Ihr redet darüber ob die Bürgergeldbeträge höher sein sollten, ob Sanktionen ok sind, ob Menschen mit Bürgergeld mehr oder weniger arbeiten sollten usw. aber eigentlich geht es hier doch eher um eine grundsätzliche Idee wie ein Sozialsystem gestaltet sein sollte.
Unser bisheriges System ist ein Nachrangsystem. Das bedeutet, dass Menschen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten sollen bevor sie von der Allgemeinheit finanziert werden. Dies beinhaltet, dass man auch Jobs unterhalb der eigenen Qualifikation annehmen muss.
Außerdem ist das System auf ein Existenzminimum bemessen. Für existenzielle Dinge wie Wohnen werden die angemessenen Ist-Kosten übernommen, für den Rest wird ein Regelsatz bezahlt.
Unser bisherigen Sozialsystem ist relativ normal und vergleichbar mit vielen anderen Ländern.
Das angestrebte und nun mit dem Bürgergeld ansatzweise eingeführte System ist ein Vorrangsystem. Es strebt an Menschen zuerst Sozialhilfen zu zahlen und es ihnen dann frei zu stellen, ob sie arbeiten wollen. Sei es dass ihnen bestimmte sanktionsfreie Fristen zur Arbeitssuche erlaubt werden oder Sanktionen abgeschafft werden. Sprich dieses System räumt Arbeitslosen das Recht ein, auf Kosten anderer Menschen, die arbeiten, zu leben. Dies schließt mit ein, dass Hilfeempfänger sich z.B. keine Sorgen um Heizung, Miete oder Inflation machen müssen, weil ihnen die Kosten voll erstattet werden oder sie einen automatischen Inflationsausgleich erhalten. Dies ist ein im internationalen Vergleich sehr einzigartiges System, welches kaum ein Land kennt oder jemals kannte.
Nun erscheint es zunächst mal erstrebenswert ein Sozialsystem so aufzubauen, dass Menschen erstmal bedingungslos eine Leistung bekommen. Das sorgt für Sicherheit. Und die meisten Menschen werden dennoch arbeiten wollen, schlicht weil der Mensch immer nach mehr (Geld) strebt.
Aber ich komme nochmal darauf zurück was ich eingangs sagte: Was bedeutet dies gesamtgesellschaftlich?
Es ist ein grundsätzlicher Gedankenwandel von "Hilfe für Menschen in Not" zu "Versorgung aller Menschen ungeachtet ob diese sich selbst helfen können oder nicht".
Ein Sozialsystem basiert dabei auf Akzeptanz. So versteht gewiss jeder, dass man Menschen in Not helfen sollte, aber die Akzeptanz jemanden außerhalb einer Notlage zu helfen ist in der Gesellschaft nicht unbedingt vorhanden.
Auch für den Hilfe erhaltenden Menschen ist dies nicht unbedingt von Vorteil. Wir sehen ja bereits heute, dass die Wahrscheinlichkeit in der Arbeitslosigkeit stecken zu bleiben mit jedem Tag der Arbeitslosigkeit ansteigt. Es ist also wichtig, Menschen schnell wieder in Arbeit zu kriegen anstatt sie "in Ruhe zu lassen".
Es geht aber um noch mehr:
Eine vorrangige Sozialhilfe sagt, dass Arbeit optional ist. Arbeit ist aber weit mehr als Geldbeschaffung. Arbeit bedeutet auch soziale und gesellschaftliche Teilhabe. Man wird zu einem wichtigen Mitglied der Gesellschaft und kann sich mit dieser besser identifizieren. Und jeder kennt es: Was man selber erarbeitet hat, schätzt man mehr als etwas was man geschenkt bekommen hat.
Zumal diese "Geschenke" die eigentlichen Probleme nur überdecken. Man kann hohe soziale Hilfen auszahlen, Preise decken und Löhne vorschreiben, aber die Probleme dahinter bleiben bestehen und brodeln vor sich hin bis sie sich in einer Krise entladen. Jedes bisherige Problem hat die aktuelle Regierung vor allem mit Geld zugeschüttet, so wie jetzt Hartz 4 einfach erhöht wird und einen neuen Namen erhält.
Wir streiten uns darüber, wer welche Hilfen bekommt. Die Autofahrer wollen eine Benzinpreisbremse, die Bahnfahrer ein 9 € Ticket, die Gaskunden eine Gaspreisbremse und die Hartz 4 Empfänger höhere Leistungen und und und....
So verständlich das auch ist, so gefährlich ist dieser Weg. Wir machen immer mehr Menschen abhängig von staatlichen Leistungen und züchten uns eine Anspruchsmentalität.
Eine Pflanze, die man regelmäßig gießt, bildet weniger Wurzelwerk als eine Pflanze, die nicht gegossen wird. Hört man dann plötzlich auf zu gießen, stirbt die Pflanze mit weniger Wurzeln schnell ab. Das gut gemeinte Gießen einer Pflanze kann also für die Pflanze ein böses Ende haben.
Die grundsätzliche Idee eines Sozialsystemes sollte die gezielte Hilfe von Menschen in Not sein, nicht als Alternative zur eigenen Existenzsicherung, sondern als Überbrückung bis die Existenz wieder selber gesichert werden kann.