Als ich damals mein Zeug auf meine Zündapp gepackt und mein erstes möbliertes Zimmer bezogen habe, hatte ich Angst. Aber ich fühlte mich auch immer wieder zuversichtlich und das aus heutiger Sicht wohl eher völlig unbegründet. Aber es war noch so etwas wie eine Aufbaustimmung zu spüren, dass es besser werden kann und dass da noch was ist, das sich lohnen könnte. Heute sind viele 18-Jährige wesentlich besser informiert, aber auch desillusioniert und verunsichert. Ein guter Mensch zu sein ist schwerer geworden, denn was ist heute noch "unbelastet"? Gesund zu essen ist schwieriger. Sind Tomaten, die 3 Wochen lang halten noch gesund, wenn sie äußerlich top aussehen, aber bitter schmecken? Früher wurden Äpfel im Keller für Monate gelagert. Wenn ich das mit heutigen Äpfel mache, sind sie nach 6 Wochen am faulen und ja, der Keller ist für solche Lagerungen geeignet.
Viele Jugendliche fühlen sich hinters Licht geführt, weil sie das ja auch werden. Vieles an Werbung ist nur reine Verarxxxe, fake-news sind eine Art Kreuzworträtsel der Neuzeit geworden. Grenzen verwischen immer häufiger und schneller und der Dumme zu sein ist keine Möglichkeit, sondern ein Ereignis, das es einzuplanen gilt.
Nein, früher war beileibe nicht alles besser. Heute sind wir einfach viel mehr. Vor 40 Jahren kamen auf eine Stelle 20 Bewerber:innen, heute sind es 200-300. Heute zählen Kontakte weniger und Anstand nur noch, wenn er etwas nützt. Selbst in einem Forum wie diesem müsste eine Warnung angebracht werden, dass man sich nicht ohne seelischen Schutzanzug hier herein wagen sollte. So viel scheinbare Nähe und doch ist da fast nichts, auf das sich aufbauen ließe. Wem das alles wenig ausmacht, die/der hat Vorteile. Sich an nichts festhalten zu wollen oder zu müssen, das einen auch in den Abgrund reißen könnte, das muss heute mehr denn je gelernt werden.
Meine Tochter und ich haben uns den neuen "Avatar" angeschaut. Wir waren am Ende beide ziemlich verunsichert und auch etwas verstört, weil dort von einem Leben erzählt wird, das früher noch möglich schien: dass man einen Ort finden kann, an dem es einem gut geht, zu dem man etwas beitragen kann und eine Gemeinschaft findet, die Sinn macht. Heute erscheint das den meisten Jugendlichen absurd und naiv. Du musst Glück und Ellenbogen habe, reiche Eltern, Beziehungen und wenig Skrupel. Wie erstrebenswert ist das in der Realität für einen jungen Menschen mit einem noch kräftig schlagenden Herzen?