Ich ruder mal gegen den Strom: Es liegt nicht an "den Städten" oder "dem Land" oder "Corona" oder "sonstwas", wenn man keine Freunde findet. Es liegt zuallererst immer an einem selbst.
Wer offen ist für Neues, wer freundlich ist, der lernt Menschen kennen.
Wenn man im Sportverein oder sonstwo keinen Anschluss findet, dann sollte man versuchen, sich zu ändern. Das kann man, während man "die Zeiten" nicht ändern kann. Außerdem glaube ich, sind die Voraussetzungen heute genauso gut wie früher, eher besser, weil es so viel mehr Angebote gibt.
Kann ich leider nicht bestätigen.
Die Lebensphasen bedingen ganz einfach, dass ich in der Phase einer Ausbildung, eines Studiums definitiv mit mehr Menschen gleicher Interessen zusammenkomme als ich es später nach dem Berufseinstieg tue. Das zum einen.
Zum Anderen ist es Fakt, dass viele Menschen sich gerade zu Familiengründung und frischen Partnerschaften mehr um Partner bemühen und mehr mit Partnern unternehmen, später dann mit Familie, als offen für neue Freunde zu sein. Auch hier wieder die Lebensphase: Ab einem gewissen Punkt bauen sich viele ihr Nest, etc. Das ist je nach dem so das Alter zwischen 30-50 Jahre, also eine recht große Zeitspanne.
Ich bin jetzt über 40 und erkenne, dass es unfassbar schwer ist, sich selbst mit langjährigen Freunden, von denen ich sehr sehr wenige, vielleicht 1-2 habe, zu treffen oder gar zu telefonieren. Da muss man fast schon wochen vorher abstimmen, wenn man sich mal auf einen Kaffee treffen will und das war früher anders.
Habe ich diese langjährigen Freunde nicht, ziehe ich wohlmöglich noch in den Randbezirk einer Großstadt, habe ich noch viel größere Schwierigkeiten. Die Leute arbeiten, haben ihren Kreis, ihre Familie, ihre Hobbys, manche sogar Scheidungen und damit verbundene Probleme
Ich habe 2022 nach Öffnung des Vereinslebens nach viel Gejammer und Gemecker meinerseits das Experiment selber gestartet. Ich bin heute in 4 Vereinen Mitglied, in 2 bin ich wöchentlich aktiv, also jeden Montag und jeden Freitag. In den beiden anderen 3x im Monat, sonst ist das zeitlich zu viel. Ich habe durch keinen dieser Vereine - es sind Vereine in einer Großstadt, die Mitglieder wohnen im Umland, nachhaltig Kontakte aufgetan, die sich außerhalb des Vereinslebens abspielen. Man hat also wirklich nur in der Vereins-Blase Kontakt.
Beispiel im Fußball. Wir treffen uns zum Training, einige spielen am Wochenende bei Heimwärts oder Auswärtsspielen, je nach dem wie gut sie im Training waren und wie regelmäßig sie da waren. Wir hatten drei Whatsapp Gruppen, trafen uns auch ab und zu unter der Woche zum Lauftraining. Ich war da ein paar Mal dabei. Ich würde aber nicht behaupten, dass von diesen 10 Mitläufern jetzt 10 neue Freunde gefunden wurden. Nein - definitiv nicht. Wir haben auch sonst außerhalb des Sports keinen Kontakt und ich merke auch, dass viele den nicht suchen, weil kein Interesse, keine Zeit oder sonst etwas. Die meisten haben Familie. Während die Jüngeren an den Wochenenden zusammen ab und zu saufen und feiern gehen, scheidet das in unserem Alter ab 40 komplett aus. Einer war neulich verletzt, lag im Krankenhaus. Von den "Kumpels" hat es keiner geschafft, ihn zu besuchen, Job, Familie, und anderer Kram haben halt Vorrang.
Jetzt hängt es vielleicht davon ab. Vielleicht bezeichnet mich von diesen Leuten jemand als Freund, umgekehrt definiere ich Freundschaft als mehr, als 1 die Woche auf dem Fußballplatz mit den Leuten zu stehen und 1x die Woche beim Lauftraining zu sein. Das ist natürlich Ansichtssache.
Aber Freunde finden gelingt in der heutigen Gesellschaft ab einem gewissen Alter wirklich schwer, weil die Offenheit, die Zeit und auch das Interesse an Anderen fehlt. Und das ist keine Einbahnstraße. Dazu kommt noch, dass man irgendwelche haltbaren Schnittstellen braucht und sei es "nur" gemeinsame Ansichtspunkte und Gesprächsinhalte.
Freundschaften brauchen eben Zeit und die hat und nimmt sich kaum jemand. Es muss auch passen. Unpassende Freundschaften halten nicht lange und sind eigentlich auch nicht wert, gepflegt zu werden, nur damit man vermeintlich einen Freund gewonnen hat. Auch dieses Experiment, einfach mal nicht wählerisch sein, habe ich hinter mir. Nach einem Dreiviertel Jahr war der Kontakt so runter gebrochen, dass man sich nicht mal zum Geburtstag eine Whatsapp schickte. Wertlose Kontakte sind eher Zeitfresser.
Gerade im Vereinsleben, das ja so gern genannt wird, um Kontakte zu knüpfen, ist das schwierig, weil viele wirklich nur des Vereinssports dort sind und wieder gehen. Bei uns im Fußballverein werden sogar Gespräche aktiv vom Trainer auf dem Platz unterbunden. Beim Tennis genauso, das ist nicht gewollt. Das ist eher sogar ungern gesehen.
Diese typische Kultur "man ist für ein ander da", ist mittlerweile völlig aufgelöst. Auf der letzten Jahreshauptversammlung hatte ich bei drei Vereinen gehört, dass der Vorstand gewechselt hat (keine Zeit mehr für das Ehrenamt) und zugleich beklagt hat, dass bei Festen wie am 1. Mai alle nur noch konsumieren wollen, also hinkommen, feiern, gehen. Keiner erklärt sich aber bereit, mal die Tische und Bänke zu stellen, Getränke auszuschenken, lieber werden Arbeitsstunden bezahlt statt geleistet. Allein das hätte es früher nie gegeben und das sind eigentlich genau die Anlässe, die zusammenschweißen.
Für die meisten Menschen steht eine sehr lange Zeit nach Schule, Studium/Ausbildung erst einmal Partnerschaft, Familie, Haus/Wohnung, Karriere im Vordergrund und in der Phase ist es schon schwer genug, bestehende Freundschaften zu pflegen, geschweige denn aufzubauen.
Hinzu kommt, wir leben in einer satten Gesellschaft. Oft wird von einem Freund ein Mehrwert, ein Nutzen erwartet, "bringt der mich weiter" "kann der mir helfen" "kann der handwerklich was", ...... also dieser Effekt ist leider in unserer Gesellschaft extrem ausgeprägt.
Daher neige ich dazu zu sagen, ja - man ist für sein Glück in erster Linie selber verantwortlich aber nicht für Freundschaften, die mindestens mal von zwei Menschen abhängen - es hat sich gesellschaftlich leider ein sehr spürbarer Wandel vollzogen. Meine eigenen Erfahrungen sind vielleicht nicht repräsentativ, aber je mehr ich mit Leuten spreche, die nicht hier in meiner Gegend wohnen, aber in vergleichbaren Randbezirken von Großstädten, desto mehr deckt sich diese Erfahrung.
Ich kehre das ganze mal um. In den letzten Jahren hatte ich auch zwei, drei Leute, die sich mit mir anfreunden wollten und ich da einen Riegel vorgeschoben habe. Der eine - ein ehemaliger Schulkollege, der wieder in die Gegend gezogen ist - müllte mich voll mit alten Geschichten von früher und ist geistig meiner Empfindung nach über die Schulzeit nie hinaus gewachsen, das hat mich derbe gelangweilt und genervt, zudem kam dann immer eine neidvolle Spitze "Ja du hast es ja so gut..... du musstest beruflich nicht weg ziehen", den Kontakt habe ich irgendwann abgebrochen, glaube da lag irgend eine psychische Sache vor. Das andere waren Frauen, die eigentlich keine Freundschaften wollten, sondern vielmehr irgend ein Trostpflaster, weil frisch getrennt......also auch hier muss ich sagen, ich lasse nicht jeden durch die Freundschaftstür, der anklopft, weil ich auch meine Vorstellungen habe.
Möglicherweise ist das anders in Gemeinden, wo die Leute einfach keine Wahl haben, wo sie entschleunigter leben und soziale Kreise eher gepflegt werden. Das ist in Großstädten, die von Hektik und Anonymität geprägt sind, eher nicht der Fall.
Im Übrigen bin ich nach 2 Jahren jetzt auch zum Entschluss gekommen, aus zwei Vereinen auszutreten, habe mir aber 2 Jahre Zeit gegeben, die Menschen dort kennenzulernen. Aber ich bin auch nicht bereit, als passiver Sponsor den Verein finanziell zu stützen, bei dem ich 95% der Mitglieder nicht beim Namen kenne und die mich ebenso wenig.