es Freilerner, die ein ähnliches Fachwissen aufzeichnen können, wie jemand, der den offiziellen Weg (Schule-Ausbildung(evtl. noch Studium)) durchlaufen ist, dem aber ggf. die Möglichkeit verwehrt wird, einzusteigen, weil es ihm an einem Bund Papier fehlt.
Zentral auch hier wieder: Die Chance, dass das Kind eine berufliche oder schulische Laufbahn verfolgt, wird nicht unbedingt direkt durch das BGE bestimmt, sondern hauptsächlich durch die Vorbildfunktion von den Eltern.
Also muss erst die Schule sich ândern, damit BGE eingeführt werden kann/darf?
Das lese ich aus deinen Worten.
Du glaubst, man könnte für jedes Kind die richtige/ideale Schule/Schulsystem bereitstellen und dann wären auch alle Leistungsbereit, du würdest schreiben motiviert.
Aber die Gesellschaft kann weder jedem Kind seine "ideale" Schule bereitstellen und es gibt auch kein ideales Schulsystem. Es gibt auch keine Bildung ohne Anstrengung. Es wird auch immer wenige gute Lehrer geben, wie es auch immer weniger motivierte Schüler gibt. Schulen können auch nicht das Reparieren, was im Elternhaus schief läuft.
Ich verstehe deinen Beitrag so: Erst wenn wir in ein ideales Schulsystem geschaffen haben, dass alle Schüler mitnimmt und motiviert, dann kann das BGE nicht negativ wirken.
Diesen Gedanken kann ich weitgehend folgen.
Wo ist der Haken: Auf Heranwachsende wirken noch viele andere Faktoren ein, wie Eltern, Freunde etc. Es wird die skizzierte Schulwelt auch häufiger nicht geben.
Du hast ein Idealbild skizziert, dass wir uns alle Wünschen. Wünsche haben aber häufig wenig mit der Realität zu tun.
BGE darf also erst eingeführt werden, wenn Heranwachsende ein gutes Umfeld und in einem idealen Schulsystem unterrichtet werden. Sehe ich ganz genau so!
Informier mich, wenn das der Fall ist. Wenn dieser Idealzustand erreicht ist, dann brauchen wir aber gar kein BGE, weil jeder so motiviert ist, selbständig seine Zukunft zu gestalten und darin zu bestehen. BGE hat da gar keinen Platz.
Du siehst, ich bin doch noch lernfähig. Ich bin voll und ganz deiner Meinung. Wir warten auf diesen Tag, wo das Schulsystem top ist und dann wird das BGE eingeführt 👍
Übrigens habe ich zwei Kinder und weiß sehr wohl, das von dir skizzierte Bild der Realität häufiger nicht entspricht. Hast du auch Erfahrung mit Kindererziehung, deren Schule (insbesondere deren Lehrer) und dessen Freundeskreis?