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Der Weg zurück ins Leben oder Neuanfang

Schattenkind

Aktives Mitglied
Ich kann mich aber erinnern, ich habe mich auch die letzten 2 Wochen meines Arbeitsverhältnisses krank schreiben lassen.
Das würde ich nicht tun wollen. Ich bin ja in dem Sinne nicht krank. Und es gehört sich auch nicht finde ich. Für mich jedenfalls ist dies keine Lösung.
Ich habe bei der Bewerbung natürlich nicht angegeben, dass ich selbst eine PTBS mit Schwerbehinderung habe. Mein Chef, der sehr cool drauf ist, weiß demnach gar nichts von meiner Belastung und die Kollegen natürlich auch nicht.
 

Schattenkind

Aktives Mitglied
Du sagst, noch 1,5 Woche?
Die Frage wäre, wars das dann oder müsstest du zukunftig auch in dem Bereich arbeiten?
Wenn nicht, dann würde ich schon versuchen, die Zeit noch rum zu kriegen, irgendwie.
Das war's dann erstmal. Was ich daraus mitnehme ist, dass ich später in jedem Fall nicht in diesem Bereich tätig werden kann. Was ich so nicht gedacht hätte. Ich habe nicht geahnt, was das mit mir macht und dass gerade dieser Bereich so nah an meine Traumata heran kommt. Warum gerade dieser Bereich???
 

Niceguy

Aktives Mitglied
Wie meinst du das?
So wie ich das geschrieben und auch erlebt habe. Und ich habe da sehr viel Zwang und überhohe Erwartungen an mich erlebt. War ich ausserhalb der konkreten Arbeit zu einem Geburtstag eingeladen, war der Zwang da, mich dort auch in meiner eigenen Freizeit einzufinden. Und mein mitgebrachtes Geschenk war auch nicht teuer und gut genug, da alle von ihren Eltern materiell aufs Feinste versorgt waren, während ich das von meinem bisschen Arbeitseinkommen abknappsen musste, mit dem ich mein Studium finanziert habe.

Eine junge Frau ist bitterlich in Tränen ausgebrochen und haderte fortwährend, dass ihre Mutter ein geistig behindertes Kind geboren hatte, das nie die gleichen Chancen wie andere haben würde. Ein junger Mann, der kein Patient von mir war, sprach mich unvermittelt an wegen seiner Aggressionen, wie er es bedauerte, dass er seine Stereoanlage zertrümmert hatte. Ein paar Tage darauf hat er bei einem Wochenende zu Hause seinen Vater mit einem Kerzenleuchter erschlagen.

Also lieb und nett war bestenfalls der äussere Schein. Ich habe schlichtweg Mord und Totschlag bei der Arbeit erlebt, bis hin zu einem Säugling als Patienten, der von seiner psychotischen Mutter im Urlaub getötet worden war. Es war auch keiner da oder zuständig, mir bei der Verarbeitung zu helfen - das galt als meine Privatsache, die ich selbst zu handeln hatte.

Habe ich dann auch, indem ich um gewisse Arbeitsbereiche einen ganz großen Bogen mache und gemacht habe. An irgendeiner Stelle muss man sich wahrhaftig selbst schützen bei all dem Irrsinn und der Gewalt, die einen umgibt.

Nein, Schuldgefühle wegen Behinderungen an sich habe ich da nie gehabt. Ich war mit der Zeit eher genervt, wie diese behinderten Jugendlichen von ihren Familien mit materiellen Gütern überhäuft und doch nie zufrieden waren, immer weitere Ansprüche stellten. Ich selbst konnte mir in dieser Zeit kaum Essen leisten, weil ich mein Studium nicht hinwerfen wollte. Vieles kriege ich da heute noch nicht richtig in den Kopf. Nun, diverse meiner Patienten haben durchaus mein tiefes Mitgefühl, aber jenseits von Mitleid oder gar Schuldgefühlen. Die sind mir so fern wie sonst etwas, auf denen wurde viel zu lange und viel zu intensiv herumgeritten.
 

Schattenkind

Aktives Mitglied
Und mein mitgebrachtes Geschenk war auch nicht teuer und gut genug, da alle von ihren Eltern materiell aufs Feinste versorgt waren, während ich das von meinem bisschen Arbeitseinkommen abknappsen musste, mit dem ich mein Studium finanziert habe.
Hm, ich lese da eine gewisse Missgunst heraus. Dann ist das wahrscheinlich wirklich nichts für dich. Mit Eltern habe ich in dieser Position nicht zutun. Die Menschen dort sind alle erwachsen. Tut mir leid, dass du da solche Erfahrungen gemacht hast.
Die Schuldgefühle in mir haben auch weniger mit den Menschen dort zutun, als mit mir. Ich mache sie mir, weil es mich im Vergleich zu ihnen deutlich weniger hart getroffen hat und ich trotzdem nur schwer damit zurecht komme, dass es jetzt so ist, wie es ist. Verstehst du? ICH maße mir an mit meinem Leben zu hadern, traurig zu sein, es am liebsten wegwerfen zu wollen, während diese Menschen es ja doch irgendwie schaffen, auch mal zu lächeln, obwohl es sie wirklich hart getroffen hat.
Manchmal habe ich den Impuls einfach flüchten zu wollen. Kann das aber unterdrücken.
 

Schattenkind

Aktives Mitglied
Heute ist ja Donnerstag und ich werde das jetzt einfach noch durchziehen und alles, was mir auf die Füße fällt mit zur Therapeutin nehmen. Es hat ja einen Grund, weshalb es mir so schlecht damit geht. Sie wird mich vermutlich belächeln und mich wissen lassen, dass sie mir das gleich hätte sagen können...
 

Niceguy

Aktives Mitglied
Hm, ich lese da eine gewisse Missgunst heraus.
Hm, das war und ist eigentlich weniger der Kern der Sache. Das war ein eher linksalternatives Vorzeigeprojekt mit allerlei widersprüchlichen Ansprüchen, die sich der Reihe nach selbst erledigt haben. Jedenfalls war es für mich sehr lehrreich, Arbeits- und Privatspäre entsprechend zu trennen und diesbezüglich Nein zu sagen. Ich bin kein schmückendes Beiwerk im Leben meiner Patienten, wie schwer behindert sie auch sein mögen. Ich bin da auch nicht Kumpel und Ersatzfreund, denn dann gerät man tatsächlich schnell in einen Kreislauf von Schuldgefühlen und Selbstausbeutung.

Meine Einschränkungen haben auch rein gar nix mit denen meiner Patienten zu tun. Ich musste auch erst lernen, Mitgefühl mit mir selbst zu entwickeln, mir selbst ein guter Partner zu sein. Da erledigt sich dann auch die Aufrechnerei, wer denn nun ein schlimmeres Schicksal hat. Jedes Leben ist anders und jedes Leid. Unsd da kann ich dann auch froh und dankbar sein, trotz aller eigener Einschränkungen so viele Ressourcen haben, um anderen noch helfen zu können.

Ähm - kennst du den Begriff Helfersyndrom? Darüber sind bereits viele Werke verfasst worden. Vielleicht lohnt sich da ein Blick in diese Richtung....
 

Schattenkind

Aktives Mitglied
Hm, das war und ist eigentlich weniger der Kern der Sache. Das war ein eher linksalternatives Vorzeigeprojekt mit allerlei widersprüchlichen Ansprüchen, die sich der Reihe nach selbst erledigt haben. Jedenfalls war es für mich sehr lehrreich, Arbeits- und Privatspäre entsprechend zu trennen und diesbezüglich Nein zu sagen. Ich bin kein schmückendes Beiwerk im Leben meiner Patienten, wie schwer behindert sie auch sein mögen. Ich bin da auch nicht Kumpel und Ersatzfreund, denn dann gerät man tatsächlich schnell in einen Kreislauf von Schuldgefühlen und Selbstausbeutung.

Meine Einschränkungen haben auch rein gar nix mit denen meiner Patienten zu tun. Ich musste auch erst lernen, Mitgefühl mit mir selbst zu entwickeln, mir selbst ein guter Partner zu sein. Da erledigt sich dann auch die Aufrechnerei, wer denn nun ein schlimmeres Schicksal hat. Jedes Leben ist anders und jedes Leid. Unsd da kann ich dann auch froh und dankbar sein, trotz aller eigener Einschränkungen so viele Ressourcen haben, um anderen noch helfen zu können.

Ähm - kennst du den Begriff Helfersyndrom? Darüber sind bereits viele Werke verfasst worden. Vielleicht lohnt sich da ein Blick in diese Richtung....
Also ein Helfersyndrom habe ich ganz gewiss nicht. Da kann ich mich durchaus gut abgrenzen. Da kenne ich Menschen, die helfen, weil sie es für ihr eigenes Ego brauchen... Das habe ich nicht nötig. Meine Motivation in den sozialen Bereich zu gehen ist eine andere.
Versteh mich nicht falsch, mir macht das Arbeiten mit diesen Menschen grundsätzlich wirklich Spaß. Ich nehme nur halt einen deutlichen Unterschied zwischen jenen wahr, die schon beeinträchtigt geboren wurden und jenen, die eine Schädigung erworben haben. Zu sehen, wie traurig sie in Teilen sind kommt da halt sehr nah an meine Welt heran. Und das ist nicht so leicht für mich. Verstehst du?
Später werde ich ja weniger in dieser Form mit diesen Menschen arbeiten sondern vielmehr für diese Menschen ihre Rechte einfordern. Das ist etwas, das ich gut kann: für andere einstehen. Da habe ich auch keine Hemmungen.
 

Schattenkind

Aktives Mitglied
Ich habe die restlichen Tage durchgezogen.
Das Praktikum war für mich sehr lehrreich. Das ist positiv.
Ich habe nicht erwartet, dass mein Wissen aus dem ersten Studium noch so präsent ist und mir dort so nützlich sein könnte. Alle dort wurden mir mit einer Aphasie aufgrund von Hirnschädigung vorgestellt. Mit der Beschäftigung dieser Menschen wurde mir aber schnell klar, dass das so nicht ganz richtig sein konnte. Ich war mir sicher, dass zB. bei einer jungen Frau keine Aphasie das Problem ist. Das Sprachzentrum ist bei ihr in Tackt. Ich habe mit ihr eine Geburtstagskarte gestaltet, sie kann schreiben, spricht sogar mehrere Sprachen, versteht Sprache, etc. Das Problem ist die Aussprache aufgrund ihrer sehr ausgeprägten Spastiken. Ich durfte mir dann das Infoblatt zu ihr durchlesen, wo auch ihre Diagnose drauf stand. Und da hatte sich das dann bestätigt. Eine andere Frau hat starke Wortfindungsstörungen, versteht aber alles und kann im Grunde auch sagen, was sie möchte, wenn ihr die Worte einfallen. Da ist das Lexikon im Sprachzentrum betroffen. Mein Wissen darüber konnte den Kollegen dort helfen, besser bzw. individueller auf die Leute dort einzugehen. Das hat mich gefreut.
Ich durfte an zwei Mitarbeitersitzungen teilnehmen und mich dort auch einbringen. Dies tat ich auch. Ich habe dort angemerkt, dass ich das Gefühl habe, dass sich dort (was ja auch normal ist) eine Art Betriebsblindheit eingestellt hat und dass gar nicht mehr so genau auf die Anliegen der Beeinträchtigten dort eingegangen wird und es vielleicht andere Wege braucht, um sie zu verstehen und "mitzunehmen". Das hat mich extrem viel Mut gekostet, mich da als "Neue" so einzumischen. Aber am nächsten Tag hat sich der Chef bei mir dafür bedankt.
Ich habe mich nach wie vor sehr schwer mit den Körperflüssigkeiten getan. Je länger ich aber mit diesen Menschen zutun hatte, umso leichter wurde es für mich. Dann macht man es einfach, es wird irgendwie "normal". Okay, zugegeben, das Sterilium wurde dort zu meinem besten Freund.. ;)
Ich war ja selber mal in solch einer Hilflosen Situation und ich ziehe meinen Hut vor den Menschen, die das täglich tun. Was eine wertvolle Erfahrung für mich war ist, dass je mehr man eine Beziehung zu den Beeinträchtigen aufbaut, umso weniger wurde mein Ekel getriggert. Trotzdem ist für mich auch klar geworden, dass ich lieber für Menschen arbeiten möchte und nicht mit ihnen, da es da zu viele Trigger für mich gibt. Also ist meine Entscheidung für das Studium sehr richtig.
Am Ende des Praktikums jetzt sagte mit der Chef, dass sie dort sehr selten Praktikanten mit einem Hochschulabschluss oder Studium haben und dass er es schade findet, dass ich nicht dort lieber eine HEP Ausbildung machen möchte. Er fand meinen Umgang mit den Beeinträchtigen toll. Das sagten mir auch die Kollegen dort. Ich selbst hatte das Gefühl nicht so, weil ich so wenig Selbstvertrauen habe und mich immer ins kalte Wasser geworfen fühlte, wenn man mir zugetraut hat, dass ich jetzt dies oder das machen sollte.
Und auch ganz generell habe ich durch die damaligen Erfahrungen mit dem Übergriff und diesem angeblichen besten Freund einen sehr starken inneren Kritiker in mir, der grundsätzlich daran zweifelt, dass ich kein schrecklicher Mensch bin.
In diesem Praktikum ist mir diese Diskrepanz zwischen Fremd und Selbstwahrnehmung nochmal sehr aufgefallen. Ich bekomme oft gesagt, dass ich ein netter Mensch sei. Glauben aber kann mein Inneres das nicht, es wartet nur darauf, dass sich bestätigt, dass es nicht so ist. Aber vielleicht haben diese Menschen auch recht und sie erkennen etwas an mir, das ich nicht mehr sehe. Mir wird das sehr oft gespiegelt und vielleicht liegt etwas Wahrheit in den Worten meiner Therapeuten, dass nicht ich damals das Problem war, sondern dieser Typ und auch dieser angebliche beste Freund.

Für mich jedenfalls war dieses Praktikum sowohl Fluch und Segen zugleich. Ich bin in der Lage 40 Stunden zu arbeiten, ich schaffe es mit den Menschen umzugehen, in diesem "sicheren" Kontext gelingt es mir, Grenzen zu setzen und ich konnte Ängste abbauen und etwas Selbstvertrauen in meine Stärken zurück gewinnen. Zugleich wurden mir meine persönlichen Grenzen nochmal klarer und was ungut für mich ist. Eine tolle Erfahrung für mich war auch, dass diese schwerst beeinträchtigten Menschen noch so viel Witz und Humor in sich tragen. Es gab viele Momente wo wir zusammen wirklich gelacht haben. :)

Jetzt geht dann das Studium los und ich bin mir sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
 

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