Womit ich noch nie klar gekommen bin, ist so ein Kulturpessimismus. Freundschaften waren zu allen Zeiten schwierig und wechselten. Auch schon früher gab es nur wenige, die jahrzehntelange Freundschaften pflegten. Vor allem gab es sowas im eher ländlichen Bereich, in dem das lokale Sozialgefüge eine ganz andere Rolle spiel(te).
Klar, heute gibt es einfach zu viele Möglichkeiten und wir sind mobiler. Dadurch entsteht Vereinzelung, ja.
Trotzdem lohnt sich aus meiner Sicht ein Blick auf die eigene Befindlichkeit und die Erwartungshaltung. Du hast eine enge Freundin. Das ist super. Und das ist aus meiner Sicht auch das Maß, in dem man echte (!) Freundschaft pflegen kann. Ich habe geradeso Ressourcen für mich, für meinen Partner, meine KInder und meine Arbeit. Eine enge Freundschaft kann ich gar nicht pflegen. Und trotzdem gibt es Personen in meinem Leben, mit denen ich mich emotional sehr stark verbunden fühle, auch wenn wir uns tatsächlich nur alle zehn Jahre sehen. Wenn wir zusammen sitzen, dann verfliegt die Zeit im Nu und wir sind ein Ei und ein Kuchen. Als wäre die Zeit nicht gewesen.
Auch meine andere Freundin sehe ich ca. alle drei Monate und manchmal ein Jahr nicht.
Sie sind meine Freundinnen, weil sie genau das gleiche Bedürfnis an Nähe/ Distanz haben und das gleiche Maß an Ressourcen für Beziehungspflege aufbringen können.
Für andere mag das unvorstellbar sein und eine weitere Freundin hat sich auch ziemlich böse von mir verabschiedet, weil sie damit nicht klar kam. Das fand ich sehr traurig, aber das funktioniert mit mir eben nur so.
Ich will sagen, offensichtlich haben diese Personen einen anderen Rhythmus/ Fokus als Du. Es klingt so bitter, frustriert, wie Du darüber schreibst. Auch, als ob diese Personen Dir etwas schuldig seien, als fühltest Du Dich abgehängt und im Stich gelassen. Als sei es nicht normal, dass sich ändernde Lebensphasen auch mit sich änderndem Umfeld einhergeht.