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Äußerlich läuft es, innerlich leer

22.xyz

Neues Mitglied
Ich weiß bei so etwas immer gar nicht, wo ich anfangen soll - daher kurz zu mir: Ich bin Max, 22 Jahre alt und lebe in einer deutschen Großstadt. Eigentlich geht es mir auf den ersten Blick total gut, niemand würde denken, dass irgendetwas nicht stimmt.

Ich habe einen guten Job, verdiene gutes Geld, kann mir meine eigene Wohnung leisten und bin (so zumindest in den Augen) meiner vielen eher oberflächlichen Bekannten auch beliebt und habe augenscheinlich keine Gründe dazu, mir große Gedanken zu über mein Leben zu machen.

Aber - ich habe seit Ewigkeiten keine Freunde und lebe mit der Zeit aus Angst so zurückgezogen, dass mir Gruppen und das Ausprobieren neuer Hobbies und Dinge eine große Angst bereitet. Das letzte Mal, dass ich etwas ausprobiert habe, ist ca. 3 Jahre her. So lebe ich iwie in meinen Alltag rein, habe immer alle Erwartungen erfüllt und Höchstleistung erbracht in Schule, Uni und jetzt auch bei der Arbeit. Nur irgendwie ist das Leben so total sinnlos - es gibt niemanden, der mir wirklich viel bedeutet oder für den ich kämpfen würde. Alles ist Grau und gleichgütlig. Zu jedem bin ich freundlich, jeder ist zu mir freundlich, aber es gibt überhaupt keine Tiefe in meinen Beziehungen.

Die Beziehung zu meiner Familie ist eher kalt, mein Vater hat sich früh aus dem Staub gemacht und war immer mit seinen Projekten beschäftigt, ich weiß noch nicht einmal, worüber wir reden sollen. Aber gleichzeitig will und brauche ich seine Anerkennung und die gab es immer nur über das Geld verdienen oder über gute Leistungen. Meine Mutter und meine Schwester sind beide psychisch krank und es gab viele Jahre zuhause (bevor ich es mir endlich leisten konnte, auszuziehen) nur Streit und Auseinandersetzungen. Seit ich ausgezogen bin, habe ich zwar diese Probleme nicht mehr so vor Augen, jedoch wird mir auch klar, wie abhängig ich von meiner Familie war und bin, meine sozialen Bedürfnisse zu erfüllen. (ich habe einfach niemand anderen und weiß auch nicht, wie ich aus meinem Alltagstrott rauskommen kann.

Ich hatte mehrere depressive Phasen und es war teilweise auch schon so schwierig, dass ich ans Aufhören gedacht habe. Auch in Therapie bin ich, allerdings schaffe ich es nicht so recht, offen über alles zu reden. Ich fühle mich insgeheim sehr minderwertig, nicht Mann genug und irgendwie beschämt, dass alle in meinem Alter ihr Leben leben, zur Uni gehen, Freundesgruppen haben und ich fühle mich total außen vor. Es ist ein bisschen so als wäre ich mit Anderen zwar in einem Raum, jedoch immer durch eine Glasscheibe von ihnen getrennt/immer das fünfte Rad am Wagen. Daher habe ich allgemein sehr große Probleme auf Andere zuzugehen, wenn es um Persönliches geht. Meinen Geburtstag habe ich seit über 10 Jahren nicht mehr gefeiert und nach einer Phase, wo ich in der Schule gemobbt wurde, ist irgendwie auch mein Vertrauen in meine Mitmenschen sehr gebrochen, sodass ich keinen richtigen Freundeskreis mehr seit der achten Klasse habe.

Ich weiß gar nicht mehr weiter, wo ich noch anfangen soll. Ich versuche kleine Schritte zu machen, aber alles ist in meinen Augen nicht gut genug. Vor allem ich bin es nicht - ich "verdiene" keine Freunde, keine liebevolle Beziehungen etc.

Daher habe ich große Probleme mit Gefühlen.und Intimität - ich versuche alles zur Seite zu schieben und tue nach außen hin als wäre alles ganz toll, doch manchmal überkommt mich meine ganze Frustration und Minderwertigkeit so krass, dass ich nicht mehr weiter weiß.

Eigentlich bin ich wirklich ein lebensfroher Mensch und kann mich sehr für Dinge begeistern (ich reise zum Beispiel sehr gerne)

Ich weiß auch nicht so genau, was der Sinn hiervon ist, aber vielleicht ist es einfach gut, das mal alles runter zu schreiben. Ich scheine mich einfach sehr anders zu sehen, als es nun andere Menschen in meinem Leben tun und fühle mich einfach sehr alt und auch (wie ich finde) zu recht so, als würde ich mein Leben verschwenden.

Vielleicht hat ja einer von euch eine ähnliche Geschichte und hat aus diesem Kreislauf rausgefunden zu einem für Euch erfüllenden leben, ich hoffe es jedenfalls sehr und würde mich sehr über jeden Rat freuen :)
 

Kurono

Mitglied
Ich kann das alles gut nachempfinden. Trotzdem finde ich es krass das alles zu lesen. Besonders, dass du schon seit 10 Jahren keinen Geburtstag mehr feierst. Was meinst du, wann genau hat das angefangen, dass du dich in diese Richtung entwickelst?
 

Pfefferminzdrops

Aktives Mitglied
Hallo Max,

ich finde es immer erschütternd, wenn ich solche Einsamkeitspostings junger Menschen lese. Allerdings gibt es daran auch etwas Positives: Sie zeigen nämlich, dass du dir Hilfe holst und dass du dir wünschst, diesen Zustand zu ändern. Dafür brauchst du wiederum einen Plan - und ich hoffe, dass sich u. a. über solche Rückmeldungen wie in diesem Forum der eine oder andere Impuls ergibt. Nachgeben musst du dem dann wiederum selber, denn das vermag hier (leider) niemand zu übernehmen.

War früher das Gefühl der Einsamkeit noch vornehmlich den Älteren vorbehalten, trifft es heute immer mehr junge Leute. Neben der Digitalisierung, die Fluch und Segen zugleich ist, hat Corona hier nochmal ganze Arbeit geleistet.

und irgendwie beschämt, dass alle in meinem Alter ihr Leben leben, zur Uni gehen, Freundesgruppen haben und ich fühle mich total außen vor. Es ist ein bisschen so als wäre ich mit Anderen zwar in einem Raum, jedoch immer durch eine Glasscheibe von ihnen getrennt/immer das fünfte Rad am Wagen.
Ich glaube, du erliegst hier einem riesigen Trugschluss. Genau wie du ja schon selber sagst, dass nach außen niemand sieht, wie schlecht es dir eigentlich geht ist das anders herum nicht anders. Wie sonst sollte es dazu kommen, dass beinahe 50 % der jungen Menschen ein starkes oder sogar sehr starkes Gefühl von Einsamkeit verspüren. Das ist jeder Zweite und ganz sicher hast du nicht nur Erste in deinem Umfeld. Will heißen, denen geht es nicht anders als dir und auch sie zeigen es genauso wenig wie du. Am Ende ändert das nicht viel, aber zu wissen, dass du nicht allein bist mit deinen Sorgen bedeutet ja auch, dass da draußen viele sind, die nur auf einen liebenswerten Menschen wie dich warten. Wenn ihr allerdings in Untätigkeit verharrt werdet ihr nicht zueinander finden. Das heißt, du MUSST da raus und gegen den Widerstand angehen.

Ein großer Vorteil, den du hast, ist dass du nicht in der Pampa lebst, sondern in einer Großstadt. Da gibt es zahlreiche Angebote; es gilt etwas Schönes für dich zu finden. Mir persönlich war immer der Sport am liebsten. Gibt es da nichts, was du früher praktiziert oder etwas, was dich immer schon mal gereizt hat? Wichtig ist, dass du nicht erwartest, dass sich direkt beim ersten Mal ein Kontakt ergibt. So etwas muss reifen und du musst halt immer wieder hin. Diese Phase ist noch nicht wirklich erfreulich, aber wenn du dran bleibst, wird sich das auszahlen. Sport hat auch den Vorteil, dass der Fokus auf der Sportart liegt und es keine Verlegenheitspausen gibt. Während Verschnaufpausen oder danach kann man dann noch etwas trinken gehen.

Ich habe mit Anfang 30 einen Frauenstammtisch ins Leben gerufen. Damals ging das über eine Szenezeitung und war ein voller Erfolg. Ich war ganz schön nervös als ich da in Düsseldorf in der Kneipe stand und die ersten Frauen eintrudelten. Einige sprangen auch wieder an, aber es fand sich ein harter Kern von über 10 Frauen verschiedenster Charaktere und wir hatten über viele Jahre eine richtig gute Zeit über viele Jahre. Heutzutage würde ich wohl Spontacts dazu wählen. Du könntest - sofern du dazu locker genug bist - eine kleine Runde zum gemeinsamen Kochen und Essen zu dir einladen. Oder vielleicht klinkst du dich auch erst einmal in ein solches Angebot ein, was andere eingestellt haben.

Du schreibst, du hättest viele Bekannte, jeder sei freundlich zu dir und du zu ihnen. Wenn du schon aus so einem reichen Fundus schöpfen kannst, könntest du auch mal überlegen, wen von denen du gerne näher kennenlernen würdest. Dazu musst du aber ein Signal aussenden. Wenn du da ebenfalls nur freundlich grüßt und dann deines Weges ziehst wird daraus nichts.

Bist du eher an Party oder auch gesellschaftlich interessiert? Falls letzteres der Fall ist: Kennst du Rotaract? Das ist der junge Zweig der Rotarier. Die suchen immer junge Leute, die sich ihnen anschließen und sie treffen sich für gemeinsame Unternehmungen oder auch gemeinnützige Unterstützungsaktionen. Schau mal auf die Seite deines Wohnortes. Vielleicht gehst du einfach mal zu einem der Treffen. Zu verlieren hast du nichts - könntest aber viel gewinnen. Die Leute da sind auch tiefgründiger und ernsthafter als die übrige Party Generation. Vielleicht wäre ja auch das etwas für dich?

Zu guter Letzt möchte ich noch für deine Eltern eine Lanze brechen. Ich bin ja auch Mutter einer 20-jährigen Tochter, daher kann ich mich da ganz gut reinversetzen. Tatsächlich wollen Eltern das für ihre Kinder, was man so abgedroschen "nur das Beste" nennt. Wenn dein Vater dich immer nur gut fand, wenn du geleistet und gelernt und abgeliefert hast, dann ist das genau das, wie er groß geworden und was er gelernt hat. Nur das zahlt sich aus. Ich bin sicher, dass viele konservative Eltern sich gar keine Gedanken darüber macht, dass sich die Zeiten geändert haben. Sich in die "Jugend von heute" hineinversetzen zu können fällt nicht vom Himmel, das ist harte Arbeit, sich dieser neuen Situation aufzuschließen und sich zu informieren. Dein Vater wusste es nicht besser.

Und dass du dich mit deiner Mutter viel gefetzt hast bleibt nicht aus. Sie durfte dich ja durch die Pubertät begleiten, die tatsächlich keine einfache Zeit ist. Zoff mit den Eltern und kein gemeinsamer Nenner gehören da zur Tagesordnung.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich euer Verhältnis auch wieder verbessern wird. Aber die wenigsten Dinge gehen von jetzt auf gleich, sondern brauchen Zeit. Du bist noch herrlich jung, hast noch wunderbare Jahre vor dir. Und wenn du so gar nicht in die Puschen kommst, dann ist es keine Schande, sich Hilfe zu suchen. Dazu muss man nicht krank und auch nicht gaga sein, das ist teilweise ganz simple Lebenshilfe, wenn man mal feststeckt. Vielleicht hat hier jemand noch einen guten Kontakt - ich würde dir dir Tel. 116 117 empfehlen (das ist die Terminservicestelle der Krankenkassen), um dich auf eine Warteliste setzen zu lassen. Du musst dort nicht ins Detail gehen, sagst einfach, dass du Kummer hast und Unterstützung durch einen psychologischen Psychotherapeuten brauchst. Bist du einen Platz bekommst wird es ohnehin dauern.

Und in dieser Zwischenzeit probiere ruhig mal ein paar der Tipps, die hier bekommen hast oder wirst. Sollte sich dein Zug ins Lebensglück dann von selbst in Bewegung setzen kannst du dich immer noch wieder von der Warteliste streichen lassen.

Vielleicht klappt es dann auch mit der Liebe - unverhofft kommt ja bekanntlich oft. Ich denke, dass sich viele deiner Sorgen dann von selbst erledigen. Schönes mit dem Partner zu erleben und teilen zu können ist ein Kraftquell und führt zu Lebensfreude. Die fehlt dir im Moment. Die gute Nachricht ist: Das kannst du ändern. :)
 
Zuletzt bearbeitet:

Marcko

Mitglied
Ich weiß bei so etwas immer gar nicht, wo ich anfangen soll - daher kurz zu mir: Ich bin Max, 22 Jahre alt und lebe in einer deutschen Großstadt. Eigentlich geht es mir auf den ersten Blick total gut, niemand würde denken, dass irgendetwas nicht stimmt.

Ich habe einen guten Job, verdiene gutes Geld, kann mir meine eigene Wohnung leisten und bin (so zumindest in den Augen) meiner vielen eher oberflächlichen Bekannten auch beliebt und habe augenscheinlich keine Gründe dazu, mir große Gedanken zu über mein Leben zu machen.

Aber - ich habe seit Ewigkeiten keine Freunde und lebe mit der Zeit aus Angst so zurückgezogen, dass mir Gruppen und das Ausprobieren neuer Hobbies und Dinge eine große Angst bereitet. Das letzte Mal, dass ich etwas ausprobiert habe, ist ca. 3 Jahre her. So lebe ich iwie in meinen Alltag rein, habe immer alle Erwartungen erfüllt und Höchstleistung erbracht in Schule, Uni und jetzt auch bei der Arbeit. Nur irgendwie ist das Leben so total sinnlos - es gibt niemanden, der mir wirklich viel bedeutet oder für den ich kämpfen würde. Alles ist Grau und gleichgütlig. Zu jedem bin ich freundlich, jeder ist zu mir freundlich, aber es gibt überhaupt keine Tiefe in meinen Beziehungen.

Die Beziehung zu meiner Familie ist eher kalt, mein Vater hat sich früh aus dem Staub gemacht und war immer mit seinen Projekten beschäftigt, ich weiß noch nicht einmal, worüber wir reden sollen. Aber gleichzeitig will und brauche ich seine Anerkennung und die gab es immer nur über das Geld verdienen oder über gute Leistungen. Meine Mutter und meine Schwester sind beide psychisch krank und es gab viele Jahre zuhause (bevor ich es mir endlich leisten konnte, auszuziehen) nur Streit und Auseinandersetzungen. Seit ich ausgezogen bin, habe ich zwar diese Probleme nicht mehr so vor Augen, jedoch wird mir auch klar, wie abhängig ich von meiner Familie war und bin, meine sozialen Bedürfnisse zu erfüllen. (ich habe einfach niemand anderen und weiß auch nicht, wie ich aus meinem Alltagstrott rauskommen kann.

Ich hatte mehrere depressive Phasen und es war teilweise auch schon so schwierig, dass ich ans Aufhören gedacht habe. Auch in Therapie bin ich, allerdings schaffe ich es nicht so recht, offen über alles zu reden. Ich fühle mich insgeheim sehr minderwertig, nicht Mann genug und irgendwie beschämt, dass alle in meinem Alter ihr Leben leben, zur Uni gehen, Freundesgruppen haben und ich fühle mich total außen vor. Es ist ein bisschen so als wäre ich mit Anderen zwar in einem Raum, jedoch immer durch eine Glasscheibe von ihnen getrennt/immer das fünfte Rad am Wagen. Daher habe ich allgemein sehr große Probleme auf Andere zuzugehen, wenn es um Persönliches geht. Meinen Geburtstag habe ich seit über 10 Jahren nicht mehr gefeiert und nach einer Phase, wo ich in der Schule gemobbt wurde, ist irgendwie auch mein Vertrauen in meine Mitmenschen sehr gebrochen, sodass ich keinen richtigen Freundeskreis mehr seit der achten Klasse habe.

Ich weiß gar nicht mehr weiter, wo ich noch anfangen soll. Ich versuche kleine Schritte zu machen, aber alles ist in meinen Augen nicht gut genug. Vor allem ich bin es nicht - ich "verdiene" keine Freunde, keine liebevolle Beziehungen etc.

Daher habe ich große Probleme mit Gefühlen.und Intimität - ich versuche alles zur Seite zu schieben und tue nach außen hin als wäre alles ganz toll, doch manchmal überkommt mich meine ganze Frustration und Minderwertigkeit so krass, dass ich nicht mehr weiter weiß.

Eigentlich bin ich wirklich ein lebensfroher Mensch und kann mich sehr für Dinge begeistern (ich reise zum Beispiel sehr gerne)

Ich weiß auch nicht so genau, was der Sinn hiervon ist, aber vielleicht ist es einfach gut, das mal alles runter zu schreiben. Ich scheine mich einfach sehr anders zu sehen, als es nun andere Menschen in meinem Leben tun und fühle mich einfach sehr alt und auch (wie ich finde) zu recht so, als würde ich mein Leben verschwenden.

Vielleicht hat ja einer von euch eine ähnliche Geschichte und hat aus diesem Kreislauf rausgefunden zu einem für Euch erfüllenden leben, ich hoffe es jedenfalls sehr und würde mich sehr über jeden Rat freuen :)
Hallo Max,
ja manchmal ist es gut, das einfach mal los zu werden.

Ich sehe mich da in Teilen wieder. Das Studium (ich habe auch studiert) hat super funktioniert, wenn man den Bogen raus hatte, das Wesentliche richtig zu lernen. Das Belohnungssystem hat funktioniert. Viel lernen, das Richtige lernen und am Ende einen guten Abschluss erlangen. Top.

Schulfreunde hatte ich sehr enge, sehr gute, die sind mit Beginn des Studiums alle verloren gegangen, niemand hat mit mir zusammen studiert. Die meisten sind weg gezogen. Im Studium konnte ich ein paar "Freundschaften" aufbauen. Wobei ich Freundschaften bei anderen im Umfeld sehr viel enger erlebt habe, als ich sie je aufbauen konnte.

Ich habe einen Top Abschluss erlangt, habe einen grandiosen Berufseinstieg hingelegt und hockte am Ende, daheim ausgezogen, in einer 40qm Bude allein ohne Freunde mit einem guten Master Zertifikat in der Tasche, gutem Geld, und nach außen fragte jeder: Wieso hockt der da in seiner Bude, wieso hat der keine Frau?

Naja, das Studium lief nach klaren Regeln. Ein gewisses automatisiert vorhandenes soziales Umfeld hatte man auch. Ich habe nach dem Studium gemerkt, dass man sich plötzlich alleine wiederfindet. Wer keine langjährig gepflegten Freunde hat, so wie ich sie nicht hatte, der steht erst mal da.

Deine Leere kann ich gut verstehen. Ich habe sie damals versucht mit materiellen Dingen zu füllen, teuren Autos, damit hab ich viel Geld verbrannt. Und ich erinnere mich noch in einem Sportwagen gesessen zu haben, damit bin ich durch meine Heimatstadt gefahren und ich dachte, jetzt bin ich der größte, ich müsste doch Freunde finden. Das tat ich auch, falsche Frauen, falsche Freunde, die hinter dem Auto nicht mich sahen, sondern einfach nur Geld (das überschaubar war, aber für mein Alter natürlich war es gut).

Ich bin gehetzt gewesen, ich war viel unterwegs, auf Partys, in Clubs, immer allein. Das würde ich heute nie wieder machen. Damals dachten viele, ich ziehe alleine los, weil ich der Aufreißer schlechthin bin und was will ich da mit Freunden an meiner Seite. Die Wahrheit war, ich hatte niemanden.

Zu ein paar Studienkollegen hatte ich noch Kontakt, der zerbrach, nachdem ich mit einer attraktiven Frau in unserer Clique etwas anfing, und sofort merkte, wir passen nicht zueinander, das zerschlug aber zugleich die gesamte Clique und Freundschaften, weil Eifersucht aufkam und so weiter. Damals war ich noch jemand, der wirklich sehr begehrt war bei Frauen, das ändert sich, 20 Jahre später, Frauen werden reifer, älter, sind vergeben, man selbst wird auch älter, gesetzter und eher unsicherer statt sicherer. Die Gesellschaft hat sich geändert.

Du bist also absolut kein Einzelfall.

Es hat bei mir Jahre gedauert, bis ich aufgehört habe, mich selbst zu bemitleiden. Ich habe mir gesagt: Trau dich, Dinge zu tun, mit Bestand. Nicht im Sinne von Allein auf Partys gehen und Frauen anflirten, das meine ich damit nicht, sondern ich bin in Vereine gegangen, habe mich unter die Leute gemischt, immer alleine. Ich habe darin irgendwann große Vorteile entdeckt, weil man zwar allein ist, aber man ist flexibel und ungebunden, muss niemanden überzeugen wo hin mit zu gehen. Ich weiß noch, an einem verschneiten Dezembertag vor vielen Jahren habe ich mir sämtliche Vereine in der Umgebung angesehen. Und in einem bin ich noch heute Mitglied und habe zwei Kontakte gefunden, bei denen ich nicht ausschließe, Freundschaften zu schließen.

In Deinem Alter ist noch viel mehr drinnen, als mit knapp 40. Du kämpfst mit anderen Schwierigkeiten, der Oberflächlichkeit Deiner Altersgeneration.

Aber gib nicht auf, verkriech dich nicht. Allenfalls um mal zu reflektieren, was willst du, wohin willst du und was interessiert dich.

Mein Fehler war, ich bin oft nicht des Inhalts wegen wohin gegangen, sondern der Leute wegen und der Frauen wegen. Und war dann enttäuscht, wenn meine Erwartungen nicht erfüllt wurden. Das betraf früher Partys, Locations, Clubs und sogar einmal einen Verein.

Aus dem Grunde: Unternimm, was dir inhaltlich gefällt, dann bist du locker, offen und triffst auch auf Leute, die dich entspannt wahrnehmen und nicht suchend.

Es ist interessant, häufig haben Menschen, bei denen nichts läuft, ein gut funktionierendes soziales Umfeld. Das habe ich schon festgestellt. Vielleicht weil sie keine Konkurrenz darstellen. Und hingegen bei Leuten, die nach außen top da stehen, haben oft ein sehr kleines bis garkein funktionierendes Umfeld. Vielleicht ist es eine Sache des potentiellen Wettbewerbs.
 
G

Gästin

Gast
Vielleicht hat ja einer von euch eine ähnliche Geschichte und hat aus diesem Kreislauf rausgefunden zu einem für Euch erfüllenden leben, ich hoffe es jedenfalls sehr und würde mich sehr über jeden Rat freuen :)
Hi,

Meine Geschichte ist ein wenig anders, denke ich. Was aber ähnlich war bei mir, ist das, was du als 'Glaswand' beschreibst. Als ich jung war, in der Schule, war da diese 'Eiswand', die mich von den anderen isoliert hat.

Später ist die 'geschmolzen'. Wie genau das passiert ist, weiss ich selber nicht genau.

Ein Teil war das Lesen, glaube ich. Romane, Geschichten, Lyrik, alles mögliche. Irgendwann hatte ich verstanden oder glaubte zumindest, verstanden zu haben, dass nicht nur ich 'anders' bin, sondern jeder. Oder zumindest sehr viele Menschen, mehr als man denken sollte.

Ein anderer Teil war, dass ich für eine kurze, kostbare Zeit eine Gruppe fand, wo ich dazugehörte. Bei mir war es ein Sportverein. Ich kenne andere, die das gleiche bei einer Hobbygruppe fanden (Spieletreff) oder beim Ehrenamt

Ein wichtigste Teil war, dass ich irgendwann Freunde fand. Dazu gehört Glück, es gehörte aber auch Mut dazu, um auf andere zuzugehen. Und auch der Mut, ehrlich zu sein.

Ich meine mit Ehrlichkeit keine Unhöflichkeit oder Welt erschütternde Erkenntnisse oder Seelen-Striptease.

Ich meine damit, dass es in unserer Gesellschaft ziemlich strikte Konventionen dazu gibt, was zu einem höflichen Smalltalk dazu gehört und was nicht. So lange du dich aber ausschließlich darauf beschränkst, kannst du andere nicht kennen lernen und sie dich nicht.

Trau dich. Trau dich, du selbst zu sein, trau dich, zu tun, was du willst, trau dich zu sagen, was du denkst und fühlst.

Du wirst nicht mit jedem auf einer Wellenlänge schwimmen. Aber du wirst dann die erkennen können, bei denen das der Fall ist, die, die deine Seele zum Schwingen bringen und genau so kostbar und wichtig: sie werden dich erkennen können.

Alles gute!
 

kaela

Aktives Mitglied
Hallo 22.xyz,

hier im Forum darf man keine Diagnosen stellen, und das ist auch richtig so. Ich glaube, ich habe aber eine Ahnung, was so ungefähr in deiner Familie und bei dir läuft ... Kenne ich so ähnlich aus meiner eigenen Familie.

Ich glaube, du bist - auch wenn es hart klingt - von deinen Eltern nicht geliebt worden. Es hört sich so an, als wären nur deine Leistungen etwas wert; wie es dir geht, hat anscheinend weder deinen Vater noch deine Mutter interessiert. Sowas ist definitiv keine Liebe.

Du hast also von deinen Eltern nicht erfahren, dass du mit allem, was dich ausmacht, liebenswert und okay bist. Daher deine Selbstzweifel und deine Ängste. Andere Leute in deinem Alter haben sozusagen 22 Jahre lang Liebe bekommen, der Krug ist bei ihnen ziemlich voll - bei dir ist kaum etwas da. Im Gegenteil: Vermutlich gibt es bei dir ganz oft Gedanken wie: Ich reiche nicht. Das ist alles nicht genug. Die anderen sind besser, fröhlicher, intelligenter, sozialkompetenter ...
Durch diese Unsicherheit und Ängste traust du dich nicht zu anderen Leuten zu gehen und bist sehr einsam. Und durch die Härte vor allem deines Vaters (und vielleicht auch, weil du in einer immer noch patriarchalen Gesellschaft aufgewachsen bist), glaubst du, du müsstest immer stark und immer gut drauf sein. Das ist eine absolut zerstörerische Falle! Da zeigt sich die totale Lieblosigkeit des Patriarchats auch gegenüber jedem Mann.
Deine Mutter und Schwester sind krank. Aber wenn dein Vater dich so behandelt hat, wie er es getan hat, ist er auch nicht gesünder. Das ist definitiv nicht normal!
Schau dir mal auf youtube Videos von liebevollen Vätern an, dann weißt du, was ich meine.

Bei mir in der Familie war es ähnlich - erst als ich in einer WG viele Wochen lang die Interaktionen zwischen einer Mitbewohnerin und ihrem Freund sehen konnte, habe ich auch gefühlsmäßig verstanden, begriffen, dass Liebe der Normalzustand ist - und kein Luxus.

Ich finde es super, dass du in Therapie bist!! :) Deine Therapeutin/dein Therapeut weiß ja schon, dass es dir nicht gut geht. Und es könnte sehr gut sein, dass er oder sie nur darauf wartet zu hören, wie es dir wirklich geht. Sie wird dich mit größter Wahrscheinlichkeit nicht in die Pfanne hauen wollen, sondern mitfühlend zuhören und sich freuen, dass du dich ein Stück weit geöffnet hast. Probiere es doch mal aus. Du kannst ja mit einer Sache, einem Gefühl rausrücken, es vielleicht ein bisschen klein reden, wenn du dich so sicherer fühlst, und schauen, wie sie reagiert. Ein Teil von dir - nicht alles! - ist wohl ein kleiner, ungeliebter Junge, der braucht unbedingt Mitgefühl, Verständnis, Trost. Einen Teil davon kannst du, je nach Therapieschule, von der Therapeutin bekommen. Und dann geht es immer auch darum zu lernen, sich selbst zu lieben, sich selbst zu trösten. Das ist das Normale. Dazu gibt es viele gute Bücher. Z. B. von Stefanie Stahl. Oder andere Bücher über das innere Kind und den inneren gesunden Erwachsenen.

Falls du dich innerlich leer fühlst, also gefühllos: Dann könnte es sein, dass du deine Emotionen schon seit Ewigkeiten unterdrückt hast. Wenn man nicht weint, seine Wut nicht rauslässt und auch alle anderen Emotionen unterdrückt, dann fühlt man sich leer, weil die positiven Gefühle erst wieder auftauchen, wenn man den ganzen "Müll" aus dem Seele-Körper-Geist-System rausgespült hat.

Ich würde dir raten zu lesen, über all deine Symptome, z. B. auch Giger-Bütler (Depressionen), dysfunktionale Familien, über sehr egoistische Menschen, über Bindungsstörungen (ganz wichtig: Karl Heinz Brisch! Seine Fachbücher lesen sich, soweit ich sie kenne, sehr gut.) Persönlichkeitsstörungen: Peter Fiedler. Familientherapie und Bindung: Jesper Juul. Der Mann war EINMALIG! Hatte ein unglaubliches Wissen und ein unglaubliches Einfühlungsvermögen. Oder lies mal Bücher wie: Erziehung ohne Schimpfen, oder: Mama, nicht schreien. Da kannst du sehen, was dir alles an Respekt, Liebe und Feinfühligkeit zugestanden hätte.

Und: Versuch, Mitgefühl mit dir selbst zu haben. Du kannst ABSOLUT nichts dafür, dass du jetzt an dem Punkt bist, an dem du bist!! Übe dieses Selbstmitgefühl, trainiere es. Das ist was anderes als Selbstmitleid!
Es ist, nach allem, was du erlebt hast, vollkommen verständlich, dass es dir jetzt schlecht geht. Es kann kaum anders sein.

Du könntest mal eine Liste deiner positiver Eigenschaften anlegen. Sie immer wieder anschauen und dich freuen, dass du sie hast. Und dich fragen, ob du nicht noch was vergessen hast! :)

Je mehr du weißt und erlebst, was Liebe und Selbstliebe sind, desto leichter wird dir das Zugehen auf andere Menschen fallen. Ich würde dir, was Kontakte anbelangt, raten, auf Menschen zuzugehen, die selbst ein bisschen unsicher sind. Da passt es besser als bei Leuten, die im Großen und Ganzen keine psychischen Probleme haben. Und natürlich solltest du dort unterwegs sein, wo es dich hobbymäßig hinzieht.

Alles Gute! :)
 
Zuletzt bearbeitet:

kaela

Aktives Mitglied
Wenn du glaubst, du bist nicht männlich genug, dann könntest du von Jack Urwin "Boys don't cry" lesen. Als er 10 Jahre alt war, hatte sein Vater eine Grippe, und der Junge fragte ihn nach ein paar Tagen, wie es ihm gehe. Die Antwort: "Besser!" Dann ging der Vater ins Bad und starb.
Er hatte weder seiner Frau noch dem Sohn gesagt, dass er Herzprobleme hatte. Sie fanden dann in seinen Klamotten entsprechende Tabletten.

Ich finde, es ist ein sehr gutes Buch. Jack Urwin (Journalist) zerpflückt darin die ganz alltägliche toxische Männlichkeit. Besonders interessant fand ich seine Erkenntnis, dass unter Jungen allgemein eine Mobbingkultur herrscht. Vielleicht ist die in den Staaten insgesamt schlimmer, aber hier gibt es sie natürlich auch.
Hast ja besonders darunter leiden müssen ...
 
G

Gelöscht 130847

Gast
In den täglichen Routinen gewöhnt man sich zu schnell an alles und schlafwandlelt dann durchs Leben. Freunde, Hobbys und Abenteuer sind auch viel wert, aber erkenne doch erstmal die schönen Kleinigkeiten im Leben damit du bereit bist für die größeren Geschenke des Lebens.
 

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