Es ist eine Wunde die niemals richtig heilt...
Ich sag' mal so: Es kann nicht der Sinn des Lebens sein, an der Trauer um einen geliebten Menschen zu zerbrechen. Denn dass geliebte Menschen vor einem sterben, gehört zum Leben. Und es kann eben auch sein, dass sie "zu früh" und plötzlich und unerwartet sterben. Das kommt häufiger vor als man denkt. Aber das erkennt man wohl erst, wenn es einen selbst trifft.
Normal ist wohl, dass der Schmerz mit den Jahren nachlässt. Vermissen wird man einen geliebten Menschen aber immer, zumindest wird man auch nach 10 Jahren noch sehr bedauern, dass er nicht mehr bei einem ist.
Ob jemand in dieser Situation sagt: "Die Zeit heilt alle Wunden", ist eigentlich gar nicht so wichtig.
Viel wichtiger wäre, wenn das Umfeld sich die Mühe machen würde, mal
fünf Minuten darüber nachzudenken, was der Tod eines geliebten Menschen für die engsten Angehörigen
je nach deren persönlichen Lebensumständen bedeutet, und sein Verhalten gegenüber den Hinterbliebenen danach ausrichten würde.
Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob z.B. mein Partner stirbt,
- wenn er in einem Alter war, in dem die meisten Menschen sterben bzw. längst tot sind
- wenn ich darauf vorbereitet war und wir uns bewusst voneinander verabschieden konnten
- wenn ich noch Kinder zu versorgen und somit eine sinnvolle Aufgabe habe,
- wenn noch andere nahestehende Personen/Verwandte mit mir in einem Haushalt bzw. im selben Haus oder in der unmittelbaren Nachbarschaft leben, mit denen ich jederzeit sprechen kann
- wenn meine Eltern oder Schwiegereltern noch leben und mich unterstützen,
- wenn meine erwachsenen Kinder mich regelmäßig anrufen und besuchen,
- wenn ich guten Kontakt zu Geschwistern oder Freunde vor Ort wohnen habe, die mich mal einladen oder bei mir vorbeischauen
- wenn ich in einem Alter bin, in dem eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass ich noch mal einen Partner finden werde
oder
- wenn der Partner noch relativ jung war und die meisten Menschen in dem Alter noch leben
- wenn er plötzlich und unerwartet aus dem Leben gerissen wurde
- wenn ich wirklich allein lebe,
- mit meiner Trauer alleingelassen werde,
- keine nahen Angehörigen (oder aus triftigen Gründen keinen Kontakt zu diesen) habe
- auch keine Freunde vor Ort wohnen habe und
- mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Rest meines Lebens allein bleiben werde, weil ich zu alt oder aus anderen Gründen als Frau nicht der Typ für die breite Masse der Männer bin und
- wenn ich in einem anspruchsvollen, stressigen Beruf mit Führungsverantwortung obendrein noch stark gefordert bin und zu funktionieren habe.
In den zuletzt genannten Fällen trifft mich der Tod meines Seelengefährten ungleich härter.
Ich denke allerdings tatsächlich auch, dass es immer noch vom Einzelfall abhängt, wie sich ein solcher Schmerz entwickelt. Von der Intensität der Beziehung; ob die "natürliche Reihenfolge eingehalten" wurde; ob der Tod womöglich sogar eine Erlösung war; wie der eigene soziale Rückhalt ist, also ob man Trost durch nahestehende Menschen erfährt oder allein damit umgehen muss etc. etc. Und ich finde, dass das dann auch beeinflusst, wie gut man mit alledem klar kommt.
Genauso ist es.
Aber die Mühe, darüber auch nur mal
fünf Minuten nachzudenken, macht sich kaum einer. So wichtig ist man so gut wie niemandem. Wirklich guten Freunden vielleicht - die sind aber höchst rar gesät. Sonst aber macht sich niemand Gedanken - nicht mal für
eine Minute. Nicht die Nachbarn, nicht die Arbeitskollegen (okay, denen offenbart man allerdings auch nicht seine gesamte private Situation), aber auch - und das ist das Schäbigste - nicht mal Verwandte, die einen von klein auf und auch die persönliche Lebenssituation kennen. Ich habe es ja selbst bei meiner Cousine erlebt.
Und das führt nur dazu, dass man sich innerlich von den besagten Personen
noch mehr entfernt.
Man kann dann höchstens darauf hoffen, auch im fortgeschrittenen Alter mit den Jahren noch ein paar neue Kontakte zu finden.
Mit Leuten, die mich meinem Schicksal überlassen, weil sie sich in dem Triumph sonnen, aufgrund ihrer Lebensumstände in einer vergleichbaren Situation ohnehin nicht auf meinen Beistand angewiesen zu sein, will ich jedenfalls nichts mehr zu tun haben. Ich schlage keinen Krach, rücke aber von ihnen ab. Und falls deren Partner oder ein anderer naher Angehöriger auch mal vor ihnen stirbt und ich dann noch leben sollte, brauchen sie mit mir auch nicht zu rechnen. Sie kümmern sich umgekehrt ja auch nicht.
Insgesamt habe ich sogar noch Glück gehabt. Immerhin begleiten mich im Rahmen ihrer Möglichkeiten drei nahestehende Personen (Freunde) und halten regelmäßig Kontakt zu mir, auch wenn sie leider alle nicht vor Ort wohnen. Möchte mal wissen, was ich ohne sie gemacht hätte. Da hätte ich mich gleich in Psychotherapie begeben müssen, nur damit ich mal über meine Trauer und meinen verstorbenen Partner sprechen kann. Ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft.
Ich habe weitläufig Verwandte weit entfernt im Ausland wohnen. Diese haben sich während des Trauerjahres per Mail intensiver um mich gekümmert und besser nachvollziehen können, was der Tod meines Partners für mich bedeutet, als meine oben genannte Cousine, die in meinem Alter ist und mich von klein auf kennt oder besser gesagt, zu kennen glaubt. Selbst meine Haushaltshilfe, die meinen Partner gar nicht mehr kennen gelernt hatte, hat mehr Anteilnahme gezeigt als sie.