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Der Weg zurück ins Leben oder Neuanfang

Schattenkind

Aktives Mitglied
Hallo,
ich muss mir hier mal Luft machen, da ich zur Zeit an meine Grenzen komme...(aber das nicht will und mich unendlich mies fühle).

Sorry, wenn es sehr durcheinander geschrieben ist.

Also ich habe mal vor sechs Jahren etwas sehr mieses erlebt, das mein komplettes Leben auf den Kopf stellte. Nichts ist mehr wie es war und der Weg "zurück" ist hart und realistisch gesehen wahrscheinlich gar nicht mehr möglich... Also dort anzuknüpfen, wo ich 2018 einmal stand. Okay...

Ich habe versucht mich zurück zu kämpfen. Habe eingesehen, dass vieles halt so wie es mal war nicht mehr so einfach möglich ist.

Ich habe eine PTBS die auch nach sechs Jahren immer noch da ist. Nach 2018 habe ich dann lange einen Missbrauch mitgebracht, weil ich diesen nicht realisierte. Das und alles was damit zusammen fiel, belastet mich heute noch immer sehr. Es gibt keinen Tag, an dem mich all das nicht doch irgendwie wieder heimsucht. Das Murmeltier hält. Erinnert mich etwas daran, ist das schrecklich. Wirklich. Dass das nicht weg geht, das belastet mich manchmal so sehr, dass ich oft einfach gerne nicht mehr leben möchte.
Trotzdem, trotz dass es mir so geht, Versuche ich mein bestes ein Licht am Ende des zu sehen oder gar zu erschaffen.
Ich hatte nach der Retraumatisierung leider einen Unfall mit Kopfverletzungen. Es hat gedauert, bis ich wieder fit war. Leider merke ich heute noch die Folgen davon. Ich kann mir nicht mehr so viel merken, mein Kurzzeitgedächtnis gleicht einem Sieb. Ich habe manchmal noch Probleme die richtigen Wörter zu treffen oder verwechsel manche. Schreiben bekomme ich besser hin, aber in der spontanen Sprache fallen die Defizite in teilweise auf. Zumindest anderen und mir selbst auch manchmal. Mir ist das sehr, sehr unangenehm. Oft lachen die Leute nur, weil sie denken ich hätte mich einfach versprochen.

Dann habe ich trotzdem weiter gemacht. Ich habe mir einen Studienplatz gesucht und mir neue, kleine Ziele gesteckt. Ich gehe zum Sport, fahre dafür vier Stunden durch die Gegend. Alles, damit ich bloß nicht nachdenken muss und traurig werde, weil mich diese Situation von damals noch immer so sehr belastet.

Dann hat es angefangen, dass ich plötzlich mit Schwindel morgens aufwachte. Es hat etwas gedauert aber es hat sich herausgestellt, dass bei mir eine gutartige Wucherung im Gehirn ist. Gut behandelbar, nix dramatisches. Aber nicht zu operieren, ohne ein hohes Risiko zu erblinden. Also Bestrahlung. Das war der Horror, diese Maske und alles und das ungewisse.
Ich musste das Eignungspraktikum deshalb nach hinten verschieben, musste bei der Uni einen Härtefallantrag stellen, weil ich es sonst nicht fristgerecht geschafft hätte. Ich wollte eigentlich zwei Bereiche Kennenlernen, einmal die Wiedereingliederung (Haft) und auch die Behindertenhilfe. Das Praktikum bei der Justiz gefiel mir gut. Ich hatte dort keine Probleme, auch nicht damit, mich da ausreichend abgrenzen zu können, denn die Insassen haben ihre Situation selbst verschuldet, da fühle ich nicht mit.

Nun bin ich seit 1,5 Wochen in der Behindertenhilfe in einem Tagwerk und es geht mir gar nicht gut damit. Die Tätigkeit dort hat mit sozialer Arbeit nicht viel zutun, eher mit Heilerziehungspflege. Das wusste ich auch. Trotzdem ist es für mich unheimlich schwer, das auszuhalten. Ich bin dort mit wirklich schlimmen Schicksalen konfrontiert, Menschen die selbst einmal mitten im Leben standen und durch Unfall oder Schlaganfall Schwerst beeinträchtigt sind.
Ich nehme mir das alles sehr zu Herzen und vergleiche mich mit diesen Menschen, die es so viel schlimmer getroffen hat als mich. Ich komme mir mit meinen Problemen wirklich lächerlich vor und das löst in mir eine tiefe Scham aus. Manchmal bin ich nach der Arbeit dort so voller Scham, weil ICH es nicht besser hinbekomme mit "nur" meinen Defiziten, dass ich vor lauter Scham und Verzweiflung und Unfähigkeit und "Anstellerei" gerne einfach vor die Bahn springen würde.

Hinzu kommt, dass ich enorme Schwierigkeiten dort habe mit "Grenzüberschreitungen". Diese Menschen dort meinen es keinesfalls böse, aber sie suchen dann doch eher Körperkontakt, was mich enorm triggert. Zwar kann ich ihnen sagen, dass ich das nicht möchte, aber das kommt nicht immer bei ihnen kognitiv an. Auch mit den ganzen Körperflüssigkeiten komme ich nur schwer klar, da ich nach wie vor durch mein eigenes Trauma an vieles erinnert werde oder es starken Ekel in mir auslöst.
Zwar hilft mir die Arbeit meine eigenen Baustellen einfach mal zu vergessen, weil ich dort halt im Funktionsmodus bin, aber die Gedanken und Gefühle an meine eigenen Erfahrungen kommen nach Feierabend jetzt doppelt so heftig wieder hoch. Dabei wollte und will ich so gerne doch meinen eigenen Müll endlich mal hinter mir lassen...

Meine Therapeutin und der Psychiater sahen mich eh noch nicht wieder arbeiten. Ich selbst möchte das aber unbedingt, ich möchte Normalität, einen Alltag, der mich aus meiner eigenen Vergangenheit heraus holt und mich auch etwas von dem aktuellen gesundheitlichen Zustand ablenkt. Und es muss ja auch mal weiter gehen mit mir... Auch mal wieder gut sein...
Aber mit jedem Tag dort geht es mir mental schlechter, was sich auch Recht schnell körperlich bei mir bemerkbar macht. Wo ich in der Justiz recht selbstsicher war, bin ich dort jetzt extrem verunsichert. Das hätte ich so nicht erwartet, eher umgekehrt. Aber grundsätzlich möchte ich später ja auch eher für die Menschen arbeiten und weniger MIT ihnen, wenn ihr versteht, was ich meine?

Da ich insgesamt 240std. brauche für das Studium, weiß ich gerade nicht mehr so recht weiter. Grundsätzlich bin ich jemand, der durchzieht, was begonnen wurde. Aber ich merke deutlich, dass mich die Situation wirklich sehr belastet und ich vieles mit nach Hause nehme und das dann meine eigenen Traumata befeuert, womit ich einfach nicht gerechnet habe.

Jetzt sind es im Grunde nur noch 1,5 Wochen die ich durchstehen muss, dann hätte ich es geschafft. Klingt für viele hier bestimmt absolut lächerlich sich da nicht einfach zusammen zu reißen... Ich weiß. Aber ich mache mir wirklich Gedanken, ob mich diese paar Tage nicht selbst an einen Ort zurück katapultieren, an dem ich nicht sein will und an den ich nie wieder zurück möchte.

Ich mache mir Gedanken um meine Stabilität und schäme mich zugleich für mein Gejammer im Vergleich zu den Menschen dort, die es wirklich wirklich hart getroffen hat und trotzdem noch oder wieder lachen können... Was maße ich mir an..

Aber wenn ich abbreche, wegen ein paar lächerlichen Tagen und dann nicht ins Studium kann, würde für mich eine kleine Welt zusammen brechen, da ich lange darauf hingearbeitet habe überhaupt wieder eine gangbare Zukunftsperspektive aufzubauen...

Das musste jetzt alles mal raus. Alles etwas wirr. Keine Ahnung, was ich mir davon erhoffe. Vielleicht nur etwas Luft zum Atmen.
 

Schattenkind

Aktives Mitglied
Im Prinzip fühle ich mich extrem schuldig, dass es mir geht, wie es mir geht und ich es nicht besser hinbekomme, obwohl es mich nicht so hart getroffen hat, wie diese Menschen. Und Schuld ist ja so ein Thema bei mir...
 

Savay

Aktives Mitglied
Hi Schattenkind,

mir fällt da grad dieser Spruch ein, das man in den Schuhe des anderen gehen müsste um erfahren zu können wie es ihm geht.

Also deine Sichtweise ist deine, du kannst ja nicht in jemand anderes schlüpfen und dann deine Empfindungen anders erfahren.
Sich mit anderen zu vergleichen ist auch nicht immer hilfreich.
Es schwächt die eigenen Belastungen ja nicht ab. Die Last bleibt die Gleiche. Im Idealfall lässt sie sich leichter ertragen.
Aber scheinbar geht's bei dir noch um die Annahme, um das Geschehene zu verarbeiten.

Wie schlimm etwas für jemanden ist, kann doch immer nur derjenige selbst sagen. Und nur weil andere evtl schlimmeres erlebt haben oder es ihnen schlechter geht, macht es doch deine Erlebnisse nicht ungeschehen oder weniger belastend für dich.
Es darf doch "auch" belastend für dich sein, auch wenn du nicht so eingeschränkt bist wie diese behinderten Menschen.

Es gibt körperliche Beeinträchtigungen nach einem Unfall o.ä., evtl könnte man sagen deine Erfahrungen haben zu einer seelischen Beeinträchtigung geführt.
Ihr seid euch also gar nicht so unähnlich, nur das man bei dir äußerlich nichts sieht.

Ich hatte auch eine kurze Zeit mit körperlich und geistig eingeschränkten Menschen zu tun, mir hat der Gedanke geholfen, für diese Menschen da zu sein und es ihnen so angenehm wie es mir möglich war zu machen. Ihnen etwas mehr Zeit als andere es tun zu geben, ihnen öfter zu zu lächeln, genauer hinzuschauen was sie vielleicht wollten, aber nicht sagen konnten.
Wenn man zu anderen blickt und ihnen das gibt, was man sich selbst wünschen würde oder braucht, heilt man sich selbst ein Stückweit.
 

Northern Light

Sehr aktives Mitglied
Liebes Schattenkind, Leid kann man nicht gegeneinander aufwiegen. Wer sollte sich anmaßen, zu beurteilen, wem es am schlechtesten geht?

Ich weiß nicht, ob es dir hilft, aber ich erinnere mich an deine alten Accounts und kann dir nur spiegeln, dass du von außen betrachtet schon unfassbar viel geschafft hast, ich hätte das kaum für möglich gehalten. Auch, wenn es sich vielleicht für dich anders anfühlt - du darfst mit Fug und Recht stolz auf dich sein.

Die Frage, ob du die anderthalb Wochen noch durchhalten sollst oder nicht, finde ich für Außenstehende sehr schwer zu beantworten. Kurzfristig noch in einen anderen Bereich zu wechseln geht wahrscheinlich nicht? Was wäre ansonsten, wenn du dich krank schreiben ließest, den geforderten Zeitraum aber "auf dem Papier" erfüllt hättest?

Ich persönlich würde dir das Erfolgserlebnis sehr wünschen, dir eine reelle Zukunftsperspektive erarbeitet zu haben. Wenn es dich aber am Ende in deiner ebenfalls mühsam erarbeiteten Stabilität erschüttert, wäre es mir das nicht wert. Dann lieber eine berufliche Alternative suchen, auch wenn es eine Extrarunde bedeutet.

Hältst du uns auf dem Laufenden? Alles Gute!
 

Schattenkind

Aktives Mitglied
Wenn man zu anderen blickt und ihnen das gibt, was man sich selbst wünschen würde oder braucht, heilt man sich selbst ein Stückweit.
Diesem Trugschluss möchte ich nicht aufsitzen. Mein damals bester Freund hatte wohl genau diese Hoffnung und hatte mich dadurch mies missbraucht, was mich weit nach hinten geworfen hatte. Hilfe um sich selbst zu heilen halte ich für falsch und gefährlich.

Aber es stimmt schon. Ich sollte mich nicht vergleichen. Trotzdem sind jetzt diese Gefühle da, sie kommen einfach und überrumpeln mich. Kurzfristig wechseln ist wahrscheinlich nicht möglich.
 

Niceguy

Aktives Mitglied
Liebes Schattenkind,

entscheidend ist doch das Studienfach, das du dir ausgesucht hast. Die 1,5 Wochen wirst du schon noch hinbekommen. Studium und Beruf auf diesem Feld sind vielleicht nicht so angesagt. Dazu fehlt dir derzeit einfach eine gehörige Portion Distanz. Und wo du diese nicht halten kannst, da gehst du wirklich seelisch zugrunde.

Ich habe da für mich auch einige Berufsfelder abgehakt. Speziell im Behindertenbereich bekommt man es nicht selten auch mit ausgeprägtem Neid und Aggressionen zu tun, weil man ja vermeintlich normal und gesund ist. Über Schuldgefühle muss man sich da nicht mehr groß wundern, weil die oftmals um die Ecke geflogen kommen. Da hilft es auch wenig, selbst angeschlagen zu sein. Die Rollenverteilung ist eindeutig und unumkehrbar - du bist der Helfer und dadurch qua Position überlegen.

Eine Helferposition ist doch nicht sinnvoll, wenn man selbst daran zugrunde geht. Die kannst du doch nur nutzen, wenn du selbst einigermaßen stabil bist und bleibst. Was hast du denn im Moment sonst noch für Aktivitäten jenseits des Praktikums? Triffst du dich mit Freunden, hast du Kontakt zu deiner Familie, der dich aufbauen kann?

Ganz generell wirst du einen Pool an eigenen Ressourcen brauchen, aus dem du für deine Arbeit schöpfen kannst. Hast du noch irgendwelche Freude an deiner Tätigkeit? Oder versinkst du ganz in den Ansprüchen anderer an dich? Abgrenzung heisst das Zauberwort, denn du bist du mit deinen ganz eigenen Bedürfnissen, Schwächen und Stärken. Einige kannst du teilweise und temporär während der Arbeit zurückstellen. Ansonsten aber will das alles gelebt werden!

Ich wünsche dir eine gute Entscheidung, die dich als Gewinner dastehen lässt. Auch du hast ein Recht auf ein glückliches und zufriedenes Leben. Jetzt liegt es an dir, den richtigen Platz dafür zu finden.
 

Luisa1960

Aktives Mitglied
hallo schattenkind,
Ohje das klingt schwierig.
Nein wirr hast du nicht geschrieben, verstehe gut, was du meinst.
Ich kenne jetzt nicht alles von dir, Vorgeschichte und so, aber wenn dich das dermassen fertig macht mit den Behinderten, dann ist das eben so. Schämen brauchst du dich nicht!
Dich triggert das, du bist selber nicht stabil, das bräuchtest du aber, um in solchen Bereichen zu arbeiten.
Bringt ja nichts, wenn man selber daran zugrunde geht.
Du sagst, noch 1,5 Woche?
Die Frage wäre, wars das dann oder müsstest du zukunftig auch in dem Bereich arbeiten?
Wenn nicht, dann würde ich schon versuchen, die Zeit noch rum zu kriegen, irgendwie.
 

Savay

Aktives Mitglied
Hilfe um sich selbst zu heilen halte ich für falsch und gefährlich.
Auch nicht bei Menschen die deine Hilfe und Zuwendung nicht ausnutzen wollen um dir zu schaden?

Nunja jeder wird da seine eigene Vorgehensweise haben.

Ich kann mich aber erinnern, ich habe mich auch die letzten 2 Wochen meines Arbeitsverhältnisses krank schreiben lassen. Wegen Weisungsbefugten die mich mies behandelt hatten. Der Junge den ich betreuen sollte war mir egal, er war schwer autistisch und nahm mich auch gar nicht wahr.

Es ist immer schwer wenn eigene schmerzliche Erfahrungen getriggert werden. Bei mir kam dann auch ein totaler Widerstand auf. Evtl wäre es noch anders zu lösen gewesen. Oder ich hätte es sogar schlimmer gemacht wenn ich mit diesen Weisungsgefügten geredet hätte.

Fakt ist wohl einfach, das man Abstand von den Emotionen die einen drohen zu überrollen, bekommen sollte. Einen klaren Kopf bewahren sollte.

Bei mir waren die letzten 2 Wochen nicht ausschlaggebend. Es war nur ein doofer Abgang.
Aber es gab auch andere Situation die ich durch halten wollte und nicht wieder fliehen.

Ja Konzentration auf das was neben der Arbeit stattfindet hat wirklich am besten geholfen.
Momente wo man spürt das man frei ist und sein Leben selbst gestaltet.
 

Schattenkind

Aktives Mitglied
Dich triggert das, du bist selber nicht stabil, das bräuchtest du aber, um in solchen Bereichen zu arbeiten.
Der Bereich soziale Arbeit ist ja mehr und anders als das. Ich habe mit den Menschen hier gar kein Problem, es ist schön zu ihnen eine kleine Beziehung aufzubauen und zu sehen, dass sie mir nach und nach vertrauen.
Es ist halt der Bereich, die Art des Arbeitens, die mir wirklich schwer fällt, weil es mir so nahe geht. Ich hätte damit absolut nicht gerechnet, dass es so sein wird. Aber in mir drin ist viel los, wenn ich mit diesen Menschen arbeite. Ich war auch selbst mal sehr hilflos in vielen intimen Dingen und auch nur zu ahnen, was sie da durch machen geht mir sehr nah. Es wühlt bei mir innerlich sehr viel auf. Und trotzdem ziehe ich meinen Hut vor all denen, die diesen Job machen und da keine Berührungsängste haben. Es ist weniger die Körperliche Belastung oder der Fakt, dass ich gleich mit 40 Stunden angefangen bin, sondern das mentale.

Ich weiß keine gute Lösung. Es fällt mir sehr schwer, das alles bei der Arbeit zu verstecken. Nach Feierabend fühle ich mich wie ein Vulkan und dann kommen Abends die Gedankenspiralen wieder... Ich fühle mich dann selbst wieder in der Zeit zurück geworfen und denke darüber nach, was die Menschen wohl dachten, als ich so vieles nicht konnte. Und dann schäme ich mich.
Und auch Wut kommt hoch, dass ich damals nicht besser auf mich aufgepasst habe.
 
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Schattenkind

Aktives Mitglied
Speziell im Behindertenbereich bekommt man es nicht selten auch mit ausgeprägtem Neid und Aggressionen zu tun, weil man ja vermeintlich normal und gesund ist. Über Schuldgefühle muss man sich da nicht mehr groß wundern, weil die oftmals um die Ecke geflogen kommen. Da hilft es auch wenig, selbst angeschlagen zu sein.
Wie meinst du das?
Ich erlebe das Umfeld als sehr freundlich dort. Die Vorwürfe mache ich mir selbst.

Heute bin ich auch wieder total traurig nach Hause, weil mich vieles so sehr an mich selbst erinnert. Da sitzen Menschen schwerst beeinträchtigt im Rollstuhl und können so gut wie nichts mehr alleine, sie haben dadurch oft ihr komplettes soziales Umfeld und ihre Familie verloren. Ein Mann in meiner Gruppe sitzt nur noch Rum, seine Augen sind todtraurig, er lässt sich durch nichts aufheitern. Er hat mit Mitte 40 sein ganzes vorheriges Leben verloren. Ich verstehe sooo sehr, dass er den Lebensmut verloren hat. Wenn es wirklich drauf an kommt, wenn es wirklich um Dick und Dünn geht, dann sind die Menschen nämlich doch ganz schnell weg, ihre Worte haben keine Bedeutung, sie gelten nur, solange alles gut ist. Wird es aber dünn, dann gehen die Menschen die man liebt. Dieser Mann hat allen Grund und alles Recht dazu, sich aufzuheben. Und mir tut es halt sehr weh, weil ich genau weiß, was das mit einem macht.
Es gibt einen Unterschied den ich beobachte. Menschen die mit ihrer Beeinträchtigt geboren wurden, sind fröhlicher. Sie kennen es ja nicht anders. Aber alle Menschen in meiner Gruppe, die das Schicksal da eingeholt hat, die sind sehr depressiv und hadern. Und ich fühle so sehr mit ihnen, weil ich es genau so erlebt habe, wenn auch mit weniger krassen Einschränkungen. Das geht mir nah und erinnert mich stark an meine eigenen Traumata. Da kommt bei mir alles wieder hoch. Sobald ich Feierabend habe, geht bei mir das Gedankenkreisen los, die Trauer ist da, als wäre alles erst gestern gewesen und jeden Tag wird es schlimmer... Ich könnte mich nach Feierabend einfach ins Bett legen und die Nacht durchweinen.

Ich denke mir aber, dass ich mich nicht so anstellen soll, da jetzt halt durch muss. Ich bin da sehr hart mit mir selber. Breche ich ab, muss ich nochmal ein ganzes Jahr warten und kann mich erst dann neu einschreiben. Es sind nur verdammte 1,5 Wochen... Ich verstehe nicht, warum mich das so stark belastet. Das Praktikum davor war dagegen völlig easy, wenn natürlich auch körperlich anstrengend.

Was mich dort über Wasser hält sind die sprachlichen Einschränkungen. Ich habe als Sprachwissenschaftlerin einige Module der klinischen Linguistik studiert und verstehe viel von den Aphasien dort. Es ist spannend, das mal sk außerhalb der Theorie zu sehen. Ein Junge zB. hat gar kein Sprachverständnis, versteht Piktogramme aber recht gut. Seine visuelle Wahrnehmung funktioniert also gut, während er Sprache aber gar nicht verarbeiten kann. Das ist für mich dann extrem spannend, wird den Menschen dort aber ja natürlich nicht gerecht.
 
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