Hmm...
irgendwas geht definitiv schief in unserem Bildungssystem, da sind sich wohl alle einig. Mich beruhigt, dass es hier aber auch noch Menschen gibt, die nicht gleich pauschal auf den "faulen, unfähigen und bestechungsgeilen Lehrer" einhauen.
Ich sehe die Dinge zwar aus der anderen Perspektive, aber ich sehe auch die gleichen Probleme.
Kinder werden nach der vierten Klasse aufgeteilt und somit schon viel zu früh selektiert und klassifiziert. Das ist echt super schwer, da später wieder rauszukommen, zumindest nach oben hin, nach unten gehts natürlich schnell und einfach...
Und ich sehe auch, dass es oft finanziell schlechter gestellte Kinder, Kinder mit Migrationshintergrund oder Kinder aus schwierigen Familienkonstellationen trifft. Aber eben auch nicht alle. Es gibt auch genug Gegenbeispiele aus solchen Situationen, die es wirklich super hinkriegen.
Und wenn ich die Grundschüler von heute mit meiner eigenen Grundschulzeit vergleiche, stelle ich auch im Allgemeinen weniger Respekt, weniger Ordnung, weniger Ruhe und Sorgfalt im Arbeiten fest.
Allerdings kann ich die Ursache nicht nur (zum Teil natürlich schon) bei den Lehrern finden. Oft sind uns auch einfach die Hände gebunden. Man kann als Klassenlehrerin einer Grundschulklasse nicht mit jedem einzelnen Schüler so intensiv üben wie er es vielleicht nötig hätte. Man muss ja bei vielen in der ersten Klasse wirklich bei elementaren Dingen anfangen (wie ziehe ich mich an? wie sorge ich dafür, dass ich die richtigen Hefte mithabe? Wie führe ich ein Heft ordentlich? Wie mache ich Hausaufgaben? Wie verhalte ich mich halbwegs ruhig innerhalb der Klasse? Wie gehe ich mit Mitschülern und Lehrern um?) und die so oft und lange üben, das ist Wahnsinn. Und dann soll man aber noch ordentlich mit dem Stoff zurecht kommen.
Eine Gradwanderung. Und im Hintergrund stehen dann die Eltern, die sich beschweren, weil die Nachbarklasse schon zwei Seiten weiter ist im Mathebuch als ihr Kind und weil die letzte Arbeit ja viel zu schwer war und ob ihr Kind denn nun nicht endlich mal mit Füller schreiben dürfte und warum nicht auf diese persönliche Eigenart des Schülers besondere Rücksicht genommen wird etc. Und dann gibt es die Eltern, wo man sich wünschen würden, sie würden sich mal kümmern- wo man aber schon wochenlang versucht überhaupt mal ein vernünftiges Telefongespräch hinzukriegen...
Kinder lernen vieles zu Hause nicht mehr, was früher selbstverständlich war. Es gibt Schüler, die mir erzählen, dass sie das ganze Wochenende nichts anderes gemacht haben ausser Fernsehen und Computer spielen (und das bei schönstem Wetter). Und die erzählen das nicht einmal, die erzählen das jeden Montag! Das sind Dinge, die kann eine Schule nicht auffangen!!
Zum Theme "Disziplin" in der Klasse- dem Lehrer sind doch weitgehend die Hände gebunden. Die meisten Schüler wissen genau, wo die rechtlichen Grenzen sind: auf den Flur schicken- nicht erlaubt (Verletzung der Aufsichtspflicht in den meisten Bundesländern)
- Nachsitzen- nur mit Einverständnis vom SL und Eltern
- Extra-Aufgaben werden genauso wenig erledigt wie Hausaufgaben- wie effektiv ist das, drei Wochen einer Extraarbeit hinterzurennen)
- etc...
Und bei vielen Dingen stehen die Eltern dann ganz schnell auf den Barrikaden... "Aber mein Kind hat ja..." "Und Sie dürfen nicht...."
Es fehlt oftmals die Zusammenarbeit, dass Schule und Elternhaus am gleichen Strang ziehen, denn eigentlich wollen doch beide dasselbe: die bestmögliche Ausbildung für ihr Kind.
Es bringt einfach nichts, die Schuld zwischen Eltern, Lehrern und Politik hin- und herzuschieben- so lange sich nichts ändert.
Ich denke, es sollte eine gemeinsame Schule mindestens für die ersten 8 Jahre geben. Und damit meine ich für ALLE! Auch für die Schüler, die eine körperliche oder geistige Behinderung haben. Das täte unserer Gesellschaft wirklich gut. Dass man irgendwann differenzieren muss, ist klar, aber das muss man ja eigentlich schon ab der ersten klasse- dafür muss es aber nicht verschiedene Schulformen oder Klassen geben.
Ich finde es immer wieder faszinierend, wenn mir Gymnasiallehrer erklären, dass sie ihre 30 Schüler zielgleich unterrichten- als ob alle 30 Schüler auf dem gleichen Niveau wären und das gleiche brauchen würden...
Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass sich kaum etwas ändern wird, weil die Deutschen in dem Fall zu sehr an ihrem Elitesystem "Gymnasium" hängen, und so lange es Gymnasien gibt bringt auch jede nett gemeinte Art der Gemeinschaftsschule nichts.
Abgesehen davon sind viele Lehrer sowieso nicht bereit, sich auf andere Schülergruppen einzulassen- das würde ja Fortbildungsbedarf bedeuten...
Zum Bestechen: Halte ich ehrlich gesagt, für Ausnahmesituationen, dass sich Lehrer tatsächlich bestechen lassen. Was mir allerdings bei meinen ersten Elternabenden extrem aufgefallen ist, ist dass man sehr, sehr schnell sieht, welches Kind zu welchen Eltern gehört. Das ist wirklich faszinierend. Du kennst das Kind und sitzt vor den Eltern und merkst sofort, dass das zusammenpasst...
Zu Missis: Ich denk, es gibt solche und solche Lehrer und Eltern. Es gibt bestimmt Lehrer, die sich von der elterlichen Aktivität beeindrucken lassen. Es gibt aber auch jene, die schrecklich genervt von dem Getue der Eltern sind. Dass der Eindruck, den man von den Eltern hat (wenn er extrem ist, ob nun positiv oder negativ) auf das Kind zum Teil zurückfällt, will ich nicht bestreiten. Das ist wohl etwas, das zum zwischenmenschlichen Miteinander dazu gehört, was man als Lehrer aber natürlich so gut es geht ausschalten sollte...
Okay, dass war jetzt echt ein ewig langer Beitrag.... Sorry dafür
Sori