Hallo Grünpflanze
Heute finde ich endlich nochmal die Zeit, Dir zu antworten.
Und keine Ahnung, in welche Kategorie meine Depressionen einzuordnen sind. Hmm. Das ist eine interessante Frage, die ich wohl bei meinem Arzttermin nächste Woche mal ansprechen werde. *aufschreib*
Ich tippe mal auf leichte Depression. Evtl auch mittelschwer.
Ja, da nimmst Du auf jeden Fall richtig an. Für mich sind Antidepressiva und sogar meine Depression sehr negativ belegt, weil ich mir denke, ich müsste mich ja nur ein bischen mehr zusammen reißen und dann würde das auch gehen und alle (mich eingeschlossen) die Depressionen haben sind na ja - krank im Kopf und selber schuld, dass sie eben nicht durchhaltefähiger sind. Da muss ich wohl noch einiges lernen - vor allem zu akzeptieren, dass ich krank bin. Ich fürchte da hab ich noch einiges vor mir. Und weil ich ja nicht krank sondern nur faul bin und die Depressionen ja nur eine Ausrede sind brauche ich auch keine Antidepressiva, weil ich ja keine Hilfe brauch, sondern mich selbst nur mehr in den Hintern treten müsste. Jetzt wo ich das aufschreib kommt mir erst mal, was für ein kranker Gedankengang das eigentlich ist.
Auf jeden Fall ist es gut, mal ne andere Meinung über Antidepressiva zu lesen und auch mitzukriegen, dass Depressionen tatsächlich eine Krankheit sind. Und ich bin jetzt wirklich mal gespannt, was der Neurologe zu mir sagt.
Und für den Rest hab ich ja meine Psychologin. 🙂
Daher - weil ich so ne Angst davor habe, wirklich krank zu sein - verdränge ich das alles ganz gerne.
Ich habe im Laufe der Jahre einige Vorbehalte und Ängste verloren. Ein guter Therapeut versucht nicht, mich zu manipulieren, wie ich es früher einmal befürchtet hatte, sondern versucht, mir meine Situation bewußter zu machen, und mit mir nach neuen Wegen zu suchen. Eine psychosomatische Klinik ist ein Ort, wo sich ganz normale Menschen aufhalten. In eine Psychiatrie wird man nicht eingewiesen, wenn man verrückt ist. Und die Telefonseelsorge ruft man an, wenn man akute Probleme hat, von denen man sich im Augenblick überfordert fühlt.
Und auch mit Medikamenten habe ich mich in den vergangenen Jahren als eine Möglichkeit, seinen Depressionen zu begegnen, angefreundet. Heute gehe ich genauso selbstverständlich zu einem Therapeuten, wie zu einem Hausarzt. Wobei ich einen Psychiater einem Zahnarzt vorziehen würde.
😉
Allerdings stufe ich meine eigenen Depressionen bis heute nicht als Krankheit ein. Für mich ist Depression, so wie ich sie erlebe, eine Möglichkeit, im Leben zu reagieren, wenn sie auch meist nicht sehr effizient ist. Resignieren, regungslos verharren und abwarten, dass sich die Situation verändert. In meinem Bekanntenkreis sind mehrere Menschen, die zu Depressionen neigen. Ich betrachte es mehr als Charakterzug, bzw als eine Folge von Charakterzügen. Oft erlernt, manchmal auch kultiviert. Halt im Grunde wie Einsamkeit, Streß oder Ängste ganz normal. Was ja nicht ausschließt, dass man dagegen angehen kann.
Und außerdem hab ich das bei zwei Freundinnen mitgekriegt, die jetzt seit Jahren Antidepressiva nehmen und davon nicht mehr "runterkommen", die die Antidepressiva also wohl lange Zeit nicht absetzen konnten und immer noch nicht können. Und eigentlich bin ich gerne ein unabhängiger Mensch. Und wäre auch gerne unabhängig von Antidepressiva. Und ich habe die Befürchtung, nie mehr aufhören zu können, wenn ich einmal damit angefangen habe.
Die meisten gebräuchlichen Antidepressiva machen bei leichten Depressionen nicht wirklich abhängig. Auch wenn es bei manchen Menschen zu Absetzerscheinungen kommen kann, besonders nach hoher Dosierung.
Aber ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen erleichtert sind, wenn sie auf einem relativ einfachen Weg ihre Depressionen los werden. Und dass sie befürchten, wieder in ihren alten Zustand zurückzufallen, wenn sie die Medikamente wieder absetzen. Sicher kann das passieren. Aber man kann die Dosis auch nach und nach reduzieren, und aufmerksam beobachten, ob diese Befürchtungen tatsächlich eintreten.
Außerdem habe ich gehört, dass die Antidepressiva persönlichkeitsverändernd sein sollen. Und in guten Phasen bin ich eigentlich sehr gerne ich. Dann mag ich mich auch. Und dann schaff ich auch viele Dinge. Die Ansicht über die Antidepressiva hat sich aber, nachdem ich mich jetzt schlau gemacht habe wie die Dinger wirken schon etwas relativiert.
Nach meiner Erfahrung würde ich sagen, sie wirken persönlichkeitsverändert, und gleichzeitig auch nicht. Ich bin jetzt kein anderer Mensch. Meine Eigenschaften, die Grundsätze, nach denen ich lebe, haben sich nicht verändert. Auch das Chaos in meiner Wohnung ist geblieben. Die meisten Menschen nehmen bei mir keine Veränderung wahr.
Aber ich bin lockerer geworden. Etwas schneller, hektischer, weniger strukturiert (als Kopfmensch). Ich sitze nicht mehr da wie ein Fels, sondern schwimme etwas mehr durchs Leben. Und wenn mal etwas schief läuft, kann ich es schneller hinter mir lassen. Auf manche Kontakte hat das einen Einfluss. Ich bin nicht mehr so aufmerksam und geduldig bei anderen Menschen. Schweife schneller vom Thema ab, wenn es mir zu mühsam ist, oder lasse mich gar nicht darauf ein. Und ich plappere mehr und albere mehr herum.
Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Fühlt man sich mit synthetischen Antidepressiva ähnlich? Oder haben die bei Dir andere Auswirkungen?
Vermutlich schon. Ich hatte nur einen Wirkstoff ausprobiert (Setralin). Hatte aber zuviele Nebenwirkungen bekommen, so dass ich es wieder abgesetzt habe. Die meisten häufigeren Nebenwirkungen treten bei den üblichen synthetischen Antidepressiva mit einer Wahrscheinlichkeit bis etwa 10-20% auf, in einzelnen Fällen sind sie in etwa genauso häufig, wie die erwünschte Wirkung. Ich habe da halt einfach Pech gehabt. Sollte es eine positive Wirkung gehabt haben, dann habe ich sie durch die ganzen Nebenwirkungen nicht wahrgenommen.
Letztlich muss man bei diesen Medikamenten einen Kompromiss schließen. Sind die evtl auftretenden Nebenwirkungen im Vergleich zu der (ebenfalls nicht bei jedem auftretenden) Verbesserung des Wohlbefindens vertretbar, oder nicht?
Johanniskraut habe ich auch ausprobiert, als es vor Wochen angefangen hat, mir schlechter zu gehen. Aber ich hatte das aus der Drogerie und hab auch gelesen, dass das nicht so wirksam sein soll, habe auch nach einigen Wochen Einnahme noch keine Wirkung gespürt, daher habe ich das dann wieder gelassen. Ich wusste gar nicht, dass man sich das auch vom Arzt verschreiben lassen kann. Ich nehme an, dass das dann andere Dosen sind als das, was man in der Drogerie kriegt.
Da es vergleichsweise geringe Nebenwirkungen mit sich bringt, und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten erst seit wenigen Jahren bekannt sind, hat es unter den Antidepressiva eine Sonderstellung. Es kann vom Arzt verschrieben werden, darf aber in Apotheken auch frei verkauft werden. Außerhalb von Apotheken darf es nur mit Tagesdosen verkauft werden, die maximal 1/4 der empfohlenen wirksamen Tagesdosis entsprechen (hatte ich das schon gesagt?). Entsprechend kann man da nicht viel erwarten. Ich würde sogar sagen, da nimmt kaum ein Mensch mehr als einen Placebo-Effekt wahr, wenn überhaupt etwas. Außerdem sollte man bei den Drogerieprodukten damit rechnen, dass sie nicht so sorgfältig hergestellt werden, was Anbaugebiet, verwendete Pflanzenteile und Extraktionsverfahren angeht.
Das das Johanniskraut die Antibabypille außer Kraft setzen kann habe ich in dem Zusammenhang auch gelesen und auch, dass das eigentlich nie vorkommen soll. Aber ich habe sogar ein Forum gefunden, in dem jemand behauptet hat, das Kind das sie hat wäre genauso zu stande gekommen.
Na ja und da bin ich dann auch vom Johanniskraut wieder abgekommen, weil Kinder will ich schon, aber nicht JETZT.
Dazu gibt es wohl keine sicheren Untersuchungen. Ich glaube nicht, dass die Wirkung hormoneller Verhütung grundsätzlich außer Kraft gesetzt wird. Das wäre mit Sicherheit bekannt. Die Beschreibungen, die ich dazu gelesen habe, lauteten ganz unterschiedlich. Mal hieß es, man muss mit Zwischenblutungen rechnen, aber die Verhütung sei nicht gefährdet. Dann hieß es wieder, die Wirkung der Pille sei herabgesetzt, besonders bei niedriger Dosierung. Was dann sicher auch wieder individuell verschieden Auftritt.
Ich würde als Frau einfach mal mit einem erhöhten Risiko einer Schwangerschaft rechnen, und zusätzlich verhüten.
Grundsätzlich würde ich bei Antidepressiva - wie bei Therapeuten auch - dazu raten, zu experimentieren. Also mehrere Wirkstoffe auszuprobieren, solange unangenehme Nebenwirkungen auftreten, bzw keine angemessene Verbesserung eintritt. Und besonders Männern würde ich dazu raten, dabei Johanniskraut in die Auswahl einzuschließen. Nimmt man keine Medikamente, deren Wirkung durch Johanniskraut beeinflußt wird, kann dann fast nur noch die erhöhte Lichtempfindlichkeit auftreten, was ja im Winter kein Problem darstellen sollte.
Solltest Du es mit Johanniskraut probieren, würde ich Dir zu einem Präparat mit 2 Einnahmen pro Tag raten, auch wenn eine Einnahme als ausreichend angenommen wird. Der Wirkmechanismus ist bis heute nicht sicher geklärt. Und die Halbwertszeit der verschiedenen möglicherweise beteiligten Stoffe im Körper beträgt teilweise nur wenige Stunden.
Günter