Hallo,
deine Freundin steht erst einmal unter Schock und da ist es ganz natürlich, dass man erstarrt. Man kann daraus keinen Rückschluss auf ihr Selbstbewusstsein oder den Stand ihres Erwachsenseins ziehen.
Im Moment einer solchen Gewalttat - und der Missbrauch durch den Therapeuten war Gewalt - erstarren Körper und Geist. Es ist eine lebensgefährliche Situation, aus der man sich nicht entziehen kann. Lebensgefährlich im Sinne von Zerstörung des bisherigen Lebens. Das können auch einfach Werte sein, die in Frage gestellt werden. Wie beispielsweise bei Unfallhelfern. Diese kämpfen mit der gleichen Erstarrung wie deine Freundin auch. Und diese tritt bei Männern und Frauen ein.
Wenn dich das näher interessiert:
Der Körper erinnert sich: Die Psychophysiologie des Traumas und der Traumabehandlung von Babette Rothschild; Preis: EUR 28,00; Taschenbuch: 254 Seiten; Verlag: Synthesis (Juni 2004); ISBN-10: 3922026273; ISBN-13: 978-3922026273
Ähnlich hilfreich ist auch dieses Buch:
Wenn die Seele vereist: Traumatische Erfahrungen verstehen und überwinden von Frauke Teegen (Autor); Preis: EUR 19,95; Gebundene Ausgabe: 318 Seiten; Verlag: Kreuz-Verlag; Auflage: 1 (Januar 2008); ISBN-10: 3783130417; ISBN-13: 978-3783130416
Peter Levin ist einer der großen Traumaforscher und alle seine Bücher sind lesenswert, aber gerade dies ist ein Standardwerk:
Trauma-Heilung: Das Erwachen des Tigers. Unsere Fähigkeit, traumatische Erfahrung zu transformieren von Peter A. Levine (Autor), Ann Frederick (Autor); Preis: EUR 20,50; Taschenbuch: 265 Seiten; Verlag: Synthesis; Auflage: 2., Aufl. (1999); ISBN-10: 3922026915; ISBN-13: 978-3922026914
Schau einfach mal. Vielleicht spricht dich eines der Bücher an. Einige der im Forum genannten Thesen zum Zustand deiner Freundin bewegen sich doch arg weit von der aktuellen Forschung weg. Vielleicht möchtest du dich da lieber an Fachleute wenden, sprich ein fundiertes Buch zum Thema lesen.
Bezogen auf den Schockzustand deiner Freundin hat die Therapeutin Recht. Es muss alles getan werden, dass deine Freundin wieder zurück in die Aktion gesetzt wird.
Machst du die Anzeige, nimmst du ihr nur wieder die Kontrolle und wiederholst das Trauma, das sich noch mehr verfestigen kann.
Eine Anzeige kann das Trauma verstärken, weil die Situation wieder als demütigend erlebt wird und der Betroffene erneut keine Kontrolle über den Moment hat. Der Polizist ist ja gefordert die Wahrheit herauszufinden. Er muss Fragen stellen, die ins Detail gehen und er muss auch in Frage stellen dürfen. Das ist für den Traumatisierten nur sehr schwer zu ertragen.
Darum ist es erstens wichtig sich genau zu überlegen, ob eine Anzeige Erfolg haben könnte und zweitens sollte eine therapeutische Begleitung vorhanden sein.
Außerdem ist in einem solchen Fall auch angeraten einen Opferanwalt an seiner Seite zu haben. Adressen bekommt man bei den Frauenberatungsstellen wie Wildwasser oder Frauennotruf. Ich denke, die Anwaltskammer wird einem da sicher auch weiterhelfen können.
Mit einem Trauma lebst du 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche in ständiger Alarmbereitschaft. Die Gefahr ist nämlich in deinem Körper eingefroren. Wer in ständiger Habachtstellung leben muss, wird schon von kleinen Dingen aus der Bahn geworfen. (Du kannst wahrscheinlich auch feststellen, dass die Nerven deiner Freundin meist angespannt sind.)
Bedenke bitte auch, wenn man in einer ständigen Alarmbereitschaft ist, sind die Ressourcen des Körpers beschränkt. Man kann nicht gleichzeitig aufpassen und heilen. Darum geht eine Traumaheilung auch immer nur sehr langsam voran. Hilfreich können entsprechende Körperübungen wie Autogenes Training, Qi Gong oder Meditation sein. Gleichzeitig lernt man per Imagination traumatische Gefühle abzuspalten und an sichere Orte zu bringen. Hier können euch die Bücher von Luise Reddemann und Michaela Huber weiterhelfen. Wenn deine Freundin mit Panikattacken zu tun hat, dann erkundigt euch übers Netz über EFT (Emotional Freedom Technique). Es gibt kostenlose Anleitungen im Netz und bei youtube kann man sich Videos anschauen.
Statt wüste Drohungen gegen den Täter auszustoßen, hilfst du deiner Freundin mehr damit sie wieder in die Aktion zu bringen.
Bedenke bitte, dass jeder Übergriff von deiner Seite gegen den Täter ihr nur mehr weiter das Gefühl gibt keine Kontrolle zu haben und somit wird das Trauma verstärkt.
Dräng sie nicht zu sehr. Ihr Körper ist im Zustand der Gefahr erstarrt. Sie steht unter Dauerbeschuss. Alles in ihr ist gelähmt. Das ist ein Urinstinkt, die sogenannte Todesstarre. Hab also Geduld.
Mein Vorschlag wäre sich erst mal an die Psychotherapeutenkammer zu wenden und denen anonym den Fall schildern und schauen, was die sagen. Die können von sich aus ermitteln und gerade wenn ihr angeben könnt, dass es andere Geschädigte gibt, werden die auch ein Interesse daran haben.
Die Adresse der Psychotherapeutenkammer sowieso weiterer Anlaufstellen findet ihr auf dieser Seite:
Beschwerden & Beschwerdestellen
Lest euch das gemeinsam durch.
Desweiteren gibt es die unabhängige Patientenberatung Deutschland. Die haben ein kostenloses Beratungstelefon. Auch da wäre sie erstmal anonym.
https://www.unabhaengige-patientenberatung.de/index.php?id=113
Wenn sie sich mal anonym erkundigen will, was bei einer Anzeige passiert, kann sie sich zum einen an den Weißen Ring wenden, zum anderen an die Opferberatungsstelle.
Deutsche Opferhilfe e.V.
Dann gibt es noch den Psychotherpeutenvereinigung. Die müsste Auskünfte darüber geben können an wen man sich bei Beschwerden über einen Therapeuten wenden kann.
Der Verband
Das ist erstmal alles ganz ungefährlich, gibt ihr aber das Gefühl zurück, sie kann etwas tun. Nur so kann sich ein Trauma lösen.
Für mich klingt dieser Missbrauch nach einem traumatischen Erlebnis.
Trauma ist eine unvorbereitete, plötzliche, über den Menschen hereinbrechende, höchstmögliche Konfrontation mit der Endlichkeit des Seins. Die Reizüberflutung führt zur Blockierung der Gefühle und des Bewusstseins.
Quelle:
Schicksalsgemeinschaft
Natürlich war ihr Leben nicht in Gefahr, aber ihr Urvertrauen wurde schwer erschüttert. Der Therapeut war eine Autoritätsperson, dessen Aufgabe es war sie zu schützen. Es ist ein ähnliches Erleben wie wenn ein Vater seine Tochter missbraucht. Das Bild, welches das Kind hat, passt nicht mit dem Handeln des Mannes überein. Es wird innerlich erschüttert.
Es gibt ganz wenig Hilfe für Frauen, die von einem Therapeuten missbraucht wurden. Nun wäre mein Gedanke, dass es deiner Freundin helfen könnte, da was auf die Beine zu stellen. Vielleicht gründet sie ein Forum und sucht darüber Gleichberechtigte. Oder sie gründet vor Ort eine Selbsthilfegruppe.
Gerade im Gespräch mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben, kann man Traumata auflösen. Es würde ihr gleichzeitig auch wieder das Gefühl geben die Kontrolle zu haben, handeln zu können.
Dabei könntest du sie ganz prima unterstützen und hättest ein Ventil für deine Wut. Ich kann sie gut verstehen. Nur lass sie bitte nicht an der falschen Adresse raus. Der Therapeut ist für dich tabu. Es wäre ein erneutes Trauma für deine Freundin, wenn du vielleicht noch eine Strafe bekommen würdest. Vielleicht nimmst du selbst ein paar Stunden bei einem Therapeuten, um mit deinen Gefühlen klar zu kommen.
Tuesday